Jesu Abschiedsworte:
„Wenn euch die Welt hasst, so wisset, daß sie mich vor euch gehasst hat.“
(Joh. Kap. 14-16)
„Wenn euch die Welt hasst, so wisset, daß sie mich vor euch gehasst hat. Wäret ihr von der Welt gewesen, so würde die Welt das Ihrige lieben; weil ihr aber nicht von der Welt seid, sondern ich euch von der Welt auserwählt habe, darum hasst euch die Welt. Gedenkt meiner Rede, dich zu euch gesprochen habe, darum hasst euch die Welt. Gedenkt meiner Rede, die ich zu euch gesprochen habe: Der Knecht ist nicht größer als sein Herr. Haben sie mich verfolgt, so werden sie auch euch verfolgen. Haben sie meine Worte gehalten, so werden sie auch die eurigen halten. Aber dies alles werden sie euch tun um meines Namens willen (1); denn sie kennen den nicht, der mich gesandt hat. Wenn ich nicht gekommen wäre und zu ihnen nicht geredet hätte, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie keine Entschuldigung für ihre Sünde. (2) Wer mich hasst, der hasst auch meinen Vater. Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie dieselben gesehen und hassen doch mich und meinen Vater. (3) Aber es musste das Wort erfüllt werden, das in ihrem Gesetz geschrieben steht (4): Sie hassen mich ohne Ursache. Wenn aber der Tröster kommen wird, den ich euch vom Vater senden werde, der Geist der Wahrheit, der vom Vater ausgeht (5), der wird Zeugnis von mir geben. (6) Und auch ihr werdet Zeugnis von mir geben, weil ihr von Anfang an bei mir seid.“ (7)
„Dies habe ich zu euch gesagt, damit ihr euch nicht ärgert. Sie werden euch aus den Synagogen ausstoßen; ja es kommt die Stunde, da jeder, der euch tötet, glauben wird, Gott einen Dienst zu tun. Das werden sie euch tun, weil sie weder den Vater kennen, noch mich. Aber ich habe euch dies gesagt, damit, wenn die Stunde kommt, ihr euch daran erinnert, daß ich es euch gesagt habe:“
„Anfangs habe ich euch dies (8) nicht gesagt, weil ich noch bei euch war. Nun aber gehe ich hin zu dem, der mich gesandt hat; und niemand von euch fragt mich: Wohin gehst du? (9), sondern weil ich euch dies gesagt habe, hat Traurigkeit euer Herz erfüllt. Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist euch gut, daß ich hingehe. Denn wenn ich nicht hingehe, so wird der Tröster nicht zu euch kommen; gehe ich aber hin, so werde ich ihn zu euch senden. (10) Und wenn dieser kommt, wird er die Welt überführen (11) von der Sünde und von der Gerechtigkeit und vom Gericht: von der Sünde nämlich, weil sie nicht an mich geglaubt haben; von der Gerechtigkeit, weil ich zum Vater gehe und ihr mich nicht mehr sehen werdet; und vom Gericht, weil der Fürst dieser Welt schon gerichtet ist. Ich habe euch noch vieles zu sagen: aber ihr könnt es jetzt noch nicht tragen. Wenn aber jener Geist der Wahrheit kommt, so wird er euch alle Wahrheit lehren. (12) Denn er wird nicht von sich selbst reden, sondern was er hört, wird er reden, und was zukünftig ist, euch verkünden. (13)
