Die Qual des Durstes am Kreuz für den Heiland

Das Leben und Leiden und der Tod am Kreuz, das kostbarste Blut Jesu am Kreuz vergossen; Jesus hängt, halb nackt und mit einer Dornenkrone "geschmückt", mit ausgebreiteten Armen am Kreuz, geschunden durch die Marter der Geißelung und verspottet

Das Leben und Leiden und der Tod Jesu

Die Qual des Durstes für den Heiland

Joh. 19,28. Danach, da Jesus wußte, daß alles vollbracht sei, sprach er, damit die Schrift erfüllt würde: „Mich dürstet.“ – 29. Es stand aber ein Gefäß voll Essig da. Und sie füllten einen Schwamm mit Essig, steckten ihn auf einen Ysopstengel und brachten ihn an seinen Mund.

Matth. 27,48. Und alsbald lief einer von den Soldaten, nahm einen Schwamm, füllte ihn mit Essig, steckte ihn an ein Rohr und gab Jesus zu trinken. – 49. Die übrigen aber sagten: „Lasse es! Sehen wir, ob Elias kommt, ihm zu helfen.“

Mark. 15,36. Einer aber lief hin, füllte einen Schwamm mit Essig, steckte ihn an ein Rohr und gab Jesus zu trinken, indem er sprach: „Halt, wir wollen sehen, ob Elias komme, ihn herabzunehmen.“

1. Wie groß dieses Leiden war

Daß dieses Leiden des Durstes übermäßig groß war, geht schon daraus hervor, daß der Heiland über dasselbe klagt. Über andere Schmerzen, so groß sie waren, über die Dornen, die Geißeln, die Nägel, äußert er sich nicht, hier aber klagt er und bittet um Linderung. Die Umstände waren auch so, daß er vom Durst gequält werden musste. Große Schmerzen erregen immer Durst, und immer ist es der Durst, welcher die Kreuzigung als eines der empfindlichsten Leiden begleitet. Seit dem gesegneten Kelch des Abendmahles war keine Stärkung über seine Lippen gekommen. Sein Blut war entströmt bei der Geißelung, Krönung und Kreuzigung. Der Quell des Lebens war versiegt, und verdorrt waren in der brennenden Qual seine Gebeine, und wegen der offenen Wunden und der frei ziehenden Luft musste sein Leib in Fieberschauern zittern und beben. So waren denn seine Lippen dürr, die Zunge wie verkohlt, Schlund und Gaumen wie ausgebrannt. Hat wohl je einen armen Schiffbrüchigen ein solcher Durst verzehrt wie den Heiland? An und für sich ist die Marter des Durstes so groß, daß sie Männern den Verstand rauben kann, und einen entsetzlicheren Tod gibt es kaum als den des Verdurstens.

2. Wie der Heiland über den Durst klagt

Der Heiland klagt über den entsetzlichen Durst sehr bescheiden. Er bittet um nichts, und erst spät, sehr spät tut er sein Leiden kund. – Eigentlich tat er es mehr, um zu zeigen, daß er auch dieses leidet und sich nichts erspart von dem bitteren Kelch der Kreuzigung; er tat es, um die Prophezeiungen zu erfüllen (Joh. 19,28; Ps. 21,16) und um zu offenbaren, daß ihn noch ein ganz anderer Durst plage, von dem dieser leibliche nur ein mattes Abbild ist, nämlich der Durst nach dem Heil der Menschen und ihrer Erlösung, die Juden nicht ausgenommen. Der Heiland sehnte sich weniger nach dem, was die Juden und Peiniger ihm bieten konnten zur Linderung seines leiblichen Durstes, als nach ihnen selbst. Er sah in seinem Geist alle Menschen und brannte vor Begierde, sie zu retten; und dieser Durst war unendlich größer und peinigender. Wozu anders starb und litt er denn auch als zur Erlösung dieser teuren Menschheit, seiner Geschöpfe?

3. Wie dieser Durst des Heilandes gelabt wurde

Der Bitte des Heilandes wurde entsprochen, aber auf eine sehr karge und kränkende Weise. Man reichte ihm keinen Trunk erfrischenden Wassers oder stärkenden Weines, sondern Essig, und zwar in sehr geringem Maße, und diese karge Erquickung sollte noch durch Spott und Hohn verbittert werden. – Ein Soldat hatte das Erbarmen, einen Schwamm mit Essig zu füllen, der in einem Gefäß dastand, und wollte ihn auf einem Ysopstengel an den Mund des Heilandes bringen (Matth. 27,48; Mark. 15,36; Joh. 19,29). Die andern aber, vielleicht Juden, wollten ihn an dem Liebeswerk hindern und sagten, er solle es lassen, sie wollten sehen, ob nicht Elias ihn befreie (Matth. 27,49). Wie es scheint, tat es aber der Soldat doch (Joh. 19,30). Er erquickte ihn, um zu sehen, ob Elias komme (Mark. 15,36). Das war in der äußersten Todesnot die Labung dessen, der den Menschen alles gibt in Überfluss, alle Quellen und alle köstlichen Weine und Getränke. Er bekommt nicht einmal einen Trunk von seinen Geschöpfen. Das Wasser blieb seinen Lippen fern wie denen des verdammten Prassers. Und ebenso karg und noch kärglicher wird sein Durst nach den Seelen gestillt; nicht einmal beide Schächer laben seinen Durst mit dem Trank ihrer Seelen. Einer verweigert ihm seine Seele und schenkt sie lieber dem Satan. Und so sollte es fortgehen. Alle Menschen gehen an seinem Kreuz vorbei, und wie viele von ihnen verweigern ihm ihre Seele, tragen sie zur Hölle!
Das war aber auch ein arger Schmerz für seine Mutter und die heiligen Frauen. Sie hatten nicht weniger Mut und Eifer, mit Gefahr ihres Lebens einen Trunk zu holen, als die Krieger Davids (1. Par. 11,18). Aber was konnten sie tun? Sie sahen in sein blasses, sterbendes Antlitz, sie sahen seine dürren, lechzenden Lippen, und sie hatten ihm nichts zu geben als ihre Bereitwilligkeit, ihren Schmerz, ihre Liebe und ihre Seelen! –
aus: Moritz Meschler SJ, Das Leben unseres Herrn Jesu Christi des Sohnes Gottes in Betrachtungen Zweiter Band, 1912, S. 410 – S. 412

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