Ecce Homo Seht welch ein Mensch!

Jesus wird von Pilatus zum Tode verurteilt: ecce Homo

Ecce Homo! „Seht, welch ein Mensch!“

„Ecce Homo! Seht, welch ein Mensch!“ als Ort, wo diese Szene stattfand, zeigt man heute in Jerusalem den sog. Ecce-Homo-Bogen,… Bischof von Keppeler schreibt hierüber: „Auf den Ecce-Homo-Bogen, unter oder über welchem die Vorstellung des Gegeißelten und Dornengekrönten vor dem Volk stattgefunden haben soll, wird erst seit dem 15. Jahrhundert aufmerksam gemacht… Der mittlere Hauptbogen schwingt sich über die heutige Straße hinüber und ist auf der einen Seite in das von P. Ratisbonne gegründete Kloster der Sionsschwestern einbezogen.“ (Wanderfahrten und Wallfahrten im Orient 252)

Alfons Maria Ratisbonne (1) nämlich hatte alsbald nach seiner wunderbaren Bekehrung vom Judentum, die durch eine ihm zuteil gewordene Erscheinung der allerseligsten Jungfrau in der Kirche San Andrea delle fratte in Rom am 20. Januar 1842 bewirkt wurde, den Plan gefaßt, alle seine Kräfte der Bekehrung seines Volkes zu weihen. Er regte seinen älteren, schon in der Karwoche 1827 bekehrten und am Weihnachtsfest 1830 zum Priester geweihten Bruder Theodor (2) an, die Genossenschaft der Frauen von Sion zu gründen, vorzüglich zu dem Zweck, durch heißes Gebet die Sünde, die Israel an seinem Erlöser begangen, zu sühnen und die Bekehrung dieses Volkes zu erflehen; daneben sollen sie auch durch Erziehung der ihnen anvertrauten Judenmädchen und anderer Kinder das Reich Christi ausbreiten helfen und Werke der Barmherzigkeit üben. Offenbar von der göttlichen Vorsehung geleitet, führte er Anfang Mai 1856 die Genossenschaft in Jerusalem ein, kaufte sodann am 24. November 1857 einen Platz nördlich bei dem Ecce-Homo-Bogen, erweiterte diesen durch spätere Ankäufe und errichtete dort nach und nach das Kloster für die Sionsschwestern nebst dem großartigen Mädchen-Waisenhaus, sowie die schöne, große, dreischiffige Ecce-Homo-Kirche. Am 20. Januar 1862, am 20. Jahrestag der Bekehrung Ratisbonnes, hörte man zum ersten Mal das Geläute der Glocken des Klosters und sangen zum ersten Mal bei der heiligen Wandlung die Schwestern: Pater, dimitte illis etc., d.i. „Vater, verzeihe ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“; und das Werk der Sühne nahm ihren Anfang. Am Schmerzens-Freitag, 3. April 1868, wurde die vollendete Kirche eingeweiht; und kein Auge blieb tränenleer, als die Kinder einzogen und in der heiligen Messe das Stabat mater, darauf dreimal das Pater, dimitte illis etc. sangen. (4) Am folgenden Tag wurde der Kreuzweg in der Kirche errichtet und zum ersten Mal gebetet und am Schluß jeder Station gesungen: Pater, dimitte illis etc.

