Beginn und Ende der Sündflut

Ein Bild aus dem Strafgericht Gottes: die Sündflut vertilgt die sündigen Menschen; Blitze, Regen und Stürme toben über das Land; die Menschen versuchen sich zu retten, jedoch umsonst

Die Sündflut ein furchtbares Strafgericht

(Gen. 6, 5 bis 9, 17) (1)

„Da nun Gott sah, daß der Menschen Bosheit groß war, auf Erden und alles Denken ihres Herzens auf das Böse gerichtet immerdar, da reute es ihn, daß er den Menschen erschaffen hatte auf Erden, und voll Schmerz darüber sprach er: Ich will den Menschen, den ich geschaffen, von der Erde vertilgen, Mensch und Getier, vom Gewürm bis zu den Vögeln des Himmels; denn es reuet mich, daß ich sie geschaffen.“ (2) – Selbst die unvernünftige Kreatur soll vertilgt werden, weil sie, für den Menschen erschaffen, gewissermaßen keinen Zweck mehr hat, wenn der Mensch vertilgt wird. Die Ausdrücke wollen natürlich nicht sagen, daß Gott wirklich Schmerz und Reue empfunden hätte, sondern es ist nur, menschlich genommen, der stärkste Ausdruck des Unwillens gebraucht. „Denn Gott ist kein Mensch, daß er bereue.“ (3)

Mitten unter den Gottlosen lebte „Noe, ein gerechter und vollkommener Mann, der mit Gott wandelte“. Er fand Gnade vor Gott, und Gott sprach zu ihm: „Mache dir eine Arche (4) von gezimmertem Holz (5); mache Kammern (6) in derselben und verpiche sie mit Erdpech von innen und außen. Sie soll 300 Ellen lang, 50 Ellen breit und 30 Ellen hoch sein. Ein Fenster mach an der Arche und in einer Elle vollende seine Höhe (von Oben). Die Türe aber setze an die Seite der Arche, und mache in ihr drei Stockwerke.“ (7)

Daß ein Bau, der bestimmt war, viele lebende Wesen aufzunehmen, Licht und Luft, also Fenster nötig habe, verstand sich von selbst; aber wie dies Fenster, oder diese Fenster, anzubringen sein, musste Gott selbst angeben, weil er allein wußte, welchen gefahren der Bau Trotz zu bieten habe. Obwohl der Ausdruck für uns dunkel ist, so ist doch so viel klar, daß die Licht- und Luftöffnung der Größe und Bestimmung des Baues entsprechen musste, und daß sie ganz oben am Bau angebracht werden sollte, und zwar so, daß von dort aus Licht und Luft durch alle Räume gelangte. (8)
„Denn siehe“, sprach Gott weiter zu Noe, „ich will eine Wasserflut über die Erde bringen, um zu töten alles Fleisch, in welchem Odem des Lebens ist, unter dem Himmel. Alles, was auf Erden ist, soll untergehen. Aber mit dir will ich einen Bund schließen, und du sollst in die Arche gehen, du und deine Söhne, dein Weib und die Weiber deiner Söhne mit dir. Und aus allen Tieren, aus allem Fleische sollst du je zwei (9) in die Arche bringen, damit sie mit dir erhalten werden.“ Auch allerlei Speisen sollte Noe mit in die Arche nehmen, damit alle zu leben hätten. „Und Noe tat alles, wie ihm Gott befohlen.“ (10)

In festem Glauben und mit großartiger Seelenstärke, unbeirrt durch die ungläubige Verstocktheit und den Spott seiner Zeitgenossen, predigte Noe unter Hinweis auf das bevorstehende Strafgericht Buße. Lange Jahre hindurch baute er vor den Augen seiner Zeitgenossen an der Arche. (11) Allein, wie Jesus selbst erklärt, „die Menschen achteten nicht auf seine Predigt, aßen und tranken, nahmen zur Ehe und gaben zur Ehe, bis zu dem Tage, da Noe in die Arche ging, und die Sündflut kam und sie alle dahin raffte“. Gottes Langmut war endlich erschöpft. Er sprach zu Noe: „Gehe in die Arche mit all den Deinigen. Denn noch sieben Tage, dann will ich regnen lassen auf die Erde vierzig tage und vierzig Nächte lang und will alle lebendigen Wesen, die ich gemacht habe, von dem Erdboden vertilgen.“ Noe ging mit den Seinigen und mit den Tieren in die Arche. (12)

