Schule der Ehrbarkeit und Keuschheit

Schergen reißen Christus, der halb nackt mit Dornenkrone jämmerlich da steht, sein Obergewand weg

Die Schule der Ehrbarkeit und Keuschheit

10. Station des Kreuzweges

Dominikus weint beim Kreuz

Ein Klosterbruder sah eines Tages den heiligen Dominikus, wie er mit rotgeweinten Augen von einem Kreuze wegging. Da fragt er den heiligen Mann, warum er also beim Kreuze geweint habe. Dominikus antwortete: „Wie sollte ich nicht weinen? Das Kreuz ist ja mein Schuldbuch und ich lese darin, was ich für meine Sünden bei Gott verschuldet habe, da ich so sehe, wie unendlich viel mein Heiland hat für mich zahlen müssen.“ –

Ist demnach Christi Leiden der Zahlpreis unserer Schulden, so kann man aus der unermeßlichen Höhe des Preises leicht absehen, wie ungeheuer die Schuld der Sünde sein muss. Aber noch mehr. Schon im alten Gesetze hat Gott der Herr für jede verschiedene Art von Sünden auch eine eigene Art von Buße und Strafe verordnet. Wer z.B. Gott lästerte, sollte gesteinigt werden; wer einem Andern ein Tier tötete, der musste ein anderes dafür ersetzen, Stück für Stück. Und so wollte der Heiland nicht bloß für die Sünde im Allgemeinen büßen, sondern für einzelne Arten von Sünden auch eine eigene Art von Buße für uns auf sich nehmen, die sonst wir selber hätten in der Zeit oder in der Ewigkeit ausstehen müssen. Es muss dem Heiland viel daran liegen, daß wir Christenleute dieses wohl bedenken und beherzigen; denn er hat es manchen Heiligen deutlich geoffenbart und durch sie auch uns mitteilen wollen. Dergleichen liest man in der Lebensgeschichte der heiligen Elisabeth von Thüringen und noch ausführlicher in der Legende der heiligen Angela von Foligno. Sie war längere Zeit eine leichtsinnige Frau gewesen und hatte sich in allerlei Sünden verstrickt, bis endlich Gott ihr die Augen öffnete und sie zur gründlichen Besserung ihres Lebens führte. Einmal nun war ihr der Heiland erschienen und sprach zu ihr also:

Jesus spricht zu Angela Foligno

„Kein Mensch hat eine Entschuldigung, daß er nicht selig werden könne. Er darf nur, wie ein Kranker dem Arzt seine Wunde, so seine Sünde einem Beichtvater reumütig bekennen und seine Verordnungen befolgen. Du kannst von tausend Krankheiten deiner Seele vollkommen geheilt werden durch die Arznei, die ich dir geben werde. Die Sünden, welche du durch stolzen Schmuck und das Kräuseln und Locken deiner Haare begangen hast, büßte ich durch die Schläge auf mein Haupt und die schmerzliche Dornenkrone. – Die Sünden, welches du durch das Schminken deines Angesichtes begangen, büßte ich durch die Verunstaltung meines Angesichtes mit Speichel und Faustschlägen. – Die Sünden deiner Augen durch Anschauen eitler böser Dinge büßte ich durch bittere Tränen. – Die Sünden deiner Ohren durch Anhören eitler und unreiner Reden büßte ich durch Lästerung und Spott und durch die Worte „kreuzige ihn“, die ich hören musste. – Für die Sünden deines Mundes durch unmäßige Lust im Essen und Trinken büßte ich durch Hunger und Durst, durch den Genuss von Essig und Galle.- Die Sünden deiner Zunge durch eitle Reden, Lästerungen, Verspottungen und Flüche büßte ich durch das Stillschweigen bei den falschen Anklagen vor den Richtern und durch das Gebet für meine Feinde. – Die Sünden des Geruches durch wollüstige Vergnügungen an Wohlgerüchen büßte ich durch den üblen Geruch des Speichels, womit man mein Angesicht befleckte. – Die Sünden deines Halses, deiner Schultern, Hände und Füße durch eitles Tanzen, müßiges Hin- und Herlaufen, um zu sehen und gesehen zu werden, büßte ich durch das Tragen meines Kreuzes und durch das Durchbohren meiner Hände und Füße. – Die Sünden deines Herzens durch Zorn, Missgunst, sündhafter Liebe und böse Begierden büßte ich durch den Stich mit der Lanze, und die Sünden deiner eitlen Kleiderpracht und deiner unrecht erworbenen und verwendeten Güter büßte ich durch meine Entkleidung und meine Armut auf Erden.“ –
Nach dieser Aufklärung wird es nicht schwer sein zu sagen, was für Gattungen von Sünden der leidende Heiland in der zehnten Station hat büßen wollen; man braucht nur zu betrachten, was er dabei für besondere Schmerzen ausgestanden hat. Aus der Buße, die er für uns auf sich genommen, kannst du die Schuld erkennen, für die er büßt. Die besonderen Schmerzen aber, die der Herr allda ausgestanden, sind zweifach, und die Schuld davon ist auch eine zweifache; es sind zwei Sünden, die der Mensch mit seinem Leibe tut.

