Die Todsünde fluchwürdige Treulosigkeit

Das Bild zeigt die Sünde und ihre Folgen

P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung

Worin besteht die Bosheit der Todsünde ?

Teil 3

Sie ist eine fluchwürdige Treulosigkeit gegen Jesus

3. Die Todsünde ist eine fluchwürdige Treulosigkeit gegen Jesus, unsern liebevollsten Erlöser.

Groß, unermeßlich groß ist die Bosheit einer Todsünde, von wem immer sie begangen wird. Was aber der Todsünde des Christen noch einen besonders hohen Grad der Bosheit gibt, ist der Umstand, daß sie einen schändlichen Treuebruch gegen Jesus, unsern Heiland und König, in sich schließt. In der hl. Taufe hat der Christ im Angesicht des ganzen himmlischen Hofes dem Fürsten der Finsternis feierlich widersagt, hat Christus, seinem Heiland, ewige Treue geschworen und feierlich gelobt, unter seiner Fahne zu streiten bis in den Tod. Darum wurde er nach der dreimaligen Widersagung vom Priester an Schulter und Brust mit hl. Öl gesalbt, damit er stark sei und unüberwindlich im Kampf. Was tut nun der Christ, wenn er eine Todsünde begeht? Er bricht jenes feierliche Gelöbnis, wendet sich von seinem göttlichen Führer ab, kehrt gleichsam die Waffe gegen ihn und reiht sich in die Scharen des Satans ein. Bleibt er auch äußerlich noch im Heerlager Christi, wird er auch nicht ein Abtrünniger durch Verleugnung des Glaubens, so hält er es doch nicht mit Christus, sondern mit dem Widersacher Christi; denn auch von den Sündern, die im Schoße der Kirche sind, gilt das Wort des Herrn bei Matthäus (12,30): „Wer nicht mit mir ist, der ist wider mich.“

Nimmermehr würde ein irdischer König und Feldherr einen Soldaten als den seinigen anerkennen, von dem er wüßte, daß er zwar noch in seinem Lager sich aufhielte, aber im geheimen Einverständnis mit dem feindlichen Anführer wäre; er würde denselben bielmehr alsbald aus seinem Heere ausscheiden und standrechtlich erschießen lassen. Auch der sündige Christ hofft umsonst, von Jesus als einer der Seinigen anerkannt zu werden; er muss im Gegenteil jeden Augenblick darauf gefaßt sein, mit andern Verworfenen aus dessen Munde die schrecklichen Worte zu vernehmen: „Weichet von mir, ihr Verfluchten, in das ewige Feuer, welches dem Teufel und seinen Engeln bereitet ist.“ (Matth. 25,41)

Wenn schon der Treubruch, dessen man sich gegen einen irdischen König schuldig macht, als ein schweres Verbrechen betrachtet wird, wer vermöchte wohl den Treubruch gegen Jesus, den ewigen, unsterblichen König Himmels und der Erde, nach Verdienst zu brandmarken? Wer vermöchte die Bosheit desjenigen zu beschreiben, der es wagt, zum Verräter zu werden an Jesus, seinem Erlöser, der ihn mit dem kostbaren Preis seines Blutes erkauft hat, dem allein er es verdankt, daß er noch nicht eine Beute der Hölle ist! –

Diese Treulosigkeit ist um so verdammlicher, je größer und vielfacher die Wohltaten sind, die der Christ von seinem Heiland empfangen hat und in dessen Kirche täglich empfängt, je herrlicher der Lohn ist, den er als treuer Mitkämpfer zu erwarten hat, je verächtlicher der Feind, zu dem er überläuft, und je schnöder der Sold, den er von diesem erhält. Denn was könnte für Jesus schimpflicher sein als das Verfahren eines solchen Christen? Ist dies nicht eine offene Erklärung, daß die Sache Satans den Vorzug verdiene vor der Sache Christi, daß der Gewinn, den der Höllenfeind seinen Sklaven verspricht, mehr wert sei als die Verheißungen, die Jesus seinen Freunden und Mitstreitern macht? Wahrlich, diese Hintansetzung ist nicht geringer, ja sie ist in mehrfacher Beziehung viel entehrender für Christus, als selbst jene von Seiten der Juden es war, da sie den Mörder Barrabas ihm vorzogen. Die Juden erkannten ihn nicht als ihren Gott und Messias; denn „wenn sie ihn erkannt hätten, so würden sie“, wie der hl. Paulus sagt, „den Herrn der Glorie nicht gekreuzigt haben“. (1. Kor. 2,8) Der Christ hingegen kennt ihn und glaubt an ihn, und dennoch tut er ihm solche Schmach an. Ist das nicht eine ganz namenlose Bosheit? Meine Christen! Erwägen wir dieses alles wohl und rufen wir mit demselben Apostel: „Wenn jemand unsern Herrn Jesum Christum nicht liebt (sondern ihn beleidigt), der ist des Fluches würdig.“ (1. Kor. 16,22)

Das bisher Gesagte gibt uns allerdings einen hohen Begriff von der Bosheit der Sünde; allein die ganze Größe dieser Bosheit zu fassen, vermögen wir nicht. Kein Mensch, selbst kein Engel ist dazu imstande; nur einer vermag es, und dieser eine ist Gott. Ja, Gott, der allein die unendliche Fülle seiner Vollkommenheit vollkommen begreift, der allein den unendlichen Abstand zwischen seiner höchsten Majestät und der Niedrigkeit des Geschöpfes ermißt, der allein das Maß, die Zahl und den unschätzbaren Wert der Wohltaten kennt, die der Mensch und insbesondere der Christ von seiner Hand empfangen und frevelhafter Weise mißbraucht hat: er allein begreift auch vollständig die Größe und Schwere der Beleidigung, welche ihm durch die Sünde zugefügt wird. Wollen wir nun wissen, was Gott von der Sünde denkt, so brauchen wir nur die Strafen zu betrachten, welche er über dieselbe verhängt hat; denn seine unendliche Weisheit, Gerechtigkeit und Güte leisten uns Bürgschaft dafür, daß er die Sünde nicht strenger straft, als sie es verdient.

Quelle: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Bd. 2, 1912, S. 336-337

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