P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
§ 2. Das heilige Messopfer
Die Zeremonie vom Anfang der Messe bis zur Opferung
1. Im Begriff, die hl. Messe zu feiern, steht der Priester demütig an der untersten Stufe des Altars, steht der Priester demütig an der untersten Stufe des Altars, und nachdem er sich tief verneigt (bzw. das Knie gebeugt) hat, betet er abwechselnd mit dem Messdiener, der die Stelle des Volkes vertritt, den 42. Psalm. In diesem schönen Herzenserguss des königlichen Sängers sind alle Gefühle ausgedrückt, die Priester und Volk in jenem Augenblick durchdringen sollen: das innige Verlangen, Gott ein würdiges Opfer darzubringen, heilige Furcht und Betrübnis beim Andenken an die eigene Unwürdigkeit, endlich das Vertrauen, Gott werde das opfer eines demütigen Herzens nicht verschmähen. Hierauf spricht der Priester und nach ihm auch der Messdiener im Namen des Volkes das Confiteor oder öffentliche Sündenbekenntnis, und beide schlagen mit dem reuigen Zöllner an die Brust, um er innern bußfertigen Gesinnung Ausdruck zu verleihen. Nach dem Staffelgebet steigt der Priester die Stufen des Altars hinan und küßt denselben zum Zeichen der Ehrfurcht gegen Christus den Herrn, der als Opfergabe auf denselben herab steigen wird, und zu Ehren jener Heiligen, deren Reliquien in die Vertiefung des Altartisches gelegt worden. Dann geht er auf die linke Seite des Altars (*), wo das Messbuch aufgeschlagen ist, und betet das Eingangsgebet oder den Introitus.
(*) Man hat bei dieser Benennung die Richtung des Altars gegen das Volk im Auge.
2. Der Introitus besteht gewöhnlich aus einem der Hl. Schrift entlehnten Spruch nebst einem Vers aus einem Psalm mit beigefügtem „Ehre sei dem Vater“. Derselbe bezieht sich seinem Inhalt nach entweder auf die besondere zeit des Kirchenjahres oder auf das Fest des betreffenden Tages, stimmt bald zur Freude, bald zur Trauer, bald zur Sehnsucht, bald zu andern Gefühlen, die je nach den verschiedenen Festen und Festzeiten den Opfernden und das mitopfernde Volk beseelen sollen. –
Zur Mitte des Altars zurück gekehrt, sendet der Priester dreimal den Fleheruf: „Kyrie eleison“ zu Gott dem Vater, dreimal „Christe eleison“ zu Gott dem Sohn und wiederum dreimal „Kyrie eleison“ zum Hl. Geist empor. Die Worte „Kyrie eleison“ sind griechisch und entsprechen unserm „Herr, erbarme dich unser“. Diese griechischen und andere dem Hebräischen entlehnten Worte, wie „Amen, Alleluja, Hosanna“, wurden in der lateinischen Messliturgie wahrscheinlich deshalb beibehalten, um anzudeuten, daß die eine römische Kirche die Völker aller Zungen, die bekehrten Juden wie die Griechen oder Heiden (Röm. 10, 12 u. Gal. 3, 28), zu dem einen Opfer versammle.
3. Auf das „Kyrie“ folgt gewöhnlich das Gloria oder der Lobgesang der Engel. Der Priester breitet dabei die Hände aus, erhebt und faltet sie zum Gebet, um durch diese fromme Gebärde den Ausdruck der innern Begeisterung, des Lobes und Dankes zu verstärken, der schon in den Worten dieses Hymnus liegt. Die wiederholten Verneigungen des Hauptes bei Abbetung desselben bekunden die innern Akte der Anbetung, der Danksagung und Verdemütigung. Da das Gloria ein Freudengesang ist, so unterbleibt es in den Messen für die Verstorbenen sowie überhaupt an Tagen, die der Trauer und Buße gewidmet sind. –
Nach dem Gloria wendet sich der Priester zum anwesenden Volk und spricht: Dominus vobiscum (Der Herr sei mit euch), d. h. der Herr stehe euch bei, daß ihr nun recht beten und Erhörung finden möget. Das nämliche wünscht das Volk dem Priester, indem es durch den Mund des Messdieners antwortet: Et cum spiritu tuo (Und mit deinem Geist), d. h. der Herr stehe auch dir im Gebet bei. Diese Art, sich gegenseitig den Beistand des Herrn anzuwünschen, war schon im Alten Bund üblich. (s. Ruth 2 und 2. Chron. 15). Der nämliche Wunsch wird bei der hl. Messe mehrmals wiederholt als eine gegenseitige Aufmunterung zum beharrlichen Gebetseifer.
