Die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele

Die Unsterblichkeit der Seele

Die Behauptung der alten Sadduzäer, die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele und ihrer persönlichen Fortdauer nach dem Tode des Leibes sei den Büchern Moses` fremd, hat der Heiland selbst zu Schanden gemacht durch den einfachen Hinweis auf die Stellen, wo Gott sich den Gott Abrahams usw. nennt; „nun ist aber Gott nicht ein Gott der Toten, sondern der Lebendigen“ (1). Gleichwohl haben Neuere die Behauptung wiederholt, die Unsterblichkeitslehre sei den älteren Büchern des AT fremd. Allein abgesehen davon, daß dann eine übernatürlich geoffenbarte Religion, wie jene Bücher sie doch unzweifelhaft lehren, ganz sinnlos wäre, und daß sie eben deshalb auch keine Veranlassung haben, die Lehre von der Unsterblichkeit der Seele besonders zu behandeln, fehlt es doch durchaus nicht an Stellen, welche sie unbedingt voraussetzen, oder darauf hindeuten, oder sie ausdrücklich aussprechen:

a) Dahin gehört schon die Lehre der Gottebenbildlichkeit der Seele, mit welcher die Unsterblichkeit in engste Verbindung gebracht wird (2); die Natur der Seele, die nicht von der Erde ist, wie der Leib, daher auch von dem Todesurteil nicht betroffen wird (3).

b) Die Ausdrücke „zu den Vätern gehen“ oder „versammelt werden“ usw. erscheinen stets unterschieden von den Ausdrücken „verscheiden, sterben“; sie bezeichnen eben die Vereinigung des Sterbenden mit den im Tode voran gegangenen Angehörigen. Auf die Vereinigung im Grabe können sie sich auch schon deshalb nicht beziehen, weil diese Grabstätten zum Teil Hunderte von Meilen auseinander lagen, z. B. die Abrahams (4) von denen seiner Vorfahren in Chaldäa, oder an solche Vereinigung gar nicht gedacht werden kann, wie wenn Jakob zu seinem Sohne Joseph hinab steigen will (5), den doch nach seiner Meinung ein wildes Tier gefressen.

c) Der Ort, der die Verstorbenen vereinigt, heißt Scheol (6); dorthin muss „in unerhörter Weise“ die Rotte der Empörer „lebendig“, mit Leib und Seele, hinabsteigen (7); dort gibt es verschiedene Räume (8).

d) Das Verbot der Totenbeschwörung (9) setzt den Glauben an die Fortdauer der Seelen nach dem Tode unbedingt voraus.

e) Die frühzeitige Wegnahme aus dem irdischen Leben und der Tod selbst ist für die Gerechten etwas Gutes (10), was ohne den Glauben an die persönliche Fortdauer gar keinen Sinn hätte.

f) Dieselben Anschauungen und Ausdrucksweisen kehren in den nachmosaischen Büchern durch das ganze AT wieder (11), verbunden mit andern, und ganz unzweifelhaft in dem Sinn persönlicher Fortdauer der unsterblichen Seele, und nirgends zeigt sich ein Anhaltspunkt, der berechtigen könnte, einen Wechsel der Anschauungen oder der Bedeutung jener Ausdrücke anzunehmen.

g) Selbst die ältesten heidnischen Völker (12) hatten diesen Glauben, und sicher standen die Israeliten und ihre Vorfahren hierin nicht hinter den Heiden zurück.

Adam – Mann aus Erde

Trotz der unsterblichen Seele und der hohen Begnadigung wird der erste Mensch Adam, d. i. Mann aus Erde, genannt. (13) An den Namen knüpft sich für die hebräische Überlieferung eine stete Erinnerung an die irdische Herkunft und Hinfälligkeit des Menschen. Doch hat es der Mensch ganz in seiner Gewalt, auch diese seine niedrige körperliche Natur zu adeln. Zwischen die Engel und die Körperwelt hinein gestellt, kann er wohl seine edle Seele in den Staub erniedrigen und den Lüsten des Leibes dienstbar machen. Er kann aber auch, und so ist es der Wille des Schöpfers, seinen Leib erhöhen und adeln, indem er ihn der Seele unterwirft und zum willfährigen Werkzeug für alle Werke der Tugend und Gottseligkeit macht und selbst die erhabensten Mittel der Heiligung, das göttliche Wort und die heiligen Sakramente, durch ihn der Seele zuführt. (14)

Darum wird der Leib ein Gefäß der Gnade (15), ein lebendiger Tempel Gottes, eine Wohnung des Heiligen Geistes genannt (16); er empfängt schon jetzt, besonders durch die heiligen Sakramente, namentlich durch das heiligste Altarssakrament, das Unterpfand seiner künftigen Auferstehung und Verklärung (17). So trägt auch er schon hienieden mittelbar das Bild Gottes an sich, sofern er ganz dem Dienst Gottes geweiht ist, wie es der Apostel verlangt: „Verherrlichet und traget Gott in eurem Leibe!“ (18) Dereinst aber wird er an der Verklärung der Seele teilnehmen, ein „geistiger Leib“ sein, dem Geist vollkommen gehorsam und dienstbar und teilnehmend an den herrlichen Eigenschaften der Seele in der himmlischen Herrlichkeit. (19)

Anmerkungen:

