Heiligenkalender
5. Dezember
Der heilige Abt Sabbas, Einsiedler
Die heilige Kirche feiert am heutigen Tage das Fest des heiligen Abtes Sabbas, der durch sein Wort und Beispiel viele hundert heilsbegierige Seelen zu Gott geführt hat. Er war im heiligen Lande, wo der Herr Jesus einst gewandelt hat, geboren. Seine frommen Eltern mussten einst im Dienst des Kaisers nach Ägypten ziehen, und überließen ihren Sohn der Obsorge ihres Schwagers Hermias. Das Weib des Hermias behandelte aber den kleinen Knaben so hart, daß dieser heimlich entwich und zu seinem Oheim Gregor sich begab. Nun gerieten beide Oheime in Zwist; keinem war eigentlich um den Knaben Sabbas, vielmehr um sein bedeutendes Vermögen zu tun. Jeder wollte dasselbe verwalten und sich damit bereichern. Wie Sabbas, der den Frieden liebte, den niederen Eigennutz seiner Oheime bemerkte und ihren Zwist und Streit um sein Vermögen, entsagte er den Gütern, welche so große Übel unter den Menschen stiften, und ging in das Kloster Flaviana. Einige Zeit danach schämten sich seine beiden Oheime ihres Betragens, wollten dem jungen Sabbas sein ganzes Vermögen zurück geben und ihn gut versorgen, wenn er das Kloster wieder verlassen würde. Er aber hatte bereits die Süßigkeit des Joches Christi gekostet, und den Frieden des Herzens im Umgang mit Gott kennen gelernt, und weigerte sich, in die Welt zurück zu kehren.
Im Kloster beeiferte er sich, alle Tugenden eines frommen Mönches sich anzueignen. Deshalb bekämpfte er unausgesetzt jede Regung sinnlicher Lüste. Eines Tages arbeitete er im Garten und sah einen Baum voll schöner Äpfel. Er pflückte sich einen, um ihn, obschon es noch nicht zeit zum Mahl war, zu essen. Darüber stieg ihm der Gedanke auf, dies sei eine Versuchung, warf sogleich den Apfel auf die Erde, und gelobte nun zur Buße, sein ganzes Leben lang keinen Apfel mehr zu essen. Dies Gelöbnis hielt er auch standhaft bis zum Tode. Er wußte, daß der Müßiggang jungen Leuten sehr schade. Deshalb sah man in immer arbeiten oder beten. Den Brüdern diente er wie ein Knecht; wo er immer denselben beispringen konnte, tat er es gewiß. Diese Nächstenliebe belohnte Gott wunderbar. – Der Klosterbäcker hatte seine Kleider zum Trocknen in den Ofen gelegt. Er vergaß, sie des andern Tages heraus zu nehmen, schürte das Feuer im Ofen an, und bemerkte erst die Kleider, als die Flammen schon loderten. Sabbas war zugegen, sah die Bestürzung des Bruders, ging in den Ofen mitten durch`s Feuer, und holte die Kleider, ohne sich zu verletzen.
Als er achtzehn Jahre alt geworden, wollte er Einsiedler werden, und sich unter die Leitung des heiligen Euthymius begeben. Dieser aber gab den frommen Jüngling den Rat, vorerst in das Kloster des heiligen Theoktist zu gehen, um sich dort vorzubereiten. Sabbas befolgte den Rat und verdoppelte im neuen Kloster seinen Eifer. Da er stark und kräftig war, trug er Holz und Wasser in das Haus und pflegte die Kranken. Er war der demütigste und willigste unter den Brüdern; der Erste und Letzte bei allen frommen Übungen. Wie weit er es schon damals in der Selbstverleugnung gebracht hatte, davon liefert einen Beweis seine Reise nach Alexandria. Dort traf er nämlich unvermutet seine Oheime, die, als sie ihn erkannten, alles aufboten, um ihn vom klösterlichen Leben abwendig zu machen.
Doch Sabbas gab ihnen zu verstehen, daß er in ihr Verlangen niemals einwilligen könne, ohne sich eines Abfalls von Gott schuldig zu machen. Da sie ihren Zweck nicht erreichten, drangen sie in ihn, wenigstens eine beträchtliche Summe Geldes mitzunehmen. Allein er ließ sich nur drei Goldstücke aufdringen, die er bei seiner Rückkunft in das Kloster seinem Abt sogleich übergab.