4. Hierauf begibt sich der Priester wiederum auf die linke Seite des Altars und spricht: Oremus (Lasset uns beten). Dann verrichtet er ein oder auch mehrere Kirchengebete, deren erstes sich immer auf die besondere Feier des Tages bezieht und deshalb je nach festen, Zeiten und Anlässen verschieden ist. Während des Kirchengebetes hält der Priester die Hände ausgebreitet zur Erinnerung an den gekreuzigten Heiland, dessen Stelle er am Altar vertritt. Er schließt das gedachte Gebet gewöhnlich mit den Worten „durch Jesum Christum deinen Sohn, unsern Herrn usw.“ Die hl. Kirche, deren Diener der Opfernde ist, pflegt sich nämlich in ihren Gebeten an Gott den vater, den Geber aller guten Gaben, nicht anders als durch Jesum Christum, seinen eingeborenen Sohn, zu wenden, weil sie die Verheißung hat, daß der Vater alles geben werde, um was sie ihn im Namen des Sohnes bittet. Am Schluß spricht das Volk: „Amen“, d. h. „So geschehe es“.
5. Nun folgen Lesungen aus der Hl. Schrift, und zwar zuerst die Epistel. Man nennt diese Lesung „Epistel“ (Brief), weil sie meistens einen Abschnitt aus den Briefen der Apostel enthält. Der Zweck der Epistel wie auch der des Evangeliums ist Belehrung und Erbauung. Die Lesung der Epistel geht voraus, gleichsam wie die Predigt Johannes` des Täufers der Predigt Jesu Christi. Zum Schluß der Epistel drückt der Altardiener im Namen des Volkes mit den Worten Deo gratias den Dank für die empfangene Belehrung aus. – Die nun folgenden Verse,welche der Priester betet, sind Überreste des Psalms, der in früheren Zeiten nach der Epistel gesungen wurde. Sie enthalten Gefühle und Herzens-Ergüsse, die der verlesenen Epistel oder besondern Feierlichkeit entsprechen. Bei der Messe des Oster- und Pfingstfestes und die beiden Oktaven hindurch, desgleichen bei der Messe des Fronleichnamsfestes kommen längere, begeisterungsvolle Gesänge vor, welche „Sequenzen“ genannt werden und das hohe Festgeheimnis verherrlichen. Auch am Fest der sieben Schmerzen Mariä wird das Stabat mater, und bei Seelenmessen oft das Dies irae gebetet.