(1) Mt. 22, 32; vgl. Ex. 3, 6; 4, 5 u.a.
(2) Vgl. Weish. 2, 23.
(3) Gn. 3, 18; vgl. 2, 7; auch Prd. 12, 7 und selbst 3, 21.
(4) Gn. 25, 8.
(5) Gn. 37, 35.
(6) Nach einigen vom hebräischen scha`-al, fordern soviel als: der Ort, der gewissermaßen die Seelen einfordert, der Unersättliche, der alles zu sich ruft; nach andern von scha´- al, hohl sein = Höhle oder Hölle, Unterwelt u. dgl.; nach Gesenius (Hebräisches u. aramäisches Handwörterbuch) ein den Israeliten eigentümliches Wort für das Totenreich, unbekannter Etymologie. E. Glaser weist aus dem Arabischen (Altjemenitische Nachr. I 75) nach, daß sheol sehr wohl Ort der Verantwortung, des Gerichtes, der Vernichtung, der Strafe u. dgl. bedeuten kann. Das stimmt zu den zahlreichen Bibelstellen, wo das Wort vorkommt, und zeigt, daß es auch hier weniger auf die Etymologie, als vielmehr auf den Begriff ankommt, den die Bibel mit dem Wort verbindet. Es ist der Aufenthalt der Seelen nach dem Tode des Leibes; für die Gerechten die Vorhölle oder auch das Fegefeuer (2. Makk. 12, 43ff), für die Gottlosen die Hölle (Nm. 16, 30ff; Jb. 26, 5f).
(7) Nm. 16, 30ff; vgl. Ps. 54, 16.
(8) Dt. 32, 22: „bis in die unterste Hölle“.
(9) Lv. 19, 31; 20, 6; Dt. 18, 11; vgl. die Erscheinung Samuels (1. Kg. 28, 11ff).
(10) Nm. 23, 10: „Es sterbe meine Seele“ (soviel als: möchte ich doch sterben) „den Tod der Gerechten“ usw.; vgl. Gn. 15, 15: „Du aber wirst in Frieden zu deinen Vätern gehen“ usw.
(11) Vgl. noch über die Scheol 1. Kg. 2, 6; Ps. 15, 10; 16, 15; 48, 15f; 85, 13; die Unsterblichkeit Weish. 3, 1; 5, 16; das Gericht nach dem Tode Prd. 12, 14; das „am Ende der Zeiten“ Is. 66, 22ff; Dn. 12; Mal. 4; Totenerweckungen 3. Kg. 17, 21; 4. Kg. 4, 34; 13, 21; Auferstehung Jb. 19, 25; Is. 25, 8; 26, 19; Ez. 37; Dn. 12; 2. Makk. 7, 9 14 23.
(12) Man vergleiche das „Totenbuch“ der alten Ägypter, die babylonische Sage von der „Höllenfahrt der Istar“ usw., die babylonischen Gebete, die „Zend-Avesta“ der Perser usw. Übrigens bemerkt Bezold (die babylonisch-assyrischen Keilinschriften 38), daß eine Beschreibung von der unsern Vorstellungen geläufigen Hölle im Babylonischen nicht vorliegt. Die biblischen Vorstellungen vom Leben nach dem Tode erheben sich hoch über die naiven und mythischen Anschauungen der Babylonier, die überdies in der Hauptsache gar nicht spezifisch babylonisch, sondern den alten Kulturvölkern gemeinsam sind. Es ist also unberechtigt, die Jenseits-Hoffnungen im Volk Israel auf Entlehnung aus Babylon zurück führen zu wollen.
(13) Vgl. 5, 2. Das Wort Adam wird im hebräischen Text der Kap. 2-4 als Gattungsname gebraucht, erst 4, 25 ist es Eigenname. Adama heißt im Hebräischen das Erdreich; also adam = Erdmann. Das ist eine dem Geist der hebr. Sprache ganz angemessene, der Wahrheit entsprechende volkstümliche Ableitung. Nach A. Sanda (ZKTh 1902, 194) bedeutet adama in der sumerischen (vorbabylonischen) Sprache mein Vater, adamê = unser Vater; Eva (čhavva) ist nach demselben Gelehrten das semitisierte Wort ama = Mutter. Danach rechtfertigt sich die 3, 20 gegebene volkstümliche Etymologie: Mutter der Lebendigen.
(14) Vgl. hierzu die schöne Stelle bei Tertullian (um 200): „Das Fleisch wird abgewaschen, damit die Seele gereinigt werde; … das Fleisch wird durch die Auflegung der Hände überschattet, damit die Seele vom Heiligen Geist erleuchtet werde; das Fleisch genießt den Leib und das Blut des Herrn, damit die Seele mit Gott genährt werde“ (De resurr. Carn. c. 8). Ähnlich der hl Irenäus († 202), der u.a. schreibt: „Wie können die Irrlehrer leugnen, daß unser Fleisch jener Gabe Gottes, nämlich des ewigen Lebens, fähig sei, das doch durch das Blut und Leib des Herrn genährt wird und ein Glied von ihm ist?“ (Adv. Haer. Lib. 5, c. 2, n. 3; vgl. c. 6, n. 2)
(15) Röm. 9, 23; 2. Tim. 2, 21.
(16) 1. Kor. 6, 19f; Röm. 8, 11; 1. Kor. 3, 16.
(17) Joh. 6, 55ff.
(18) 1. Kor. 6, 20.
(19) Vgl. 1. Kor. 15, 42-57. –
aus: Schuster/Holzammer, Handbuch der Biblischen Geschichte, Bd. I, Altes Testament, 1910, S. 156 – S. 159

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