Verschiedene Phasen der messianischen Frage im Schoße des jüdischen Volkes seit der Zerstörung Jerusalems
Viertes Kapitel.
Periode des Rationalismus und der Indifferenz
Der Messias, von rationalistischen Juden als Mythos betrachtet
IV.
Vom Ende des vorigen Jahrhunderts an bis zum Jahr 1848 machte dieser Mythos einen doppelten Gang, einen doppelten parallelen Fortschritt: den einen in Deutschland, den andern in Frankreich.
Folgendes ist aber eine äußerst bemerkenswerte Verschiedenheit, deren Konsequenzen wir späterhin sehen werden.
In Deutschland geschahen die Fortschritte der neuen Doktrin mehr unter dem Einfluss des Philosophismus, während sie in Frankreich mehr unter dem Einfluss der Emanzipation zu Stande kamen. Als diese Theorie vom Mythos auftauchte, waren die deutschen Israeliten vom Philosophismus bearbeitet, waren aber noch nicht emanzipiert; die französischen Israeliten waren emanzipiert, waren aber noch vor dem Philosophismus bewahrt.
Durch Deutschland kam die Sache zum Ausbruch.
Im Jahr 1843 organisierte sich in Frankfurt am Main ein reformistisches Comité, welches nach allen Weltgegenden hin folgende Erklärung ausgehen ließ:
„Eine gewisse Anzahl deutscher Israeliten hat beschlossen, ihre Ansicht über das gegenwärtige Judentum auszusprechen und sich förmlich von allen verkehrten Prinzipien und von allen verjährten Gebräuchen loszusagen:
Erklärung
Artikel III. Weder erwarten, noch wünschen wir „einen Messias, der uns nach Palästina zurückführe. Wir kennen kein anderes Vaterland, als jenes, welchem wir durch unsere Geburt und durch unsere sozialen Beziehungen angehören.“
„Alle diejenigen, welche nicht den Messias erwarten, der sie nach Palästina zurückführe… sind eingeladen, unsere Erklärung zu unterzeichnen und sie in ihrem Wirkungskreis von allen, die der gleichen Meinung sind, unterzeichnen zu lassen.“ (Archiv. Israel. 1844. p. 289 bis 300.)
Das Resultat dieser Erklärung war ein ungeheueres; drei Synoden folgten darauf.
In der ersten, im Jahr 1843 zu Braunschweig gehaltenen warf man folgende Fragen auf, vermittelst deren man kühn mit der Vergangenheit brach:
„Müssen wir fortfahren, Gebete herzusagen, welche keinen Bezug auf unsere Lage haben? Sollen wir über Missgeschicke klagen, die uns glücklicher Weise ferne sind?“ (ebd. 1845. p. 513 bis 514.)
In der zweiten, im Jahr 1845 zu Frankfurt gehaltenen Synode verkündete man folgende Beschlüsse:
1. Ist die hebräische Sprache notwendig für den Gottesdienst?
Nein, mit Einstimmigkeit.
2. Soll jedes Gebet um die Wiedereinführung der Opfer abgeschafft werden?
Ja, mit Einstimmigkeit.
3. Soll man aus unseren Gebeten alle Anrufungen um Wiederherstellung eines jüdischen Staates und um die Rückkehr der Israeliten nach Palästina tilgen?
Ja, mit Einstimmigkeit.
4. Verdient das Dogma vom Messias eine hohe Berücksichtigung in unseren Gebeten?
Ja, mit Einstimmigkeit. (ebd. 1845. p. 873 bis 875.)
Was war nun aber dieses Dogma vom Messias im Gedankenkreis der hohen Versammlung? Eine Korrespondenz aus Frankfurt hat Sorge getragen, uns einen Kommentar darüber aufzubewahren:
„Eine von der Synode ausgegangene Meinung, die mit großer Freude aufgenommen worden ist, betrifft die Ankunft des Messias. Die Juden warten nur darauf, unter die Nationen aufgenommen zu werden, um die Verheißung vom Messias erfüllt zu sehen.“ (Archiv. Israél. 1845. p. 694.)
Endlich in der dritten, im Jahr 1846 zu Breslau abgehaltenen Synode, handelt man gar nicht mehr über die Frage; sie ist erschöpft; man zieht die Gewissheit des Mythos nicht mehr in Zweifel, und als einige Monate später ein preußischer Minister im Landtag zu sagen wagte: das einzige Vaterland der Juden ist Sion – erfolgte nachstehende kaum glaubliche Adresse, welche alsbald in die Hände der Regierung niedergelegt wurde:
„Wir erklären feierlich, daß wir kein anderes nationales Interesse anerkennen, als das Preußens… daß wir nicht den Wunsch hegen, nach Jerusalem zurückzukehren, daß wir keinen andern Messias erwarten, als die Freiheit, daß im Judentum die Idee vom Messias identisch ist mit jener der Befreiung vom Joch und daß alle diejenigen, welche diese Ansichten nicht teilen, den wahren Geist des Judentums nicht erfasst haben.“ (ebd. 1847. p. 651 bis 652.)