6. Die zweite der hl. Lesungen, das Evangelium, ist ein Abschnitt aus einem der vier Evangelien. Wegen der besondern Heiligkeit des Evangeliums, wobei der Priester gleichsam Christus dem Herrn selbst seine Zunge leiht, fleht er vorher tief geneigt den göttlichen Beistand auf sich herab, um solches in würdiger Weise zu tun. Beim feierlichen Hochamt bittet der Diakon zu diesem Zweck um den Segen des Zelebranten. Die Verlesung des Evangeliums geschieht auf der rechten Seite des Altars, um anzudeuten, daß die christliche Lehre von den Juden verworfen wurde und zu den Heiden überging. Beim Hochamt wendet sich der Diakon, dem es obliegt, das Evangelium zu verlesen, nach Mitternacht, zum Zeichen, daß das Licht der Lehre und des Beispiels Jesu Christi bestimmt sei, die Finsternisse des Heidentums und der Abgötterei zu verscheuchen. Denn wie der Osten, wo die Sonne aufgeht, Jesum Christum, die Sonne der Gerechtigkeit sinnbildet, so ist nach der Bemerkung des hl. Gregor des Großen (Hom. 18 über Ezech.) „der Norden das Sinnbild der Heidenwelt, welche lange in der eisigen Kälte ihrer Abgötterei erstarrt lag“. (1) Das anwesende Volk steht bei Anhörung des Evangeliums auf, zum Zeichen der Ehrfurcht und der Bereitwilligkeit, die Lehre Christi zu befolgen. Nach dem Evangelium dankt der Altardiener im Namen des Volkes für die Wohltat der himmlischen Unterweisungen mit den Worten: „Lob sei dir, o Christus!“ An allen Sonntagen des Kirchenjahres, an den Festen unseres Herrn und der allerseligsten Jungfrau, desgleichen an den Festen der Apostel, der Kirchenlehrer und an einigen andern folgt auf das Evangelium das Credo oder nicänische Glaubensbekenntnis. Dadurch wollen wir öffentlich unsern Glauben an die Lehren des Evangeliums bekunden.
(1) Diese Ansicht wird von mehreren Vätern der Kirche vertreten und selbst mit Stellen der Hl. Schrift (Isaias 14, 13) belegt. Schon Remigius von Auxerre, ein Schriftsteller des neunten Jahrhunderts, sieht darin den Grund, warum der Diakon das Evangelium gegen Norden gewendet verliest. Zwar wird nicht selten behauptet, die Sitte, das Evangelium gegen Norden zu lesen, sei ohne höhere Bedeutung; ebenso liege dem Gebrauch, das Evangelium zur Rechten des Altars zu verlesen, nichts Höheres zugrunde, derselbe verdanke seinen Ursprung lediglich dem Umstand, daß ehemals die linke Seite des Altars zum Empfang der Opfergaben frei bleiben musste, und er werde gegenwärtig noch beibehalten, weil er einmal eingeführt sei. Wir sind jedoch der Meinung, daß diesen wie überhaupt allen von der Kirche vorgeschriebenen Zeremonien der heiligen Messe eine höhere Bedeutung zugrunde liege. Das geht unter anderm auch aus der bereits angeführten Erklärung des Konzils von Trient deutlich hervor. „In der Messliturgie“, sagt Maro, Patriarch von Antiochien, „gibt es kein Strichlein oder Jota, das nicht einen mystischen Sinn enthielte, obschon uns derselbe nicht immer vor Augen liegt.“ Sicherlich werden viele Zeremonien der hl. Messe nicht im Sinn und Geist der hl. Kirche aufgefaßt, wenn man bei den Gründen der Notwendigkeit oder Schicklichkeit, welche dieselben ursprünglich veranlaßt haben mögen, ohne weiteres stehen bleibt. Denn, obgleich es nicht in Abrede gestellt werden kann, daß zu manchen Zeremonien Schicklichkeits-Rücksichten den ersten Anlass gegeben haben, so ist es darum nicht minder wahr, daß denselben in der Folge eine höhere Bedeutung beigelegt und ihre Beibehaltung begründet wurde. So war z. B. der Manipel ursprünglich ein Schweißtuch, dessen die Priester am Altar sich bedienten. Derselbe hat aber schon seit sechs bis sieben Jahrhunderten nicht mehr diesen Zweck; die Kirche hat ihn seiner sinnbildlichen Bedeutung wegen beibehalten, wie dieses sowohl aus den Worten erhellt, welche der Priester bei Anlegung desselben spricht, als auch aus denen, mit welchen der Bischof ihn dem Subdiakon bei dessen Weihe überreicht. – aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 3. Band Lehre von den Gnadenmitteln, 1912, S. 184-187