„Noch eine kleine Weile, so werdet ihr mich nicht mehr sehen; und wieder eine kleine Weile, so werdet ihr mich wieder sehen; denn ich gehe zum Vater.“ (14) Da sprachen einige von seinen Jüngern untereinander: „Was ist das, daß er zu uns sagt: Noch eine kleine Weile, so werdet ihr mich nicht mehr sehen; und wieder eine kleine Weile, so werdet ihr mich wieder sehen“, und: „Denn ich gehe zum Vater“? Sie sprachen also: „Was ist das, daß er spricht: Noch eine kleine Weile? Wir wissen nicht, was er redet.“ Jesus aber wußte, daß sie ihn fragen wollten, und sprach zu ihnen: „Ihr fragt untereinander darüber, daß ich gesagt habe: Noch eine kleine Weile, so werdet ihr mich nicht mehr sehen; und wieder eine kleine weile, so werdet ihr mich wieder sehen. Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, ihr werdet weinen und wehklagen, die Welt aber wird sich freuen. Ihr werdet traurig sein, aber eure Traurigkeit wird in Freude verwandelt werden! Das Weib, wenn es gebärt, ist traurig, weil ihre Stunde gekommen ist; wenn sie aber das Kind geboren hat, so denkt sie nichtmehr an die Angst, wegen der Freude, daß ein Mensch zur Welt geboren wurde. (15) Auch ihr habt jetzt zwar Angst, aber ich werde euch wieder sehen (16), und euer Herz wird sich freuen, und eure Freude wird niemand von euch nehmen. An jenem Tage werdet ihr mich um nichts mehr fragen.“ (17)
„Wahrlich, wahrlich, sage ich euch, wenn ihr den Vater um etwas bitten werdet in meinem Namen, so wird er es euch geben. Bisher habt ihr um nichts gebeten in meinem Namen (18). Bittet, so werdet ihr empfangen, auf daß eure Freude vollkommen werde.“
„Dies habe ich in Gleichnissen zu euch geredet; es kommt aber die Stunde, da ich nicht mehr in Gleichnissen zu euch rede, sondern offen vom Vater euch verkünden werde. (19) An jenem Tage werdet ihr in meinem Namen bitten, und ich sage euch nicht, daß ich den Vater für euch bitten werde; denn der Vater selbst liebt euch, weil ihr mich geliebt und geglaubt habt, daß ich von Gott ausgegangen bin. Ich bin vom Vater ausgegangen und in die Welt gekommen; ich verlasse die Welt wieder und gehe zum Vater .“
Da sprachen seine Jünger zu ihm: „Siehe, nun redest du offen und sprichst kein Gleichnis mehr. Jetzt wissen wir, daß du alles weißt und nicht nötig hast, daß dich jemand frage (20); darum glauben wir, daß du von Gott ausgegangen bist.“ Jesus erwiderte ihnen: „Glaubt ihr jetzt? (21) Siehe, es kommt die Stunde, und sie ist schon da, daß ihr euch, ein jeder in das Seinige, zerstreuen und mich allein lassen werdet; aber ich bin nicht allein, denn der Vater ist mit mir. Dies habe ich zu euch geredet, auf daß ihr Frieden in mir habt. (22) In der Welt werdet ihr Bedrängnis haben; aber vertraut, ich habe die Welt überwunden.“ (23)
Anmerkungen:
(1) Die Welt, die Jesus nicht aufnimmt, nimmt auch seine Jünger nicht auf. Aber diese sollen sich dadurch nicht beirren lassen, sondern sich stärken durch den Hinblick auf das Beispiel ihre göttlichen Meisters, auf ihre eigene, so gnadenvolle Erwählung und durch um so innigere Verbindung in heiliger Liebe untereinander.
(2) Die Juden sind unentschuldbar, weil Jesus durch die offenbare Göttlichkeit seiner Lehre, durch seine ganze Erscheinung, die Heiligkeit seines Lebens und durch die größten Wunder bewiesen hat, daß er der verheißene Messias ist.