Die alte talmudistische Partei war starr vor Bestürzung und hatte für Deutschland beinahe ihren Todesstoß erhalten. Der Zeitraum vom Tod Mendelssohns an im Jahr 1786 bis zu jener in Preußen niedergelegten Adresse im Jahr 1847, also einundsechzig Jahre, hatten genügt, um sich von einem sechzig Jahrhunderte alten Glauben loszumachen.
In dieser Zwischenzeit ging in Frankreich, wie wir gesagt haben, ein paralleler Fortschritt vor sich. Hier aber wird sich uns die Konsequenz dieser Verschiedenheit der Zeitkreise, von der wir oben gesprochen haben, ergeben.
Der Grund, weshalb jenseits des Rheins sich das Denken der Israeliten in so maßlos kühner Weise überstürzte, lag darin, daß der deutsche Israelit noch nicht die bürgerliche Freiheit erlangt hatte. Die Freiheit war die Perle, für welche er alles, selbst den Messias, opfern zu müssen glaubte. In Frankreich dagegen genoss der Israelit die Freiheit seit 1791 und deshalb mäßigte er sich mehr in der Umgestaltung seines Glaubens. Im großen Rat vom Jahr 1807 hatte man den Namen Napoleons mit Lobsprüchen und mit biblischen Blumen bedeckt, die ausschließlich dem Messias vorbehalten waren (1), aber diese Ausnahme abgerechnet, welche, da der große Rat seit der Zerstörung Jerusalems nicht mehr versammelt gewesen war, ihren Grund in einer gewissen Berauschung hatte, war die talmudistische Partei noch mächtig genug geblieben, um die ganze kategorische Erklärung über die Frage vom Messias zurückzuhalten und in den Hintergrund zu drängen.
(1) „Es ist wirklich auf Erden ein übernatürliches Genie erschienen, umgeben mit unendlicher Größe und Herrlichkeit. ‚Et ecce cum nubibus coeli, quasi filius hominis veniebat, et dedit ei potestatem et honorem et regnum.‘ – Und siehe, es kam einer in des Himmels Wolken wie eines Menschen Sohn… und Er gab Ihm Gewalt und Ehre und das Reich.“ (Daniel VII, 13) (Rede des Rabbiners Ségre, Abgeordneten des Departemaents der Sesia im großen Rat.)
„Wir sehen deutlich die durch Daniel angekündigten unendlichen Wunder des höchsten Schöpfers. Er hat Napoleon auserwählt. Man muss auf ihn die Worte meines Textes anwenden: ‚Siehe meinen Knecht, dem ich beistehe, meinen Auserwählten, an dem ich mein Wohlgefallen habe. Ich ließ meinen Geist über Ihn kommen, das Recht wir Er den Völkern verkünden… Er ist nicht kleinmütig, noch ungestüm, bis Er aufgerichtet auf Erden da Recht; und die Inseln erwarten sein Gesetz… Ich bin der Herr; Ich habe Dich gerufen in Gerechtigkeit und Deine Hand gefasst und Dich behütet. Ich gebe Dich zum Bund für das Volk, zum Licht für die Heiden.“ (Isaias XLII.) – (Rede des Rabbiners David Zinsheimer, Abgeordneten von Straßburg. – Aus den Verhandlungen des großen Rates.)
Erst vom Jahr 1848 an wurde jeder Druck überflüssig.
Während der Regierung Louis Philipps hatte der deutsche Rationalismus, ermutigt, die Grenzen zu überschreiten, das französische Judentum heimlich gereizt und angespornt. Man wartete nur eine Gelegenheit ab, um zu sprechen. Sie wurde durch den Präsidenten des Zentralkonsistoriums von Frankreich, den Oberst Cerf-Beer, selbst geboten.
Bei der Gelegenheit der Einführung des neuen Oberrabiners von Paris im Jahr 1846 erklärte der alte Soldat in einer Beglückwünschungs-Rede, die wie eine Bombe in die Reihen der talmudistischen Partei fuhr, dem Oberrabbiner nicht mehr und nichts weniger, als daß mit Reformen begonnen werden müsse. (2)
(2) In dieser Rede kamen folgende Stellen vor:
„Herr Oberrabbiner!
