Leichtigkeit, die Hilfe Mariä zu gewinnen
Die Leichtigkeit, uns den Schutz und die Hilfe der Gottesmutter zu sichern, ist begründet sowohl von Seiten Mariä als von unserer Seite.
Warum soll Maria nicht geneigt sein, uns zu helfen? Sie hat ein Frauenherz, das ja von Natur zur Milde, zur Barmherzigkeit und zum Wohltun geneigt ist. Sie hat ein Mutterherz, und was ist unerschöpflicher, erfindersicher und mächtiger an tätiger, opfernder Liebe als ein Mutterherz? Maria hat dem Heiland das erste Wunder abgewonnen durch ihre Bitte in einer rein zeitlichen Verlegenheit! Oder ist vielleicht der Himmel und die Seligkeit bei Gott ein Versteinern, daß sie nicht mehr an uns denken, nicht mehr sich unser erbarmen und für uns sorgen soll? Ist der Himmel ein gänzliches Vergessen, daß sie nicht mehr wissen soll, wie bitter Armut, Einsamkeit, Verwaisung, Verfolgung sind, welch tiefe und schmerzhafte Wunden das irdische Leid auch in ihr Leben und in ihr Herz gerissen hat? Heißt es nicht von unserem Hohenpriester, daß wir mit Zuversicht ihm nahen können, weil er Mitleid mit uns empfindet, da in in allem, die Sünde ausgenommen, geprüft wurde wie wir? (Hebr. 4, 15) Wird es anders sein bei seiner Mutter? Was kostet es sie auch mehr, uns beizuspringen, als eine Bitte, die nie fehlschlägt, eine Bitte, eine Bitte die ihre Freude mehrt, eine Bitte, welche die Ehre undVerherrlichung Gottes fördert und uns frommt? Von Seiten der Mutter Gottes sind alle Bedingungen da zu einer wirksamen und allseitigen Hilfe.
Von unserer Seite haben wir nur folgendes zu tun, um uns ihrer Hilfe zu versichern. Erstens: opfern wir uns ihr auf mit allem, was wir sind und was wir haben! Wir sind ihr zwar schon ganz als Kinder geweiht. Aber wie die Menschen, so liebt es auch Maria, daß wir ihr dies oft sagen und bekräftigen. Auch im Himmel ist die Schutzbefohlenschaft in Beliebtheit und Übung. Die Heiligen betrachten wie die Menschen alles, was ihnen so geweiht ist, als ihr besonderes Eigentum und behüten und beschützen es auf besondere Weise. Empfehlen wir uns also ihr immerdar, damit sie ihre Hand auf unsere Augen legt und wir das Böse nicht gewahren, das uns lockend umgibt; damit wir nicht in Versuchungen und Gefahren geraten, in denen wir Schaden leiden können; damit sie mit mächtigem Arm uns durch alles hindurch trägt! – Zweitens: setzen wir ein festes Vertrauen auf ihre Güte und ihre Macht! Vertrauen ist das sicherste Unterpfand der Erhörung und Hilfe; es ist eine Ehrung, eine Anerkennung der Macht und Güte dessen, der angerufen wird, und ehrt ihn und uns selbst. Was kann uns nicht alles zu diesem Vertrauen ermutigen bei Maria! Wo ist unser Vertrauen besser gerechtfertigt als bei ihr, von deren Macht und Güte Erde und Himmel voll sind! Eine bekannte und berühmte Formel dieses Vertrauens ist das schöne Gebet:
„Gedenke, o gütigste Jungfrau Maria“ usw. –
Endlich: machen wir uns der Hilfe und des Schutzes der Himmelskönigin würdig durch eine kindliche Andacht zu ihr und durch einen treuen Dienst alle Tage unseres Lebens! Wir müssen nicht bloß zu ihr fliehen, sie aufsuchen und sie um ihre Hilfe anflehen, wenn Not und Gefahr an unsere Türe klopfen. Alle Tage müssen wir an ihren Toren wachen durch treues Einhalten der Andachten, die wir uns zu ihrer Ehre vorgenommen haben. Wie viele und schöne Gebetsformeln legt in der Absicht, daß wir uns den Schutz und die Hilfe unserer himmlischen Mutter sichern, die Kirche auf unsere Lippen in dem „Salve Regina“, in dem „Unter deinen Schutz und Schirm“, in der Brevier-Antiphon Sancta Maria succurre miseris usw.
Welch eine erhabene Vorstellung von Maria begegnet uns in all diesen Gebeten! Maria schwebt der Kirche nicht anders vor denn als der Ausdruck und die Trägerin der unbedingten Milde, Güte und Barmherzigkeit, einer Barmherzigkeit, die nie versagt, die nie erschöpft wird, einer Barmherzigkeit, durch tausend und abertausend Überlieferungen, Erfahrungen und Tatsachen der Menschheit kundgetan und verbürgt. Man sagt, unsere Religion sei eine Religion des Trostes und der Freude; man will bemerkt haben, daß in katholischen Gegenden und Ländern ein eigener Duft und Odem der Freude wehe. Man könnte diesen Duft den katholischen Frohsinn nennen, der an andern Orten trotz der Wohlfahrt des irdischen Lebens nicht zu sehen sein soll. Da ist leider keine Mutter. In der katholischen Kirche ist aber eine solche Mutter; überall begegnet uns ihr liebes Bild, überall tut sie ihr tröstendes Wirken kund. Überallhin ergießt sie das Öl der Freude und des Trostes. Schon die Idee eines so hohen, gütigen und mütterlichen Wesens ist so schön, so herzgewinnend und breitet über die ganze Christenheit einen so tröstenden und Vertrauen erweckenden Haus aus, daß das Herz wundersam angeheimelt wird. Glückliches Volk, in dessen Religion, möchte man sagen, alles durch das Herz einer Mutter geht! Die katholische Kirche ist wirklich die Stadt der Fröhlichen (Ps. 86, 7), und sie ist es durch Maria, die „Ursache unserer Freude“. –
aus: Moritz Meschler SJ, Aus dem katholischen Kirchenjahr, Erster Band 1919, S. 355 – S. 358