Katechismus Messopfer und Kreuzesopfer

Von der Bestimmung des Priesters: Er steht in der heiligen Messe vor dem Hochaltar

P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung

§ 2. Das heilige Messopfer

Das heilige Messopfer verglichen mit dem Kreuzesopfer

Was ist für ein Unterscheid zwischen dem hl. Messopfer und dem Opfer Christi am Kreuz?

Das hl. Messopfer ist der Hauptsache nach dasselbe Opfer wie das Kreuzesopfer; denn in beiden ist es Christus, welcher opfert und geopfert wird; nur die Weise zu opfern ist verschieden.

Dies ist die ausdrückliche Lehre des Konzils von Trient (Sitz. 22, Kap. 2), das in Bezug auf das hl. Messopfer also spricht. „Es ist ein und dieselbe Opfergabe ein und derselbe, der sich jetzt durch den Dienst der Priester opfert, und der sich damals selbst am Kreuz opferte; nur die Opferweise ist verschieden.“ Daß zunächst beim Messopfer dieselbe Opfergabe Gott dargebracht wird wie beim Kreuzesopfer ist klar; denn beim Messopfer wird, wie das Konzil sagt, „derselbe Christus unblutiger Weise geopfert, der sich auf dem Altar des Kreuzes blutiger Weise geopfert hat“. Es ist aber bei beiden Opfern auch der nämliche Opferpriester; denn auch bei der hl. Messe ist es nicht der sichtbare Priester, sondern Christus selbst, der das Opfer darbringt. Der sichtbare Priester handelt da nur als Stellvertreter Christi, ähnlich wie ein Diener, der im Namen und Auftrag seines Herrn ein Almosen spendet. Der eigentliche Almosenspender ist der Herr, nicht der Diener.
Selbst in Bezug auf die Art und Weise zu opfern ist der Unterschied nicht so groß, als es scheinen möchte. Zwar stirbt der Heiland beim hl. Messopfer nicht mehr in Wirklichkeit, aber sein Tod, und zwar der Tod durch Vergießung seines Blutes, wird dabei sinnbildlich dargestellt. Und wie das? Der Priester spricht über das Brot nur die Worte: „Das ist mein Leib“, und über den Kelch bloß die Worte „Das ist mein Blut“. Dadurch erscheint äußerlich das Blut Christi von seinem Leib getrennt; die äußere Trennung der beiden Gestalten des Brotes und des Weines wird so ein Bild des Todes Christi am Kreuz, wo auch das Blut Christi von seinem heiligsten Leib getrennt war. Und durch diese bildliche Darstellung des Todes Christi am Kreuz wird der ehemalige, wirkliche Kreuzestod Christi dem himmlischen Vater von neuem aufgeopfert. Das hl. Messopfer ist demnach in aller Wahrheit eine geheimnisvolle Erneuerung des Kreuzesopfer.

Wozu findet diese Erneuerung statt?

1. Um das Kreuzesopfer allezeit unter uns zu vergegenwärtigen; 2. um uns die Früchte desselben immerfort zuzuwenden.

Durch sein Opfer am Kreuz hat Christus für die Sünden der ganzen Welt ein für allemal genug getan und so das Werk der Erlösung vollendet. Wenn er nun das Kreuzesopfer täglich in der heiligen Messe erneuert, dann geschieht das nicht, um neuerdings für unsere Sünden Genugtuung zu leisten oder die geleistete Genugtuung irgendwie zu ergänzen; denn was einmal vollendet ist, das bleibt vollendet und bedarf keiner Ergänzung. Die Erneuerung des Kreuzesopfers in der hl. Messe hat daher einen andern Zweck; sie soll

1. den Opfertod Christi am Kreuz uns beständig gegenwärtig halten, „damit das Andenken an denselben bis zum Ende der Zeiten fortdauere“. (Konzil von Trient, Sitz. 22, Kap. 1) Die Tat, die der Gottmensch am Kreuz vollbrachte, indem er für das Heil der Welt freiwillig in den Tod ging, stellt schon durch ihre Größe und Erhabenheit alles in den Schatten, was sonst je auf dieser Welt sich ereignet hat. Darum allein schon verdient sie in ewigem Andenken zu bleiben. Sie ist aber zugleich ein Werk der größten, ja einer ganz unbegreiflichen Liebe zu uns, und deshalb ist es eines jeden heiligste Pflicht, ihrer alle Tage seines Lebens in dankbarer Gegenliebe zu gedenken. Als vorzüglichste Mittel hierzu sollte nachChristi Absicht das hl. Messopfer dienen, diese tägliche Vergegenwärtigung seines Opfertodes am Kreuz. Und in Wahrheit konnte nichts geeigneter sein, um das Andenken an den blutigen Kreuzestod im Gedächtnis der Christgläubigen lebendig zu erhalten, als eben die in der hl. Messe stattfindende geheimnisvolle Schlachtung des Gotteslammes. Der Gedanke, daß der Sohn Gottes hier, wenn auch auf geheimnisvolle Weise, so doch in aller Wahrheit sein Kreuzesopfer erneuert, muss jedes gläubige Herz, da dabei zugegen ist, tiefer und mächtiger ergreifen als die schönste bildliche Darstellung; denn das ist wohl zu beachten: obgleich beim hl. Messopfer der Kreuzestod Christi nur sinnbildlich dargestellt wird, so wird derselbe doch nicht bloß sinnbildlich, sondern in aller Wahrheit und Wirklichkeit von neuem Gott aufgeopfert und zwar durch Christus selbst, der dort unter den gestalten von Brot und Wein zugegen ist. (*)
Daraus erhellt auch klar, mit wie großem Unrecht unsere Glaubensgegner behaupten, das Messopfer führe die Gläubigen vom Kreuzesopfer ab und schmälere dessen Wert. Kann man einem Künstler, der das Opfer Abrahams bildlich darstellt, mit Grund nachsagen, er bringe das heldenmütige Opfer des Patriarchen in Vergessenheit oder schmälere wohl gar den Wert desselben? Und wenn es Unsinn wäre, so zu sprechen von einer rein bildlichen Darstellung auf Leinwand oder in Marmor, um wieviel unsinniger ist eine solche Behauptung in Betreff der hl. Messe, die ja das Kreuzesopfer auf Golgatha wesenhaft darstellt und geheimnisvoll erneuert!

