Lexikon für Theologie und Kirche
Stichwort: Barnabasbrief
Barnabasbrief, vollständig überliefert in dem 1859 von Tischendorf entdeckten Codex Sinaiticus (jetzt in Petersburg) aus dem 4. oder 5. Jahrhundert und in dem von Ph. Bryennios 1875 aufgefundenen Codex Hierosolymitanus (jetzt in Jerusalem) vom Jahr 1065. Vor 1859 waren die Herausgeber des griechischen Textes auf acht aus einem Archetypus geflossene, meist jüngere Handschriften angewiesen, worin die ersten Kapitel bis 5,7 fehlen. Eine alte lateinische Übersetzung (ohne Schlusskapitel 18-21), aus dem Kloster Corbie und jetzt in Petersburg, ist in die Zeit vor Cyprian und Tertullian zu verlegen. Barnabasbrief 1,5 und 2,2 u.3 werden schon von Klemens von Alexandrien zitiert.
Der Barnabasbrief gehörte zeitweise zu den kirchlichen Vorlesebüchern und ist geschrieben in der 1. Hälfte des 2. Jahrhunderts nach dem von Kaiser Hadrian erlassenen Beschneidungs-Verbot und der von ihm veranlassten Zerstörung des jüdischen Tempels (133 oder 134) in den darauf folgenden Drangsalen (Barn. 9,4; 16,2ff). Er ist gegen W. Wrede (das literar. Rätsel des Hebräerbriefes (1907) und H. Jordan (Geschichte der altchristl. Lit. (1911)) nicht als Epistel, sondern als wirklicher Brief anzusehen und nach seinem literarischen Charakter den Briefen der apostolischen Väter Klemens, Ignatius und Polykarp zuzurechnen.
Sein unbekannter Verfasser will sittlich beleben, in Leiden trösten und dadurch die volle Gnosis verleihen. Für seinen christlichen Unterricht verwertet er fast nur alttestamentliche Schriften und Bräuche. Die jüdischen Einrichtungen sind ihm so sehr Vorbereitungs-Mittel für das Neue Testament, dass selbst für eine relative Selbständigkeit einer alttestamentlichen Heilsanstalt wenig übrig zu bleiben scheint. Die Lehre vom Wege des Lichtes und der Finsternis (18-20) berührt sich mit Didache 1-5 und schöpft aus einem spätjüdischen Sitten-Katechismus. –
aus: Michael Buchberger, Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. I, 1930, Sp. 979