Seit einem halben Jahrhundert hat nicht allein für uns, sondern für die große Mehrheit unserer Brüder in allen Ländern eine neue Ära begonnen. Die Stimme der Menschlichkeit und der Gerechtigkeit bricht überall durch. Die Folge davon ist, daß überall neue Veränderungen in unserem Kultus erwartet, dringend gefordert werden. Die Gebete des Sklaven, sein Fasten, seine Tränen ziemen sich nicht für den freien Mann. Die Hoffnungen des Verbannten haben keinen Sinn im Mund desjenigen, der über seinem Haupt den Himmel seines Vaterlandes und zwar eines Vaterlandes gleich unserem viel geliebten Frankreich glänzen sieht… Täuschen Sie sich nicht, Herr Oberrabiner, über die Tragweite dieser Worte; wir sind die Interpreten einer Generation, die weit religiöser ist, als man glaubt; aber sie will, daß die Form, wie der Grund der Religion in Übereinstimmung sei mit der Wahrheit, das heißt: mit dem, was sie fühlt, mit dem, was sie versteht, mit dem, was sie ist. Indem ich Sie mit den Wünschen und mit der Lage dieser unserer Generation bekannt mache, und noch ihre Hoffnungen hinzufüge, glauben wir die heiligste der Pflichten erfüllt zu haben. Sie werden auch die ihrige verstehen, davon sind wir überzeugt.“ (Arch. Israél, 1846, p. 729 sq.)
Dies war das Signal; das freie Denken nahm seinen Aufschwung und der messianische Mythos wurde in Frankreich gefeiert, wie er in Frankfurt, Berlin und Wien gefeiert wird.
Hier sehen wir uns genötigt, Namen zu nennen.
Erstlich, weil in der französischen Synagoge Alles in Betreff der messianischen Frage noch individuell ist; man hat noch nicht gewagt, sie wie in Deutschland vor eine Versammlung zu bringen.
Dann, weil man im gegenwärtigen Augenblick in Frankreich wie anderwärts die Schlachtfelder scheiden und die einzelnen zwingen muss, Farbe zu bekennen.
Wenn wir die Herren Munk, Salvador, Crémieux, Franck, Cohen, Rodrigues, Michel Weil, Astruk nennen, so nennen wir gewiss und zwar mit voller Anerkennung die intellektuellen Größen des französischen Judentums; dieselben mögen uns nun gestatten, ihre Gedanken über den Messias zusammen zu stellen, indem wir die genannten Herren mit ihren Titeln und Ehrenstellen im Schoß einer Synagoge aufführen, welche die Naivität hat, sie noch immer als die Stütze ihrer Traditionen zu betrachten.
Munk, Mitglied des Institutes, Professor am französischen College, Mitglied und Sekretär des israelitischen Zentralkonsistoriums, sagt:
„Diesen Sieg des Monotheismus kündigen die Propheten mit tiefer Überzeugung als den Endpunkt an, bei dem die progressive Entwicklung der religiösen Ideen des Menschengeschlechtes anlangen sollen. Es ist die ideale Zukunft, welche sie beständig vor Augen haben und welche sie da und dort unter dem Bild des Messias aus dem königlichen Geschlecht Davids darstellen.“ (Palestine, p. 421.)
Salvador, Verfasser der „Geschichte der Institutionen des Moses und des hebräischen Volkes“, sagt:
„Da die Idee vom Messias nicht in ausdrücklicher Weise in den fünf Fundamentalbüchern verzeichnet ist, bildet sie keinen unerlässlichen Artikel des hebräischen Glaubens. Der einzige durch Moses angedeutete Zweck, nämlich: die fortwährende Erhaltung Israels in seiner Eigenschaft als die auf Erfahrung begründete Lehre und Standarte für die Menschheit – das ist der eigentliche Glaubensartikel…“ (Histoire des institutions de Moise. t. II. 525.)
Cohen, Verfasser des Buches „Die Gottesmörder“, sagt:
„Die Ankunft des Messias in den prophetischen Traditionen des Judentums ist wohl weniger die materielle Erscheinung eines allmächtigen Wesens, eines Königs, Propheten oder Gottes, als das Anbrechen einer großen Epoche vom religiösen, sozialen und moralischen Gesichtspunkt aus.“
„Der wesentliche Charakter der messianischen Epoche ist die Verkündigung und die Wiederanerkennung der Einheit und der Geistigkeit Gottes durch alle Nationen der Erde.“
„Und als Folge des Glaubens an die göttliche Einheit wird auch die menschliche Einheit, die brüderliche Einheit aller Kinder Gottes die heilige Lehre der Gesellschaften und der Individuen werden. Keine Kriege, keine verheerenden Armeen mehr, sondern überall Ordnung, Harmonie, Gleichgewicht, Friede und Glück!“ (Les Déicides, introd. p. XXXIII, XXXIV.)
