Heiligenkalender
29. November
Gottseliger Pater Salvator von Pantellaria, Kapuziner
(Fegefeuer)
In eben bezeichnetem Jahr (1711) auf den heutigen Tag starb in Palermo ein Kapuziner, welcher zwar noch nicht von der Kirche feierlich heilig gesprochen worden ist, dessen Wandel aber so heiligmäßig war, daß er immerhin der Christenheit als großes Vorbild aufgestellt werden darf. Es ist der Pater Salvator von Pantellaria.
Derselbe hatte einen solchen Eifer, sich mit den schwersten Bußen zu peinigen, daß seine Obern genötigt waren, ihm darin Schranken zu setzen, indem er mit einer Härte seinen Leib behandelte, wie es kaum der ärgste Tyrann mit seinem Feind täte, der ihm in die Hände gefallen. Dazu kamen dann noch viele und schwere Leiden von außen, die er aber mit Geduld und Freudigkeit trug; er hatte darin die nämliche Gesinnung wie der hl. Chrysostomus, welcher sagt: „Wenn mir zur Wahl angeboten würde der Himmel oder die Ketten des hl. Paulus, so zöge ich diese vor; wenn ich den Sitz haben könnte oben bei den Engeln oder bei dem gefesselten Paulus, so würde ich Kerker und Banden wählen. Nichts ist vortrefflicher als Übel dulden wegen Christus; mir ist lieber um Christi willen leiden, als um Christi willen geehrt zu werden.“ Wie in der Lampe das Licht durch Öl, so wurde diese Gesinnung in Pater Salvator besonders lebendig erhalten durch Gebet und Betrachtung. Wenn einen Gegenstand der Religion, z. B. die Allmacht Gottes, seiner Seele vorhielt, so währte seine Betrachtung darüber oft ein ganzes Jahr lang, und zwar in der Art, daß unter allen Geschäften sein Geist nie ganz abließ von innerlicher Versenkung. Bei ihm ging ganz eigentlich der Spruch des Apostels in Erfüllung: „Unser Wandel ist im Himmel.“
Es ist schon bei manchen Heiligen und andern ausnehmend gottseligen Personen vorgekommen, die ein strenges in Gott versenktes Leben führten, daß sie zu Zeiten der allerheißesten Andacht,ohne es selbst zu wissen, in die Höhe gezogen wurden, so daß ihr Leib mehr oder weniger hoch über der Erde schwebte. Solches kam auch mehrmals bei Pater Salvator vor, und viele Personen haben es gesehen. Desgleichen wurde er durch seine fortwährende Abkehr von der Welt und Zukehr zu Gott gleichsam durchsichtig für das Einstrahlen des hl. Geistes, so daß er manche Offenbarungen während der Andacht bekam.
Pater Salvator wurde von seinen Obern zum Predigtamt bestimmt; hier zeigte sich nun eine außerordentliche Kraft und Wirksamkeit seiner Worte, so daß große Kirchen oft das zusammen strömende Volk nicht fassen konnten und er deshalb die Kanzel auf freiem Feld aufschlagen musste. Die große Stadt Neapel, sagt sein Geschichtsschreiber, sei ein wahres Ninive in allgemeiner Bekehrung geworden, als Salvator dort die Fastenpredigten hielt. Das Volk war so sehr von seiner großen Heiligkeit überzeugt, daß ihm bei der Rückkehr von der Kanzel gewaltsam Stücke von seiner Bekleidung geschnitten wurden, weil Jedermann etwas besitzen wollte von dem Gottesmann. Bei dem übermäßigen Zulauf, welchen Pater Salvator im Beichtstuhl hatte, geschah es öfters, daß er von früh Morgens bis auf den späten Abend Beichte saß, ohne die geringste Nahrung zu sich zu nehmen.
Der hl. Bernard setzt die vollendete Demut darein: „wenn du Großes wirkst und dich nicht für groß ansiehst, wenn Allen deine Heiligkeit bekannt ist und du allein nichts davon weißt, wenn du Jedermann bewundernswert scheinst und du dir armselig vorkommst.“ Solches traf vollständig an Pater Salvator ein. Alles Lob, alle Ehrbezeugung von Hoch und Nieder, alle Wundertaten, die Gott durch ihn wirkte, die endlosen Mühsale, welche er bis ans Ende für Gott trug, benahmen ihm nicht im Geringsten die Überzeugung, daß er ein armseliger nichtswürdiger Sünder sei. Einmal wollte ein anderer Kapuziner den gottseligen Pater Salvator auf die Probe setzen und warf ihm Gleißnerei und andere Sünden vor; Salvator rechtfertigte sich mit keinem Wort, sondern dankte noch für diese unverdienten Vorwürfe und wählte von dieser Zeit an jenen Kapuziner zu seinem Beichtvater.