Sabbas blieb treu seinem Herrn und Gott, dem er sich ganz geopfert hatte. Er führte von nun an das strengste Leben in der Abgeschiedenheit einer tiefen Höhle, die er sich mit Bewilligung des heiligen Euthymius zur Wohnung gewählt hatte. – Gebet, Fasten und Handarbeit war sein Geschäft. Alle Wochen fertigte er fünfzig Körbe und brachte sie in das Kloster. Neun Jahre hatte er, vielfach angefochten vom bösen Feinde, den er aber immer besiegte, in der Wüste zugebracht. Nun wählte er sich eine Höhle auf einem hohen Berge, an dessen Fluss der Bach Cedron fließt. Mit unsäglicher Mühe musste er sich das Wasser aus der Ferne holen, und sich durch ein Seil, das an der Türe seiner Höhle befestigt war, über den steilen Weg hinauf winden, um nicht in den Bach zu fallen. Wilde Kräuter auf dem Berge waren seine Nahrung. Endlich entdeckten ihn Landleute und brachten ihm an gewissen Tagen Brot, Käse und Datteln; auch sammelten sich nach und nach Schüler um ihn, denen er Zellen errichtete, und die dann unter seiner Leitung nach der Vollkommenheit strebten. Der Patriarch von Jerusalem, der ihn sehr verehrte, erhob ihn zum Vorsteher aller Einsiedler. Die harte Buße aber, die er übte, und die strenge Zucht, die er unter den Klostergenossen aufrecht halten wollte, gefiel vielen von diesen nicht. Sie empörten sich gegen ihn und kündigten ihm den Gehorsam auf. Aus Liebe zum Frieden entwich Sabbas in die Wüste Scytopolis, und kam in eine Höhle, wo ein Löwe sich aufzuhalten pflegte. Das wilde Tier kehrte um Mitternacht vom Raub zurück, und da es den Heiligen schlafend fand, ergriff es ihn sanft mit den Zähnen am Saume seines Kleides, um ihn aus der Höhle zu ziehen. Der Heilige erwachte. Ohne beim Anblick des Löwen zu erschrecken, spricht er freundlich zu ihm: „Geschöpf Gottes, die Höhle ist groß genug, um uns beide zu beherbergen.“ Der Löwe schaute ihn groß an, kehrte sich dann schweigend um, und entfernte sich ruhig und kehrte nicht wieder.
Nachdem auch hier sein Aufenthalt entdeckt wurde und wieder Schüler um ihn sich sammelten, begab er sich in eine andere Gegend, wo er einige Zeit unter einem Baum lebte, dessen Blätter ihm Obdach, und dessen Früchte ihm Nahrung gewährten. –
Immer schmerzte ihn das Benehmen seiner aufrührerischen Ordens-Genossen, die ihn vertrieben hatten, und seinen väterlichen Mahnungen, die er öfters an sie richtete, nicht folgen wollten. Unaufhörlich weinte und betete er für sie; endlich gelang es ihm, sie auf bessere Gesinnung zu bringen. Nun lebte er unter ihnen, wie ein Vater unter seinen Kindern. Er besuchte sie von Zeit zu Zeit, und feuerte sie durch Wort und Beispiel zu immer größerer Vollkommenheit an. Während der ganzen Fastenzeit genoß er keine andere Speise als die heilige Kommunion, die er Samstags und Sonntags empfing. Schon ein Greis von 70 Jahren, waren Kräuter seine Nahrung, Wasser sein Trank, und Korbflechten seine Arbeit, das Gebet aber Tag und Nacht seine Wonne. –
So erreichte er endlich ein Alter von 91 Jahren, immer in tiefster Einsamkeit und strengster Buße lebend. – Nur wenn es das Wohl seiner Mitmenschen oder das Wohl der heiligen Kirche, an der er mit Leib und Seele hing, erforderte, verließ er seine geliebte Einsamkeit. Kurz vor seinem Tode reiste er an den Hof des Kaisers Justinian, um die Christen des heiligen Landes, welche arg verleumdet worden waren, zu rechtfertigen. Der Kaiser nahm den Heiligen ehrenvoll auf, und gewährte ihm alle Bitten. Als eines Tages Sabbas wieder beim Kaiser Geschäfte hatte, verließ er mitten im Gespräch das Gemach des Kaisers. Es war nämlich die Zeit der Terz, und der Heilige wollte diese Zeit des Gebetes nicht versäumen. Einer seiner Gefährten stellte ihm vor, daß dies sich nicht vor dem Kaiser gezieme. Der Diener Gottes aber gab zur Antwort: „Der Kaiser tut seine Pflicht, und wir müssen die unsrige tun.“ Dies Benehmen beweist, wie treu er in Erfüllung seiner Pflichten war.
Sabbas kehrte in seine Zelle zurück; bald darauf ward er krank. Mit himmlischer Geduld ertrug er die heftigsten Schmerzen, und verschied endlich, reich an Verdiensten, selig im Herrn am 5. Dezember 532. –
aus: Georg Ott, Legende von den lieben Heiligen Gottes, Bd. 2, 1904, S. 2413 – S. 2417