Heiligenkalender
27. November
Heilige Bilhildis Äbtissin
Die heilige Bilhildis wurde um das Jahr 625 zu Hochheim bei Würzburg in Unterfranken geboren, das heutzutage wegen seines heiligen Patrons Vitus Veits-Höchheim genannt wird. Ihre adeligen Eltern, Iberius und Mathilde, waren mit dem damals regierenden König Dagobert dem Ersten von Frankreich nahe verwandt und lebten als Christen in dem noch heidnischen Herzogtum. Im dritten Jahr ihres Alters ward Bilhildis nach Würzburg zu ihrer Base Kunegundis geschickt, und von ihr sorgfältig in den Lehren des christlichen Glaubens unterwiesen und unter die Zahl der Täuflinge eingeschrieben. Schon sollte sie getauft werden; da fielen die wilden Hunnen in das Land und verheerten alles. Die Priester wurden verjagt oder getötet, und das Licht des wahren Glaubens wurde fast völlig ausgelöscht. Daher unterblieb die Taufe der Bilhildis und wurde ganz vergessen; sie selbst aber wußte das nicht, sondern war der Meinung, sie hätte damals die heilige Taufe wirklich empfangen. Nach dem Abzug der Feinde kam Bilhildis wieder zu ihren Eltern und nahm an Jahren und Tugenden zu. Sie hatte einen besonderen Abscheu vor allem Schatten der Unreinigkeit; daher bemühte sie sich auch äußerst, daß die von den Heiden kommenden Tänze mit Personen des anderen Geschlechts, welche damals, wie in unseren Tagen, im Schwung gingen und Gelegenheit zu vielen Sünden gaben, durch das Ansehen des Königs Dagobert verboten würden.
Im 16. Jahr ihres Alters musste sie sich auf Befehl ihres Vaters mit Hettan, damaligem Herzog in Franken, vermählen. Nichts konnte ihr schmerzlicher fallen; denn Hettan war dem Heidentum ergeben. Dennoch, weil ihr Vater hoffte, dieser Hettan würde durch ihre Tugenden zu dem Christentum bekehrt werden und die Bekehrung des ganzen Landes nach sich ziehen, gehorchte sie. Sie führte ein heiliges Leben, brachte bei Tag und Nacht viele Stunden im Gebet zu, züchtigte ihren Leib mit Bußwerken und opferte alles dieses Gott dem Herrn auf für die Bekehrung ihres Ehegatten, dem sie auch öfter auf das liebreichste und nachdrücklichste zusprach. Allein es war alles vergebens; daher bat sie Gott inständig, er möchte doch das Eheband auf eine ihm wohlgefällige Weise trennen. Dieses Gebet ward erhört. Hettan musste auf königlichen Befehl in das Feld ziehen. Bilhildis begab sich auf einige Zeit zu ihrer Mutter nach Hochheim, von da aber entfloh sie bald darauf nach Mainz zu ihrem Vetter, dem Bischof Rigibert, und lebte dort nicht wie eine Herzogin, sondern ganz still und unbemerkt in der Einsamkeit.
Nachdem sie daselbst Nachricht von dem Tode ihres Ehegemahls 645 erhalten hatte, ergab sie sich ganz dem Dienst Gottes und den Werken der Barmherzigkeit. Gebet, Fasten, Nachtwachen, selbst anstrengende Arbeit einer Magd dienten ihr zur Abtötung gegen die Versuchungen der Sinnlichkeit. Mit den Adeligen, von denen sie besucht wurde, führte sie kein anderes Gespräch, als von Gott und göttlichen Dingen, von der Meidung der Sünde, von der Eitelkeit der weltlichen Ehren und Freuden, von den ewigen Peinen und Wonnen. Weil nun dazu auch ihr eigenes tugendreiches Beispiel kam, so ist leicht zu denken, wie viel Gutes sie hierdurch gewirkt hat. Es ging aber ihr Verlangen noch höher. Sie entschloss sich, nicht nur ihre eigene Person Gott dem Herrn zu seinem Dienst gänzlich aufzuopfern, sondern auch recht viele andere dazu zu ermuntern. Deshalb baute und stiftete sie aus ihren eigenen sehr reichen Mitteln in Mainz ein ansehnliches Kloster, welches später Altmünster genannt wurde. In dieses begab sie sich mit einigen anderen, welche ebenso wie sie gesinnt waren und Gott alleinvollkommen zu dienen verlangten. Sie lebte hier als Äbtissin und als ein Vorbild aller Tugenden.
Nach einigen Jahren, da drei von ihren Klosterfrauen, welche man wegen ihrer ausgezeichneten Tugenden vor allen anderen hoch schätzte, dem Gebet oblagen, erschien jeder besonders Engel, der ihnen offenbarte, ihre Äbtissin Bilhildis sei weder getauft noch gefirmt, und dieses sollten sie ihr mitteilen. Sie trugen anfangs ein großes Bedenken, ob dieses nicht ein bloßer Traum oder ein Betrug des Satans wäre. Dennoch zeigten sie endlich der Bilhildis an, was ihnen geoffenbart worden sei. Die fromme Äbtissin wollte anfangs dieser Offenbarung keinen Glauben beimessen, weil sie wußte, daß sie von christlichen und frommen Eltern geboren und erzogen worden war, und sie konnte nicht glauben, daß eine so wichtige Sache unterlassen worden sei. Dennoch eröffnete sie endlich die Sache dem Bischof; dieser ordnete, um die Wahrheit der Sache zu ergründen, ein allgemeines Gebet an, weil kein anderes Mittel übrig war. Er selbst las am bestimmten Tage in dieser Meinung die heilige Messe, und Gott offenbarte ihm unter derselben das nämliche, was der Engel den drei Klosterfrauen angezeigt hatte. Und nun wurde die nötige Anstalt zum Empfang beider heiliger Sakramente gemacht. Die Zeit, die ihr Gott nach dem Empfang der beiden heiligen Sakramente noch schenkte, brachte die heilige Äbtissin eifriger als jemals in Übung der vortrefflichsten Tugenden zu. Gott offenbarte ihr nun das nahe Ende, und sie bereitete sich dazu auf das eifrigste vor. In den letzten Tagen ließ sie keine Besuche weltlicher Personen mehr zu. Sie ließ denen, die besuchen wollten, sagen: „Sie hätte jetzt an Gott und das zukünftige Gericht zu denken.“ Am letzten Tage ihres Lebens berief sie alle Klosterfrauen und ermahnte sie zur Beharrlichkeit in der Liebe Gottes und in der geistlichen Ordenszucht. Danach beschäftigte sie sich allein mit Gott. Endlich erhob sie ihre Stimme und rief laut: „Vater! In deine Hände empfehle ich meinen Geist.“ Und so schied sie von dieser Welt am 27. November. Bei ihrem Grabe geschahen viele Wunder. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 956 – S. 957