Je mehr Liebe und Demut in einem Menschen vorhanden ist, desto größer ist jedesmal auch seine Geduld. Pater Salvator wurde 22 Jahre lang von so heftigem Kopfweh geplagt, daß es ihm war, wie wenn man mit Hämmern darauf schlüge, so daß er oft einige Tage lang in finsterer Zelle sitzen musste, indem die Qualen durch das Licht noch unerträglicher wurden; ferner hatte er ein peinliches Stechen in den Augen und wurde zuletzt auch blind an einem derselben. Der Magen ertrug so übel die Speisen, daß ihm die Essenszeit eine besondere Marterstunde war; dabei litt er auch an Gicht, so daß seine Hände ganz verdreht wurden und ein Klosterbruder ihm vorschneiden und das Essen in den Mund geben musste wie einem kleinen Kind; zuletzt bekam er auch noch die Wassersucht und musste stets auf dem Rücken liegen, der eine weite offene Wunde hatte. Da aber Pater Salvator das innigste Mitleiden gegen den gekreuzigten im Herzen trug, so waren ihm seine eigenen Leiden gleichsam lauter Blumen, welche ihn mit dem Geruch erquickten, daß er sich als Teilnehmer des Leidens Christi betrachten durfte. Daher sah man ihn niemals traurig; in den größten Schmerzen sagte er oft: „Der Name des Herrn sei gebenedeit“, und ermunterte und tröstete selbst noch die, welche ihn besuchten, daß sie sich in den göttlichen Willen ergeben möchten.
In dem ziemlich großen Buch, worin das Leben des Paters Salvator beschrieben ist, werden sehr viele wunderbare Heilungen, Weissagungen und übernatürliches Wissen erzählt, wodurch Gott seinen treuen Diener vor der Welt ausgezeichnet hat. So z. B. hielt er einst in Ventimiglia die Fastenpredigten; der Zulauf aus den nahe liegenden Orten war so groß, daß die Kanzel unter freiem Himmel errichtet werden musste. Ein ruchloser Mensch, welcher auch der Menge nachgelaufen war, erblickte hier unter den Zuhörern den, gegen welchen er den grimmigsten Hass trug, und entschloss sich, während der Predigt sich an jenen hinzudrängen und ihn tot zu stechen. Aber durch höhere Erleuchtung bewogen, erklärte Pater Salvator der Volksmenge, er sei gehindert die Predigt zu halten, und ließ den, welcher in Gefahr ermordet zu werden war, zu sich rufen und in einem Nebenzimmer warten. Hernach musste man ihm auch den Mörder im Vorsatz herbei rufen. Diesem hielt er sein teuflisches Vorhaben vor und redete dann mit solchem Nachdruck ihm ins Gewissen, daß er in tränen ausbrach und mit aufrichtiger Reue Besserung gelobte. Darauf rief Salvator den Andern, und beide besiegelten ihre Versöhnung, indem sie sich liebreich umarmten. –
Mehr als einmal stillte Salvator gefährliche Meeresstürme bloß mit dem Kreuzeszeichen oder Weihwasser; zuweilen riefen gefährlich Kranke seinen Namen an, da er noch lebte, und bekamen alsbald Hilfe, und die schwersten Übel wurden oft einfach geheilt, wenn Salvator den begehrten Segen gab. –
In einer Stadt, wo Salvator ein ganzes Jahr predigte, wurde er allgemein wie ein Heiliger verehrt; daher bat eine Frau, so oft sie dem gottseligen Kapuziner begegnete, ihn um sein Gebet, damit ihre baldige Niederkunft glücklich vonstatten gehe. Sie scheint eine Ahnung gehabt zu haben, daß ihr große Gefahr bevor stehe, denn als es zum Gebären kam, blieb sie mit Not am Leben; das Kind aber kam tot zur Welt. Die bestürzte Mutter befahl, man solle das tote Kind zu Pater Salvator tragen; denn sie hatte das Vertrauen, daß er von Gott dem Kind so viel Lebensfrist erwirken könne, um es noch taufen zu lassen. (siehe den Beitrag: Die Taufe ist für Kinder heilsnotwendig) Als das tote Kind in das Kapuziner-Kloster samt dem Anliegen der Mutter überbracht wurde, war Pater Salvator gerade krank. Ein Bruder trug nun den kleinen Leichnam zu ihm in die Zelle; er schaute betend zum Himmel, segnete dann das Kind mit dem Kreuz, und in demselben Augenblick wurde es zum Leben erweckt. Salvator befahl, es alsbald zur hl. Taufe zu bringen, was auch geschah und ihm der Name Salvator beigelegt wurde. Nun brachte man den Täufling frisch und gesund der Mutter, welche ihn mit höchster Freude küßte und ihn ans Herz drückte. Aber da nun die Seele des Kindes durch die hl. Taufe versorgt war, nahm Gott gleich nachher dieselbe zu sich. –
Ein Türke sah, daß alle Leute auf dem Schiff dem Pater Salvator so große Ehrerbietung erweisen; deshalb schnitt er ihm heimlich von seinem Kleid ein Stückchen ab und steckte es in seinen Busen. Alsbald regte sich in dem Mohammedaner eine solche Begierde den christlichen Glauben anzunehmen, daß er sich, sobald das schiff gelandet war, unterrichten und taufen ließ.