„Als aber sieben Tage vorüber waren, im 600. Lebensjahr Noes, am 17. Tage des zweiten Monats (13), brachen auf alle Brunnen der großen Tiefe, und die Schleusen des Himmels öffneten sich, und es kam ein Regen über die Erde vierzig Tage und vierzig Nächte lang. An demselben (siebten) Tage war Noe mit den Seinigen in die Arche gegangen, und Gott hatte ihn von außen eingeschlossen. (14) Das Wasser aber wuchs an und hob die Arche in die Höhe von der Erde. Denn es schwoll mit Ungestüm an und erfüllte alles auf dem Erdboden; die Arche aber schwamm auf dem Wasser. Und das Wasser nahm überaus zu und bedeckte alle hohen Berge unter dem ganzen Himmel. Fünfzehn Ellen war das Wasser höher als die Berge, die es bedeckte. (15) Da wurde vertilgt alles Fleisch, das sich auf Erden regte, die Vögel, die Tiere, das Vieh und alles Gewürm, das auf der Erde kriecht, und alle Menschen. Und alles, in dem Odem des Lebens war auf Erden, starb. So vertilgte Gott jegliches Wesen, das auf der Erde war, vom Menschen bis zum Vieh, das Kriechende sowohl als die Vögel des Himmels -; es wurde vertilgt von der Erde. Nur Noe blieb übrig, und die mit ihm in der Arche waren. Und das Wasser stand auf der Erde 150 Tage lang.“ (16)

Gott aber gedachte des Noe und aller Tiere, die mit ihm in der Arche waren, und ließ einen Wind über die Erde wehen, und dass Wasser nahm ab. Und es schlossen sich die Brunnen der Tiefe und die Schleusen des Himmels, und der Regen hörte auf. Und das Wasser verlief sich von der Erde, hin und her wogend, und fing an abzunehmen nach 150 Tagen. Und im 7. Monat, am 27. Tage des Monats, kam die Arche auf den Bergen Armeniens zur Ruhe (zum Stillstand).

Das Wasser aber verlief sich und nahm ab bis zum 10. Monat; am 1. Tage des 10. Monats erschienen die Gipfel der Berge. (17) Vierzig Tage nachher öffnete Noe das Fenster der Arche und ließ einen Raben (18) fliegen. Dieser kam nicht wieder, bis (19) das Gewässer vertrocknet war auf der Erde. Nach ihm sandte Noe eine Taube aus, um zu sehen, ob das Gewässer weg wäre von der Oberfläche der Erde. Als aber diese nicht fand, worauf ihr Fuß ruhen konnte, kehrte sie zu ihm in die Arche zurück; denn das Wasser war noch auf der ganzen Erde (so weit der Horizont reichte). Und Noe streckte die Hand aus, ergriff sie und nahm sie in die Arche. Nach weiteren sieben tagen ließ er wieder eine Taube aus der Arche fliegen. Diese aber kam zu ihm zur Abendzeit zurück und trug einen Ölzweig (20) mit grünen Blättern in ihrem Schnabel. Da erkannte Noe, daß das Wasser von der Erde weg sei. Gleichwohl wartete er noch sieben Tage und sandte wieder eine Taube aus; diese kehrte nicht mehr zu ihm zurück. Endlich im 601. Jahr des Noe, am 1. Tage des 1. Monats, war das Land vom Wasser befreit; und Noe öffnete das Dach der Arche und sah, daß der Erdboden trocken geworden war; am 27. Tage des 2. Monats war die Erde völlig trocken. (21)

Anmerkungen:

(1) Im Hebräischen mabbul, große Flut; im Lateinischen diluvium, große Flut. Neuere ziehen die alte Schreibweise Sintflut (eigentlich sinfluot) = große Flut vor. Wir behalten den gebräuchlichen Ausdruck Sündflut bei, weil er zugleich den über übernatürlichen Zweck des Ereignisses andeutet. Überdies hat nach Wackernagel (Über den Ursprung und die Entwicklung der Sprache 56f) das Wort „Sündflut“ auch wissenschaftlich seine volle Berechtigung, und zwar „als ein Hauptbeispiel gelungenster Sprachneuerung, als eine treffende Umgestaltung des nicht mehr verständlichen alten Ausdrucks, ein Wort, das seine Anwendung ganz bestimmt nur in diesem einen geschichtlichen Bezug findet und so die Bedeutung eines Eigennamens hat, das inhaltvoll zugleich das Ereignis und dessen Ursache angibt, ein recht eigentlich pragmatisches Wort, wie Sintflut dies fürwahr nicht ist.“
(2) V. 5 – 7.
(3) 1. Kg. 15, 29; Nm. 23, 19.
(4) Das lateinische arca bedeutet, wie das hebräische thebah, eigentlich Kiste oder Kasten; dies deutet darauf, daß es kein eigentliches Schiff war, vielmehr eher ein vierseitiges, wohl auf einem großen, starken Floß sich erhebendes Haus, einzig dazu bestimmt, die bezeichneten Geschöpfe aufzunehmen, sich mit ihnen über dem Wasser zu erhalten und dem Andrang der Wogen zu widerstehen.
(5) Im Hebräischen „aus Gopher-Bäumen“, d. i. irgend eine Art von Nadelholz, wahrscheinlich Zypressen, die sehr hoch und gerade empor wachsen und deren Holz unverweslich und sehr hart, dabei dennoch leicht ist, daher sie sowohl für die Größe wie für die Bestimmung der Arche vorzüglich sich eigneten.
(6) Im Hebräischen eigentlich Nester, d.i. kleine Behältnisse, um die Tiere genügend voneinander zu sondern.
(7) V. 8 – 16.
(8) Man braucht sich nur die „Fenster“ als eine oben um die ganze Arche herlaufende Öffnung zu denken; dann konnte mittelst zweckmäßig angebrachter Öffnungen Licht und Luft auch in die zwei unteren Stockwerke hinab fallen. (Vgl. Calmet ad Gen. 6, 16). Nicht mit Unrecht beruft man sich hierfür auf den hebräischen Text: „Licht (zóhar) sollst du der Arche machen und eine Elle von oben her es vollenden“, d.i. Was die Lichtöffnung betrifft, so sollst du damit eine Elle vom oberen Rand der Arche weg bleiben; damit ist nur gesagt, wie hoch oben Noe dem Licht den notwenigen Zutritt verschaffen sollte, da füglich die Ausdehnung der Lichtöffnung nach Maßgabe des in die Augen springenden Bedürfnisses dem Noe überlassen bleiben konnte. Manche Schriftausleger nehmen nach einem bekannten hebräischen Sprachgebrauch das Wort „Fenster“ kollektiv, d. h. von einer Mehrzahl von Fenstern. Das Fenster (hebräisch challón, eigentlich Loch, Öffnung), das Noe später (8, 6ff) öffnete, um den Raben usw. fliegen zu lassen, ist etwas anderes, nämlich ein Fenster, das man öffnen und schließen konnte, ohne Zweifel an der für die Menschen bestimmten Wohnung.
(9) Also ein Paar von jeder Art. – Nachher aber wird dem Noe mit dem Befehl, in die Arche zu gehen, auch der Befehl gegeben, von allen reinen Tieren je sieben (schwerlich je sieben Paare, wie manche Ausleger wollen), also je drei Paare und ein einzelnes mit in die Arche zu nehmen (7, 2 3), damit die Arten der reinen Tiere, weil für den Menschen von größtem Nutzen, desto sicherer erhalten würden, und damit Noe nach der Flut von ihnen ein Dankopfer darbringen könne. Vgl. 8, 20)
(10) 6, 17 – 22; 7, 2f.
(11) Eine noch viel eindringlichere Predigt, die nun zur mündlichen hinzu kam – alles umsonst! (Vgl. 1. Petr. 3, 20; 2. Petr. 2, 5; Hebr. 11, 7; Mt. 24, 37)
(12) 7, 1-9. Wie Noe die Tiere zusammen gebracht, ist eine müßige Frage, wenn man ein wunderbares Eingreifen Gottes annimmt, das nach der Heiligen Schrift auch wirklich stattfand. Soweit Noe die Tiere nicht zu sammeln vermochte, führte Gott, der sie erhalten wollte, sie auch herbei durch einen inneren Antrieb, wie er sie einst zu Adam geführt. (Vgl. die Ausdrücke in Gn. 2, 19; 6, 20; 7, 9 15 16; – S. Aug., De civ. Dei 1. 15, c. 27, n. 4)
(13) Das alte Jahr begann, wie auch jetzt noch das bürgerliche Jahr der Juden, um die Zeit der Herbstnachtgleiche, also nach der Mitte des September.
(14) Ein besonderes Zeichen der göttlichen Fürsorge, die an Sicherheitsmitteln das ersetzte, was Noe nicht oder doch nicht so gut und sicher bewerkstelligen konnte.
(15) Wer maß diese Höhe? Man meint, Noe habe dies daraus abgenommen, daß die Arche, die gegen 15 Ellen im Wasser gehen mochte, sogleich beim beginn der Abnahme der Gewässer auf dem Ararat stehen blieb. Vgl. 8, 4 mit 7, 11 24. Es kann auch eine Schätzung oder durchschnittliche Angabe sein, die auf Beobachtungen nach der Flut beruht, etwa nach der Höhe der Bäume, die auf den Bergen stehen mochten.
(16) 7, 10 – 24.
(17) Welche Freude musste Noe empfinden, da seit dem Beginn der Sündflut am 17. Tag des 2. Monats bereits 8 Monate weniger 17 Tage verflossen waren (wahrscheinlich Mondmonate zu 29 ½ oder rund 30 Tage, also 219 oder 223 Tage).
(18) Wohl ein „Meer-Rabe“, der teils flog, teils schwamm. Er fand an den auf dem Wasser schwimmenden toten Körpern Nahrung, daher kehrte er nicht zurück.
(19) Bis usw. sagt nicht, daß er nachher zurück gekommen sei; hier ist aus dem Zusammenhang das Gegenteil offenbar.
(20) Der Ölbaum, einer der geschätztesten Bäume, wächst gerne auf Bergen. Daß er auch am Ararat und in der Umgegend vorkommt, bezeugt um das Jahr 20 v. Chr. Der Geograph Strabo und in neuerer Zeit Parrot (bei Ritter a.a.O., X 920). Der Ölzweig musste dem Noe als Zeichen der göttlichen Huld und Gnade erscheinen und blieb fortan Sinnbild des Friedens und der Freude.
(21) 8, 3-14.
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 209 – S. 211; S. 215 -S. 227

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