2. Die Bewahrung des Andenkens an seinen blutigen Erlösungstod war jedoch nicht der einzige Zweck, den Christus bei der Einsetzung des hl. Messopfers im Auge hatte, er wollte auch nach der Lehre des Konzils von Trient (Sitz. 22, Kap. 1 u. 2) vermittelst desselben „uns die Früchte seines blutigen Kreuzesopfers in reichlichem Maße zuwenden“. Um dies besser zu verstehen, stellen wir uns das Kreuz, an dem unser Heiland gestorben ist, als einen hohen Baum vor, voll der schönsten und köstlichsten Früchte. Diese Früchte bedeuten die himmlischen Gnaden, die Jesus durch Vergießung seines kostbaren Blutes der gesamten Menschheit verdient hat, damit wir die ewige Seligkeit erlangen. Wie aber die Früchte eines Baumes uns nur dann wirklich laben können, wenn sie uns dargereicht werden, so müssen auch die göttlichen Gnaden uns zugewendet werden, wenn sie uns zum ewigen Heil dienlich sein sollen. Nun hätte Gott in Anbetracht unserer vielen Sünden nur gar zu oft Ursache, uns zu zürnen und seine Gnaden vorzuenthalten. Da kommt aber das hl. Messopfer und erlangt uns trotz aller Unwürdigkeit die reichlichsten Gnaden. Denn es ist der göttliche Sohn selbst, der als das auf dem Altar geschlachtete Opferlamm den Vater für uns bittet, daß er uns barmherzig sein wolle, ihn bittet um all der Leiden willen, die er in seinem sterblichen Leben für uns ertragen, um des bitteren Todes willen, den er am Stamm des Kreuzes für uns erlitten hat. Wäre es wohl möglich, daß der so gütige Vater im Himmel ein solches Gebet nicht erhörte? Gewiß nicht. Wie viele kostbare Gnaden und himmlische Segnungen, deren wir aus uns unwürdig sind, spendet uns Gott der Vater um des geliebten Sohnes willen, der ihm in der hl. Messe geopfert wird! Und wie viele Sünder, die ewig verloren gegangen, wären selig geworden, wenn sie die Gnadenschätze nicht verschmäht hätten, die ihnen Gott in der hl. Messe zu geben bereit war!

(*) Mit welcher Andacht würde man der hl. Messe beiwohnen, wenn man von dieser Wahrheit durchdrungen wäre, wenn man sich schon auf dem Wege zur Kirche im geist lebhaft vorstellte und im Herzen erwöge, daß man den Kalvarienberg hinan steige, um daselbst mit Maria, der Mutter Jesu, und Johannes und den heiligen Frauen Zeuge des hochheiligen Kreuzesopfers zu sein! So taten manche Heilige, und ihre Herzen überströmten von Gefühlen der Rührung und des Mitleidens, des Dankes und der Liebe, der Reue und Zerknirschung. – Vom hl. Wilhelm, Erzbischof von Bourges, lesen wir, daß er bei Darbringung des heiligen Messopfers von wundersamen Gefühlen der Andacht durchdrungen war. Aus seinen Augen quollen wie aus einem unversiegbaren Born reichliche Tränen voll unbeschreiblicher Süßigkeit. Er pflegte zu sagen: „Wenn ich beim heiligen Messopfer bedenke, daß Jesus Christus auf dem Altar sich selbst dem himmlischen Vater als Schlachtopfer darbringt, so empfinge ich nicht geringeren Schmerz, als wenn ich ihn auf dem Kalvarienberg am Kreuz sterben sähe.“ – Woher kommt es, daß heutzutage so manche Christen ohne jegliche Rührung der hl. Messe, jener geheimnisvollen Erneuerung des Kreuzesopfers, beiwohnen? Es mangelt an lebendigem Glauben, an Mitleid für Jesus. Unsere empfindsame Zeit hat Tränen im Überfluss für Theater- und Romanhelden; für Jesus, ihren gekreuzigten Erlöser, hat sie keine! –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 3. Band Lehre von den Gnadenmitteln, 1912, S. 169-171, S. 517

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