Als es mit dem gottseligen Pater Salvator zum Sterben ging, ließ er sich die Passion vorlesen, und da man zu den Worten kam: „Mit geneigtem Haupt gab er seinen Geist auf“, gab auch er seine gebenedeite Seele in die Hände seines Erlösers. Nach seinem Tode war ein ungeheurer Zulauf zu dem Leichnam und die Menge riß sich um die armseligsten Dinge, welche ihm gehört hatten, wie um den kostbarsten Schatz. Außerordentlich viele wunderbare Heilungen geschahen aber auch nach seinem Tode an solchen, die in mannigfaltigen Übeln den Hingeschiedenen um seine Fürbitte anriefen.
Wo glaubst du wohl, daß eine so heiligmäßige Seele nach dem überstandenen qualvollen Krankenlager hingekommen sei? – Du wirst ohne Zweifel denken: alsbald oder von Mund auf in den Himmel. Wir wollen sehen, was der Bericht über Salvator weiter erzählt. Der Beichtvater eines Klosters in Palermo legte einer ausgezeichnet frommen Klosterfrau auf, besonders für die Seele des von ihm hoch geschätzten Salvator zu beten. Die Klosterfrau wurde nun wegen ihrer eifrigen Andacht begnadigt, daß sie in geistiger Anschauung die glorreich verherrlichte Seele des Paters Salvator erblickte und ihr geoffenbart wurde, er sei nach einer kleinen Viertelstunde im Fegefeuer zu den himmlischen Freuden aufgenommen worden.
Also dieser außerordentlich fromme Mann musste nach so vielen guten Werken, nach so vielen Leiden, nach so vielen Wundern und Weissagungen dennoch ins Fegefeuer. Wenn es auch nur eine Viertelstunde lang war, so dauert eben das Absägen eines Beines oder Armes auch nicht länger, und doch schaudert man davor zurück, und mancher will lieber sterben, als sich dieser Operation unterziehen. Man darf aber wohl glauben, daß das Fegefeuer noch viel schmerzhafter sei. Weshalb hat nun Gott diesem treuen eifrigen Diener das Fegefeuer nicht ganz erlassen? In jenem Gesicht wurde der Klosterfrau geoffenbart: wegen einiger Ungeduld und wegen etwas kaltsinniger Unterwerfung unter den Willen Gottes. Gott ist nämlich so unaussprechlich heilig, daß er selbst seinen treuesten Dienern nicht den Eingang in den Himmel gestattet, so lange nicht jede Befleckung, sei sie auch vor der Welt noch so gering, beseitigt ist. „Es geht nichts Unreines in den Himmel.“ Die Verdienste, welche sich der Mensch erwirbt, bleiben ihm zwar in alle Ewigkeit und erhöhen seine Seligkeit, wenn er in der Gnade Gottes stirbt – aber die Befleckungen der Seele sind nicht allemal dadurch getilgt. Deswegen sagt der tiefsinnige Prediger Tauler: Es könne manche Seele eine viel höhere Stufe im Himmel erlangen, als eine andere, und dennoch viel länger und schwerer im Fegefeuer leiden müssen, als diese. So z. B. kam auch die Seele des Kindes, das durch den gottseligen Salvator zum Leben erweckt wurde, ohne Fegefeuer in den Himmel; dennoch darf man sicher glauben, daß Salvator bei weitem größere Herrlichkeit im Himmel hat, als jene Kinderseele.
Wenn nun aber dieser heiligmäßige Mann dennoch ins Fegefeuer musste, so gilt hier auch: wenn dies am grünen Holz geschieht, wie wird es mit dem dürren gehen? Wollen wir daher nicht entsetzlich schwer und lang jenseits leiden, so haben wir alle Ursache, uns eifrig von unsern Fehlern und Befleckungen zu reinigen, oft durch das hl. Sakrament der Buße und Ablass unsere Schulden zu tilgen, freiwillige Bußen uns aufzuerlegen, alle Leiden geduldig in Betracht unserer Sünden anzunehmen. Auch geziemt es sich, daß wir selbst für die frömmsten Personen, wenn sie gestorben sind, beten; denn wer kann darauf zählen, vom Fegefeuer verschont zu bleiben, wenn selbst der gottselige Salvator nicht verschont geblieben ist? –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 4 Oktober bis Dezember, 1872, S. 349 – S. 354