Götzendienst des Leibes

Daß der Mensch anständig und reinlich und standesgemäß sich in seinem Hause einrichte und kleide, dagegen sagt niemand was; im Gegenteil, das soll so sein. Hier ist die Rede von Leuten, die mit ihrem Leibe Götzendienst treiben. In heidnischen Ländern, wie in Indien und China drüben, führen sie alljährlich einen Umzug auf mit einem steinernen oder hölzernen Bilde, das sie in ihrem Unverstand für eine Gottheit halten. Um ihre Verehrung zu zeigen, putzen sie das Bild mit den hellsten Farben, mit Goldgeschmeide und Perlenschmuck, mit kostbaren Prachtgewändern auf und lassen es von reich verzierten Elefanten in den Gassen herumführen. Das ist Götzendienst in den Ländern des finstern Heidentums. Im aufgeklärten, von Licht, Freiheit und Fortschritt strotzenden Europa dagegen ziehen solche Götzenbilder als lebendige Menschen überall herum. Der Abgott ist ihr Leib und die Andacht zu ihm ist die sündige Pracht, mit dem sie ihn aufputzen und zur Verehrung anderer in Gassen und Straßen, ja sogar in christlichen Kirchen vorführen. Es ekelt mich an, sonst malte ich allhier ein Paar solcher Figuren ab zu allgemeinem Spott. Es ist indes nicht notwendig, man kann sie ja ohnehin genug anschauen bei helllichtem Tage namentlich an Sonn- und Feiertagen, diese wandelnden Sünden. Es ist ihnen nicht genug, inwendig in Gedanken und Begierden schlecht zu sein, sie wollen ihre Torheit und Schlechtigkeit auch auswendig herumtragen und dafür angeschaut, ja gar noch geachtet, verehrt, geliebt und wie der stolze Luzifer angebetet werden; und leider gibt es Fische genug, die an solchen Köder anbeißen. Gleich und gleich findet sich leicht. –

Wollten diese aufgeputzten Kleiderstöcke einmal vor Gott ihr Gewissen erforschen, sie müssten Abscheu vor sich selber bekommen. Wie wimmelt es in ihrer Seele von Hoffart, Neid, Verachtung anderer, von verbuhlten Begierlichkeiten und herrschsüchtigen Anwandlungen, von Haß gegen die, welche ihnen nicht die gesuchte Huldigung darbringen. Wie verwahrlost ist ihr ganzes religiöses Leben und die Erfüllung ihrer Pflichten, wie mächtig sind Anlässe zur Verschwendung und Verführung, und wie furchtbar das Ärgernis, so sie geben.

Wie Christi Geist siegt

Ein Reichskanzler von England, Thomas Morus, kam einmal zufällig dazu, wo sich eine Frau von ihrer Zofe gewaltsam schnüren, die Haargeflechte spannen und aufwärts drehen ließ, damit ihre Stirn breiter, ihr Wuchs schlanker erschiene. Da sagte er zu ihr: „Wenn Sie Gott der Herr für all` diese Plagen, die Sie sich da antun lassen, nicht in die Hölle schickt, so täte er an ihnen wahrlich ein großes Unrecht.“ Schmeichelei war das freilich keine, aber volle Wahrheit.

Sieh nun, das sind die ungeheuren Sündenschulden, zu deren Abzahlung dort der Heiland alle seine Kleider lassen musste; das sind die Henkersknechte und Henkers-Mägde, die ihm die Kleider abreißen und dann vertun und verspielen in götzendienerischer Leibes-Verehrung. Stationen beten dir solche Menschen natürlich nicht; sonst müssten sie entweder nach der neunten Station davonlaufen, oder wenn sie auch noch gar zur zehnten kommen, und nur einigermaßen über sich und den entblößten Heiland nachdächten, mit Scham und Schmerz gebessert weggehen. Wo auch nur einigermaßen kernhafter religiöser Sinn einkehrt, da muss der Teufel der Leibespracht ausfahren.

Da hatte in einer Ortschaft in Deutschland auch der Hoffarts-Teufel sich eingenistet, und daselbst auch seine Verehrer sogar unter den Verehelichten gefunden. Nun wurde vom Geistlichen dort die Andacht zum göttlichen Herzen eingeführt. Es dauerte nicht lange, kam es zwischen dem Geist der Demut des Herzens Jesu und dem Geist des Stolzes zu einem Kampf in den Herzen der dortigen Christenleute, und Christi Geist siegte in vielen. Es taten sich mehrere Mitglieder der Herz-Jesu-Bruderschaft zusammen und stifteten einen Verein unter sich, deren Mitglieder das Versprechen abgeben:

1. zu Ehren des göttlichen Herzens sich der Einfachheit in der Kleidung und Haarfrisur zu befleißen, und dieser Einfachheit treu zu bleiben trotz des schlechten Beispiels putzsüchtiger Standesgenossen. –

2. Von dem, was sie sich durch Einfachheit in der Kleidung ersparen, eine Mark für die deutsche Mission in China zu geben zunächst zur Erbauung einer Kirche und Schule. Diese braven Christen konnten mit gutem Gewissen die zehnte Station beten. Mit den überflüssigen Gewanden, die sie sich versagt, haben sie des Herrn Blöße bedeckt. Am großen Zahltag wird er es ihnen reichlich vergelten. –
aus: P. Franz Hattler SJ, Das blutige Vergißmeinnicht oder der Heilige Kreuzweg des Herrn, 1904, S. 197 – S. 204

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