(3) Wer Jesus hasst, hasst auch den Vater, und vergeblich beriefen sich die Juden darauf, daß sie Verehrer Jahwes seien. Als sie in ihrer Verblendung und Verstockung Jesus, ihren Messias, so ungerecht verfolgten, hörten sie auf, das Volk Gottes zu sein. (Vgl. Dn. 9, 26)
(4) Ihr Unglaube kann aber so wenig gegen die Wahrheit des Christentums etwas beweisen, daß er vielmehr geradezu ein Zeugnis für dieselbe ist. Denn im ganzen AT ist dieser Unglaube von Gott, der ihn vorher sah, voraus gesagt. Es konnte also gar nichts anderes kommen. (Vgl. Ps. 34, 19; 68, 5)
(5) Auf diese stelle, sowie auf einige mißdeutete Aussprüche griechischer Väter berufen sich die schismatischen Griechen für ihre Behauptung, daß der Heilige Geist nur vom Vater ausgehe. Allein schon obige Stelle selbst sagt ausdrücklich, daß der Sohn den heiligen Geist sende, was notwendig voraus setzt, daß derselbe auch vom Sohn ausgehe; weiter unten sagt der Heiland: „Er wird von dem Meinigen nehmen und es euch verkündigen“, „der Vater wird ihn in meinem Namen senden“; der Heilige Geist wird, wie der Geist des Vaters, auch „der Geist des Sohnes genannt (1. Petr. 1, 11; Gal. 4, 6; Phil. 1, 19) etc.; und die beständige kirchliche Überlieferung wie die ausdrückliche Entscheidung der Kirche lehrt, daß der Heilige Geist von Ewigkeit her vom Vater und Sohn wie von einem Ursprung ausgehe. Nicht minder ergibt sich dies mit Notwendigkeit aus dem Wesen der heiligsten Dreifaltigkeit und den Beziehungen der göttlichen Personen untereinander. (Näheres siehe bei Heinrich, Dogmatische Theologie IV 233ff, 397ff, 493ff)
(6) Durch die wunderbare Ausbreitung der Kirche und Überwindung des Heidentums hat der Heilige Geist vor aller Welt bezeugt, daß Christus wahrhaft der Sohn Gottes und Erlöser der Welt ist; und innerlich in den einzelnen Seelen legt er dieses Zeugnis ab, indem er sie durch seine Gnade erleuchtet und zum Glauben an Christus bewegt.
(7) Durch diesen steten vertrauten Umgang wurden sie in seine Geheimnisse eingeweiht, in seiner Liebe befestigt, durch sein Wort belehrt und ermuntert, wie sie endlich unter dem Beistand des Heiligen Geistes Christus predigen und die Welt zu ihm bekehren sollten.
(8) Daß man sogar glauben wird, Gott einen Dienst zu erweisen, wenn man euch verfolgt und tötet. Dies musste den Aposteln besonders hart sein, namentlich wenn sie nicht mehr in dem persönlichen Umgang mit Jesus Trost und Ersatz fanden. Die Verfolgungen im allgemeinen hatte ihnen Jesus schon wiederholt vorher gesagt.
(9) Petrus hatte wohl diese Frage gestellt und auch Thomas, aber beide ließen sich durch ihre Niedergeschlagenheit hindern, die Frage ernstlich zu verfolgen, um zu erfahren, wohin Jesus denn eigentlich gehe, was er da finde, warum er hingehe, wie er für die Seinen sorgen, wann er wiederkommen werde etc.
(10) Erst nachdem das Erlösungs-Werk Christi vollbracht und in seiner Himmelfahrt vollendet und abgeschlossen, der Himmel den Menschen wieder eröffnet war, sollte nach dem göttlichen Ratschluss der Heilige Geist in seiner Gnadenfülle der Menschheit wieder geschenkt werden, von der er infolge des Sündenfalles gewichen war.
(11) Durch die Predigt und die Wunder der Apostel und ihrer Nachfolger und die wunderbar schnelle Ausbreitung und stete Erhaltung der Kirche wird er fort und fort der Welt den Beweis von der Göttlichkeit des Christentums liefern, und zwar in einer Weise daß a) ihr Unglaube als unentschuldbar erscheint, b) Christus aber durch seinen Hingang zum Vater und durch sein zwar unsichtbares, aber über alle Mächte der Welt und Hölle und über die Menschenherzen siegreiches Wirken als der wahrhaft Gerechte, ja als die Quelle und den Urheber aller Gerechtigkeit erkannt werden muß, daß endlich c) durch den Sturz des Heidentums und die Umgestaltung der Welt im Geist des Christentums der Sieg Christi über den Satan, über Sünde, Tod und Hölle klar zu Tage tritt, und eben damit auch seine dereinstige Wiederkunft zum Gericht verbürgt ist.
