Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Sadduzäer
Sadduzäer, nach den Pharisäern die wichtigste jüdische Partei zur Zeit Jesu. Ihr Ursprung und Wesen sind nicht völlig geklärt. Gewöhnlich wird der Name Sadduzäer vom Hohenpriester Sadok (2. SM. 8,17) hergeleitet, dessen Geschlecht, „die Söhne Sadoks“ (Ez. 40,46 usw.; Sir. 51,12H), seit Salomon bis 175 v. Chr. die erbliche Hohepriester-Würde inne hatte und den Hauptteil der jerusalemischen Priesterschaft bildete. Andere leiten den Namen von einem nicht näher bekannten Sadok (Mitte des 2. Jahrhunderts v. Chr.) ab, der Begründer oder doch angesehener Lehrer der Sekte gewesen sei. Die sadduzäische Partei entstand zur Zeit der Hasmonäer als Gegenbewegung gegen die immer mehr Einfluß gewinnenden Pharisäer. Sie setzte sich aus dem Priesteradel und den reichen Patrizier-Geschlechtern zusammen, wobei die Priester die Führung hatten, blieb immer klein und gewann das einfache Volk nie für sich (Josephus Antiqu. 13,10,6; 18,1,4). Doch erlangte sie bald große politische bedeutung, so unter Johannes Hyrkanus I. (135-104), der sich im Lauf seiner Regierung ihnen anschloß, Alexander Jannäus (103-76) und Aristobul II. (67-63). Als die Römer 6. n. Chr. Das Synedrium wieder in seine Rechte einsetzten, erlangten sie Sadduzäer darin ein sehr großes Gewicht. Wohl die Mehrzahl der Hohenpriester gehörte zu ihnen (vgl. Apg. 5,17; Josephus, Antiqu. 20,9,1). Als bedeutsame Gruppe innerhalb der sadduzäischen Partei erscheinen in der rabbinischen Literatur die Boëthosäaer (Angehörige der Familie des Alexandriners Boëthos), die 8 Hohepriester stellten. Mit der Zerstörung Jerusalems verschwinden die Sadduzäer aus der Geschichte. –
Die Sadduzäer waren wie die Pharisäer eine religiöse Partei, mit einer eigenen Theologie. Sie hielten sich streng an den Wortlaut der Thora und lehnten die „Überlieferungen der Väter“ (=mündliche Thora der Pharisäer) ab. Nach Origenes, Hippolyt, Epiphanius und Hieronymus anerkannten sie nur die Thora als Heilige Schrift; doch ist dies kaum richtig. Sie hatten auch Schriftgelehrte und besaßen eine ausgebildete, exegetisch fundierte Halacha (vgl. Mt. 16,12). Nach Josephus leugneten sie die göttliche Vorsehung (De Bell. Jud. 2,8,14; Antiqu. 13,5,9; 18,1.3) – in Wirklichkeit werden sie nur den freien Willen und die Verantwortlichkeit für die menschlichen Handlungen betont haben -, ferner die Unsterblichkeit, die jenseitige Vergeltung und die Totenauferstehung (De Bell. Jud. 2,8,14; Antiqu. 18,1,3-4; Mt. 22,23), nach Apg. 23,8 auch die Existenz von Engeln und Geistern. In der Rechtsprechung galten sie als sehr streng (Josephus, Antiqu. 13,10,6; 20,9.1). Im Kultus und Ritus wichen sie in vielen Punkten von der Gewohnheit der Pharisäer ab. Politisch hielten sie zu den Römern, weil deren Herrschaft Frieden und Wohlstand sicherte. Waren die Sadduzäer auch als reiche Leute für den Hellenismus offener als die Pharisäer, so darf man sie doch nicht mit den zum Hellenismus abgefallenen Priestern der Syrerzeit gleich setzen.
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. IX, 1937, S. 69-70