Drangsale sind Zeichen der Güte Gottes

Von den Ursachen dieser schrecklichen Zeichen

Am zweiten Sonntag im Advent – Teil 1

Drangsale sind Zeichen der Güte und Barmherzigkeit Gottes

Qui praeparabit viam tuam ante te.
Der deinen Weg vor dir bereiten soll. (Matth. 11, 10)

Johannes war jener Engel, welcher dem damals in die Welt kommenden Heiland Jesus Christus den Weg vorbereiten sollte. Wie hat er nun dieses ausgerichtet? Der Evangelist Lukas antwortet: Er kam in die ganze Gegend am Jordan und predigte die Taufe der Buße zur Vergebung der Sünden. (Luk. 3, 3); überall rief er den Menschen zu: Tuet Buße, denn das Himmelreich ist nahe. (Matth. 3, 2)

Meine Andächtigen! Gleiche Warnungen des rufenden Gottes werden sein bei dem nahenden Ende der Welt, jene schrecklichen Zeichen, wovon wir bisher gehandelt haben, als Vorboten und Vorläufer des zum zweiten Mal ankommenden allgemeinen Richters Jesu Christi. Was werden sie rufen? Eben das, was damals Johannes rief: Bereitet den Weg des Herrn (Joh. 1, 23); machet euch bereit für die baldige Ankunft des erzürnten Richters; tuet Buße über eure Sünder, bekehrt euch zu Gott, denn der letzte Gerichtstag ist nahe. Und dieses ist die erste Absicht des gütigen, barmherzigen Gottes, warum er diese Zeichen der Welt sehen lassen wird; dieses ist ebenfalls die ganze Absicht des gütigen, barmherzigen Gottes, warum er jetzt öfter die betrübten Zeichen der Widerwärtigkeit der Welt zu fühlen gibt, wie ich heute beides beweisen will. Die Zeichen, welche dem letzten Gerichtstage vorher gehen, sind lauter Wirkungen der Güte und Barmherzigkeit Gottes, damit die Sünder, dadurch abgeschreckt, durch wahre Buße sich vorbereiten mögen, welches doch die wenigsten dann tun werden. Davon im ersten Teil.

Die allgemeinen Drangsale heut zu Tage sind ebenfalls lauter Wirkungen der Güte und Barmherzigkeit Gottes, damit wir, dadurch gezüchtigt, unser sündhaftes Leben bessern sollen, was doch auch die wenigsten tun. Davon im zweiten Teil. Ich will Buße tun, ich will mich bessern, gütigster Gott! Also mache ein jeder für sich den Schluss, mit deiner Gnade, o Herr! um die wir bitten durch die Verdienste Maria`s und die Fürsprache unsrer heiligen Schutzengel.

Wenn du zürnst, denkst du an die Barmherzigkeit

Was will ich aber da sagen? Die Zeichen, welche der Ankunft des Richters am jüngsten Tage vorher gehen werden, sollen Zeichen und Wirkungen der göttlichen Güte und Barmherzigkeit sein? Jene schrecklichen Zeichen, bei deren Anblick die Menschen vor Furcht und Angst verschmachten werden? Jene Zeichen, welche ich letzthin lauter gräuliche Vorboten des unversöhnlichen Hasses, Zornes und Rachegrimmes Gottes wider die Sünder nannte, diese sollen zugleich Zeichen und Wirkungen der Barmherzigkeit Gottes gegen dieselben Sünder sein? Freilich, so ist es, meine Andächtigen! Vorboten werden sie sein des versöhnlichen Grimmes Gottes, der sich am Ende der Welt, am Tage des Gerichtes wider die Sünder ohne alles Erbarmen ausgießen wird, aber doch zugleich Zeichen der noch gegenwärtigen Güte und Barmherzigkeit Gottes, laut jenes Ausspruches des Propheten: Wenn du zürnst, o Herr! denkst du an die Barmherzigkeit (Habak. 3); damit nämlich die alsdann noch lebenden Sünder, durch diese Zeichen erschreckt, endlich in sich gehen, ihre Sünden bereuen und sich zu Gott bekehren, also dem dadurch gedrohten Zorn des Richters entgehen mögen, und wie der englische Lehrer, der heilige Thomas von Aquin, sagt: Damit die Herzen aller Menschen durch diese Zeichen als Vorboten des nahenden Richters, frühzeitig ermahnt und gewarnt, sich auf den Gerichtstag vorbereiten.