(12) Hier wird der Kirche die Gabe der Unfehlbarkeit in Verkündigung der göttlichen Wahrheit, die Christus auf die Erde gebracht hat, sowie in deren Ausführung und Weiterentwicklung verheißen.
(13) Er wird nicht neue Wahrheiten oder gar meiner Lehre Widersprechendes lehren, sondern aus dem Schatz der ewigen göttlichen Wahrheit, der mir mit dem Vater und dem Heiligen geist gemeinsam ist, und den ich euch mitgeteilt habe, nehmen. Er wird auch der Kirche die Gabe der Weissagung verleihen. Diese Gabe besaßen die Apostel, und Heiligen der Kirche wurde sie in allen Jahrhunderten verliehen.
(14) Schon am folgenden Tage wurde Jesus von ihnen genommen, aber am dritten Tage danach sahen sie ihn wieder, und ihre tiefe Trauer machte großer Freude Platz. Doch scheint der Heiland dies hier nicht im Auge zu haben, sondern seinen Hingang zum Vater in der Himmelfahrt, nach der die Jünger wie verwaist zurück blieben und den verheißenen „andern Tröster“, den Heiligen Geist, erwarteten, der das Werk Christi an ihnen vollenden, alle Niedergeschlagenheit und Traurigkeit von ihnen nehmen, sie mit heiliger Freude, hohem Mut und großer Gnade und Stärke für ihre erhabene Sendung erfüllen und fortan bei ihnen bleiben sollte.
(15) Ein gar schönes Gleichnis für diese Vollendung der geistigen Wiedergeburt der Apostel durch den heiligen Geist, der sie in ganz andere Menschen umwandelte, um durch sie die Welt umzugestalten.
(16) Vorübergehend sah der Heiland sie wieder nach seiner Auferstehung, für immer nach dem Tode der Apostel und ihrer Aufnahme in den Himmel. Doch scheint es, daß hier zunächst und hauptsächlich das Wiedersehen im uneigentlichen Sinne zu verstehen ist von der Sendung des Heiligen Geistes, wie das Folgende andeutet.
(17) Da der Heilige Geist euch alles lehren wird.
(18) Da ich bei euch war, habt ihr euch mit euren Bitten zunächst an mich gewendet.
(19) Was euch bisher dunkel und geheimnisvoll war, werde ich euch durch die Erleuchtung des Heiligen Geistes klar machen.
(20) Wir ersehen aus deinen Worten deutlich, daß du, obwohl wir dich nicht fragten, doch wußtest, daß wir über deine Verheißung: „Noch eine kleine Weile etc.“ im unklaren waren, daß du folglich selbst die Gedanken der Herzen kennst.
(21) Ist euer Glaube jetzt fest, unerschütterlich? Ihr meint es, und es ist auch so; dennoch werdet ihr heute noch in der Treue gegen mich wankend werden.
(22) Frieden in mir, d. i. die Beruhigung, daß alles, was jetzt über mich und euch herein bricht, zu meiner Verherrlichung und zu eurem Besten gereichen wird.
(23) Durch den Sieg des Heilandes, besonders in seinem Leiden und sterben, ist die Welt samt dem Fürsten dieser Welt überwunden, und wenn auch Gott es zuläßt, daß die Welt ihren Kampf noch bis zum jüngsten Tage fortsetzt, so ist sie doch so geschwächt, daß sie nur jene überwinden kann, die sich nicht verteidigen wollen. (vgl. 1. Joh. 5, 4) –
aus: Schuster u. Holzammer, Handbuch zur Biblischen Geschichte, Zweiter Band, Das Neue Testament, 1910, S. 473 – S. 476