Alles ist hier überaus andächtig und rührend. So nahe bei dem Ort, wo einst die Juden riefen: „Sein Blut komme über uns etc.“, erhebt sich jetzt der Ruf: „Vater, verzeihe ihnen etc.“ Gleich am Eingang sieht man in der kleinen Vorhalle ein schwarzes Kreuz in natürlicher Größe mit der dreifachen Inschrift in hebräischer, griechischer und lateinischer Sprache: „Jesus von Nazareth, König der Juden.“ Ganz nahe dabei steht ein Postament, das man bei Ausgrabungen gefunden, eine große ergreifende Statue der schmerzhaften Mutter Gottes mit dem Leichnam Jesu auf dem Schoß. Der alte Pfeiler des großen Ecce-Homo-Bogens bildet einen Teil der Einschlußmauer des Heiligtums; der kleinere Bogen steht ohne weiteren Schmuck in seinem altersgrauen Ansehen gerade hinter dem Hauptaltar und trägt seit 1864 eine überlebensgroße Statue des Ecce Homo aus weißem Marmor, verfertigt von dem polnischen Grafen Sosmowski, geweiht von Papst Pius IX.; darüber am Gesims der Kuppel steht die Inschrift: Ecce Rex vester, d.i. „Siehe, euer König!“ und wenn der Priester am Altar vor dem Bogen bei der heiligen Wandlung den Kelch mit dem allerheiligsten Blut des Erlösers emporhebt, so trifft sein Auge über jener ersten Inschrift die zweite: Sanguis eius super nos et super filios nostros, d.i. „Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!“ – aber zum Heil und zur Erlösung. Ein kleiner Teil des Kreuzweges liegt innerhalb der Kirche im rechten Seitenschiff, das die Kapelle vom heiligen Angesicht bildet; diese ist ganz mit Steinen vom Lithostrotos gepflastert, und in ihr befindet sich auch eine Statue des unter dem Kreuz gebeugten Heilandes. Auf der linken Seite des Chores ist die Kapelle der seligsten Jungfrau, vorzüglich für die Nonnen bestimmt; in ihr führt die Treppe hinab in die Gruft, wo die Grabstätte der Nonnen sich befindet. In dieser Kirche geschieht am Karfreitag und an jedem Freitag des Jahres vor dem Segen mit dem hochwürdigsten Gute am Schluß der Andacht die feierliche Abbitte: „Vater, verzeihe ihnen etc.“ – und zwar zur selben Stunde, in der die Juden bei der sogenannten Klagemauer zur Zeit ihres Minchagebetes (Abendopfer-Gebet) klagen, und um die Stunde, da Jesus am Kreuz starb. Die Feste und heiligen Zeiten, besonders die zur Verehrung des bitteren Leidens, werden im Ecce-Homo-Heiligtum überuas andächtig begangen. Das Hauptfest ist das Fest der Dornenkrönung.
Am 23. Juli 1873 erlangte Ratisbonne vom Patriarchen Vonzenz Bracco die Erlaubnis zu einer Anstalt für arme verlassenen Knaben unter dem Schutz des hl. Petrus, und auch dieses Werk hat sich seitdem herrlich entwickelt.

(1) Er war geboren zu Straßburg am 1. Mai 1814 und starb zu St. Johann bei Jerusalem am 6. Mai 1884
(2) Er war geboren zu Straßburg 1802, wirkte nach seiner Priesterweihe zuerst unter dem Pfarrer Dufriche Desgenettes an der Kirche U.L.Frau vom Sieg in Paris, wo am 3. Dezember 1836 die Erzbruderschaft vom Unbefleckten Herzen Mariä zur Bekehrung der Sünder gegründet und auch viel für die Bekehrung des Alfons Ratisbonne gebetet wurde. Sechs Jahre später, 1842, gründete er auf Anregung seines eben bekehrten Bruders Alfons die Genossenschaft der Frauen von sion, die 1863 von Pius IX. bestätigt wurde. Von Anfang an knüpfte sich daran die Begründung des Vereins der christlichen Mütter, die bereits 1856 von Pius IX. zu einer Erzbruderschaft erhoben wurde. Theodor Ratisbonne starb nur vier Monate vor seinem Bruder, am 6. Januar 1884.
(3) Zu letzterem Zweck richtete man im Kloster 1874 eine Armenapotheke ein, die sehr fleißig benutzt wird.
(4) Dieses Pater, dimitte illis etc. wird seitdem täglich in der Konventsmesse gleich nach der Wandlung dreimal gesungen. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. II, Neues Testament, 1910, S. 520 – S. 523

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