Ein Bild aus dem Strafgericht Gottes: die Sündflut vertilgt die sündigen Menschen; Blitze, Regen und Stürme toben über das Land; die Menschen versuchen sich zu retten, jedoch umsonst

Seht, meine Andächtigen! Wie jene dem letzten Gerichtstage vorher gehenden, wiewohl schrecklichen Zeichen des erzürnten Gottes zugleich Zeichen und Wirkungen der noch anhaltenden göttlichen Güte und Barmherzigkeit zur Buße und Besserung der Sünder sein werden. Und doch, was zu verwundern und fast nicht zu begreifen ist, werden alsdann die wenigsten Sünder dadurch bewegt werden, ihr gottloses Leben zu bereuen und zu bessern. Natürliche Furcht und Schrecken ob solcher Verstörung und Verwirrung aller Dinge wird sie in die äußerste Angst setzen und gleichsam verschmachten machen, das ist wahr; indessen, wenn die Furcht wieder vorbei ist, werden sie sich nicht im geringsten daran kehren; sie werden gleich den Menschen zu den Zeiten Noe`s , als er sich auf die Sündflut vorbereitete, nicht einmal daran glaubten, daß es Zeichen des heran nahenden letzten Tages seien, welche das nächst bevorstehende göttliche Gericht vorbedeuten sollen, sondern sie werden vielmehr die Frommen, welche daran glauben, verlachen, dieselben als gar zu Einfältige und Leichtgläubige verspotten und also in ihren Lastern fortfahren, bis sie endlich, unbußfertig und unversehens vom Feuer hingerissen, durch die letzte Posaune vor den Richterstuhl Gottes geladen werden. Soll einem das, sage ich, nicht höchst erstaunlich vorkommen? Doch was wundern wir uns lange darüber, christliche Zuhörer! Machen wir es nicht noch heut zu Tage fast eben so, wenn uns der liebe Gott mit allgemeinen Strafen und Drangsalen entweder vorher droht oder wirklich heimsucht?

Was jenen Menschen bei dem herannahenden Ende der Welt die vorher gehenden Zeichen sein werden, das sind bei uns schon jetzt die allgemeinen Nöten und Drangsale. Jene werden dadurch erschreckt und beängstigt werden; denn es wird alsdann eine große Trübsal sein, dergleichen von Anfang der Welt bis jetzt nicht gewesen ist. (Matth. 24, 21) Dieselbe Wirkung haben die Drangsale bei uns; sie schrecken uns, sie beängstigen uns, bei deren Wahrnehmung fangen wir an zu heulen und zu jammern: o wehe, was wird das noch für ein elend sein! etc. Und doch, was sind, gleichwie jene Vorzeichen, also unsre Trübsale? Was sind sie anders, als lauter Wirkungen der Güte und Barmherzigkeit Gottes gegen die Sünder? Lauter Wirkungen, welche keine andere Absicht haben, als daß die Menschen, dadurch gedemütigt und väterlich gezüchtigt, in sich gehen, ihre Sünden bereuen, ihr Leben bessern und also der ewigen Strafe in der Hölle entgehen mögen, indem die allgemeinen Nöten von der göttlichen Vorsehung nie über ein Land verhängt werden, als nur wegen der Laster des Volkes, um dieselben zu vertilgen und auszurotten; eine Wahrheit, welche so oft schon von allen Kanzeln vorgetragen wurde und darum keines weitern Beweises bedarf; eine Wahrheit, woran keiner von den heiligen Vätern und Kirchenlehrern mehr zweifelt.

Gebenedeit sei das Beben der Erde

Der heilige seraphische Franziskus, wie der heilige Bonaventura in dessen Leben schreibt, kam auf einer Reise durch ein Land, wo er nichts als Jammer unter dem Volk hörte, weil das Vieh von den Wölfen aufgefressen und alles Getreide auf den Feldern durch immer währende Hagelschauer zerschlagen worden sei. Als Franziskus dieses vernahm, kehrte er sich zu dem Volk: Ach, ihr guten Leute! sagte er, wisset ihr auch die Ursache, woher dieses Übel entsteht? Erkennt ihr die Hand, welche diese Strafe über euch verhängt? Gott ist es welcher aus Barmherzigkeit eure Sünden und Missetaten heimsucht, damit ihr nicht ewig zu Grunde geht. Doch wollt ihr von der Strafe frei werden? Es liegt nur bei euch. Entfernt die Ursache, bereut und bessert euer sündhaftes Leben, so habt ihr dem Übel auf einmal abgeholfen. Etwas Wunderbares, das selten zu geschehen pflegt! Auf diese einzige Erinnerung und Ermahnung ergreift alsbald das Volk die Buße, sie bereuen und beichten ihre Sünden, bitten Gott demütig um Verzeihung, versprechen, sich zu bessern, und siehe, von der Stunde an nahm alles Unheil ein Ende; von den Wölfen ließ sich keiner mehr sehen, die Hagelschauer, ob sie schon dann und wann in der Luft brausten und die umliegenden Orte beschädigten, verloren sich in aller Eile, sobald sie den Ländereine des nunmehr büßenden Volkes nahe waren, als ob sie hätten sagen wollen: wir haben keinen weiteren Auftrag vom Schöpfer, diesem Land noch Schaden zuzufügen.

Der heilige Johannes Chrysostomus bestieg, als die Stadt Konstantinopel durch heftiges Erdbeben erschüttert wurde, so daß alle Einwohner wegen Furcht und Angst nicht wußten, wo sie sich hinwenden sollten, die Kanzel und fing mit folgenden Worten an zu predigen: Gebenedeit sei das Beben der Erde; was ihr, meine Zuhörer! darüber urteilt, weiß ich nicht; eure Bekümmernis, Furcht und schrecken deutet mir an, daß ihr es für ein großes Übel und Unglück anseht; was mich anbelangt, lobe und preise ich deswegen meinen Gott und Herrn, und bin der Meinung, daß wir demselben eben dafür den höchsten Dank schuldig sind. Wie so? Ihr habt gesehen die Güte und Barmherzigkeit Gottes; das Beben der Erde ist eine Stimme, welche zu unsern Herzen ruft: Wir sollen, durch die Furcht gebessert, den göttlichen Zorn besänftigen und die bevorstehende weit ärgere Strafe von uns abwenden.

Soll Gott eure Sünden und Laster ungestraft lassen?

Mit solchen Beweisen schloss ebenfalls der heilige Hieronymus den Manichäern den Mund; diese Ketzer waren so weit in Irrtum und Bosheit geraten, daß sie sich nicht scheuten, Gott den Herrn einer Grausamkeit zu zeihen und als einen Tyrannen öffentlich auszurufen; zu diesem Irrtum und dieser Gotteslästerung gaben ihnen Anlass jene Worte des Propheten Amos (3, 6): Kommt ein Unglück über eine Stadt das nicht der Herr getan? Seht, sagten sie, was ist das für ein Gott, welcher so viele Übel in der Welt anstiftet? Daß so viele Krankheiten herrschen; daß durch die Pest so viele tausend Menschen hinweg gerafft werden; daß die unfruchtbare Erde ganzen Ländern so oft die notwendige Nahrung versage; daß durch den Krieg so viele Städte und Dörfer ausgeplündert, verheert, verbrannt und die Bewohner in die äußerste Armut und Verzweiflung gebracht werden? Alle diese und mehr andere Unglücke sind harte Verfolgungen der armen Menschen, deren Urheber Gott ist, und dieser rühmt sich noch gleichfalls, daß er derjenige sei, welcher dieses Unheil angestiftet und getan habe? Welcher Tyrann geht unbarmherziger mit seinen Untertanen um, als dieser Herr mit seinen Geschöpfen? O ihr gottlosen, unwissenden, unsinnigen Ketzer! Ruft mit Unwillen der heilige Hieronymus, was redet ihr? Dasjenige, welches ihr da dem Schöpfer für eine Grausamkeit auslegt, dieses führen wir an, um die Größe seiner Barmherzigkeit zu beweisen. Kein Übel, kein Unglück, keine Trübsal, welchen Namen sie immer hat, ist in der Welt, das nicht der Herr getan habe; freilich, das ist unfehlbar wahr, aber was denn mehr? Wollt ihr denn haben, daß Gott eure Sünden und Laster ungestraft lassen soll? Soll dieser heiligste Gott denn zusehen, wie die Welt in einen Ort von Ehebrechern, Vollsäufern, Dieben und Mördern verwandelt werde? Wo ist ein rechtschaffener Fürst und König in der Welt, welcher über die Übeltaten nicht billige Strafen verfügt? Wo ein Vater, welcher alle Verbrechen seiner Kinder ungezüchtigt läßt? Ihr, ihr seid es, o Gottlose! Wenn auch schon kein anderer Sünder neben euch wäre, welcher den sonst gütigen und barmherzigen Gott zu diesen Strafen zwingt und nötigt.

Welch ungeheure große Menge von Sünden und Lastern geschieht nicht täglich neben den eurigen in der Welt? Ist es denn wohl zu verwundern, daß ebenso mit so vielen Drangsalen und Widerwärtigkeiten die ruchlose Welt gezüchtigt und gequält werde? Lasset uns nur Gott dem Herrn demütigen Dank sagen, so oft er uns auf diese Weise heimsucht; es sind zwar harte und bittere Strafen, jedoch zugleich heilsame Arzneimittel, deren wir uns, wenn wir nur ernstlich wollen, zur Besserung des Lebens und zu unserm ewigen Heil bedienen können und sollen, damit wir nicht, in Sünden und Lastern verhärtet, einst in das ewige Feuer der Hölle gestürzt werden. In solchem Sinne predigte damals den Ketzern der heilige Hieronymus. –
aus: Franz Hunolt SJ, Christliche Sittenlehre der evangelischen Wahrheiten, dem christlichen Volk in sonn- und festtäglichen Predigten vorgetragen, Bd. 9, Siebzehnter Teil, 1848, S. 120 – S. 130

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