Auscher, Rabbiner von Besançon, sagt:
„Unser religiöses Banner trägt vier Dogmen: absolute und strenge Einheit Gottes, Untserblichkeit der Seele, Offenbarung vom Sinai und endlich die Ankunft des Messias, das heißt: unendliche Vervollkommnung der Menschheit.“ (Arch. Israél. 1868. p. 164.)
Rodrigues, Verfasser des Buches „Die drei Töchter der Bibel“ und ständiger Sekretär der israelitischen wissenschaftlich-literarischen Gesellschaft, sagt:
„Der Messias, der nicht aus Fleisch und Knochen besteht, dieser nicht greifbare Messias, wird er uns endlich erscheinen, sichtbar für die Augen des Denkens, der erhabene Beherrscher der Welt des Geistes? Ist sein Name nicht die zur männlichen Reife gelangte menschliche Vernunft?“ (Les trois filles de la Bible, p. 46.
S. Cahen, Übersetzer der Bibel, sagt:
„Am 28. Februar 1790 ist für uns mit der Erklärung der Menschenrechte der Messias gekommen.“
„Der Messias, den wir erwarten, er ist die Verbreitung der Aufklärung, er ist die Anerkennung aller Rechte, er ist die Emanzipation der ganzen Menschheit.“ (Arch. Israél. Ann. 1847. p. 801.
Michel Weil, Oberrabbiner und Verfasser des Werkes „das Judentum, seine Dogmen und seine Mission“, sagt:
„Die große messianische Frage scheint eine jener Fragen zu sein, auf welche sich die alte Maxime: ‚in dubiis libertas‘ anwenden lässt.“
„Was uns betrifft, so sind wir, nachdem wir unsere göttlichen Orakel zu Rate gezogen, zu folgendem Resultat gekommen: die Seher oder Propheten Israels haben unter dem Namen Messianismus nur den endlichen Sieg des Dogma`s der Einheit, das Reich der Gerechtigkeit, der Freiheit, der Eintracht und der universellen Harmonie verstanden, niemals aber haben sie eines Abkömmlings Davids, noch eines Königs Messias, noch selbst eines persönlichen Messias Erwähnung getan.“ (Univers. Israélite. 1868. p. 542-544.)
„Hieraus würde folgen, daß der wahre Erlöser keine Persönlichkeit sein würde, sondern das in den Leuchtturm der Nationen umgewandelte, zu dem edlen Amt des Lehrers erhobene Israel, des Lehrers, der durch seine Bücher, wie durch seine Geschichte, durch die Ausdauer in seinen Heimsuchungen nicht weniger, als durch die seiner Lehre bezeugte Treue, unterweist.“ (ebd. 1869. p. 314-315.)
Die israelitische, wissenschaftlich-literarische Gesellschaft sagt in dem auf ihre Veranlassung hin übersetzten und verbreiteten deutschen Buch: „Sinai und Golgatha“:
„Nach einer Prophezeiung des Isaias wären die Leiden von Gott selbst über das Volk als Messias verhängt worden, damit es dadurch seine Sünden tilge. Dank dieser fälschlich auf einen Menschen-Messias angewendeten Prophezeiung trat selbst das Faktum des Todes Jesu in einen vollkommen andern Gesichtspunkt und verlor völlig den schimpflichen Charakter.“
„… Der Prophet Isaias spricht in dem ganzen LIII. Kapitel vom Volk Israel als von dem, als Messias personifizierten Volk.“ (Sinaï et Golgatha. p. 347.)
Das „israelitische Archiv“, das wichtigste Organ der jüdischen Presse in Frankreich sagt:
„Die Juden sind erst seit Mendelssohn und Lessing, das heißt: einige Jahre vor 1789 auf der philosophischen Arena aufgetreten. Namentlich seit dieser Zeit des Messias, denn die Revolution war der wahre Messias für die Unterdrückten, haben die Israeliten gewagt, den wahren Sinn des Mosaismus wieder herzustellen, jedes übernatürliche Element daraus zu entfernen und ihn auf die philosophische Wahrheit zurückzuführen.“ (Arch. Israél. 1862. p. 309.)
Und ferner:
„Das jüdische Volk ist ungeachtet des neunzehnten Jahrhunderts, ungeachtet der Rothschilde und Pereire, ungeachtet eines Meyerbeer und Halevy noch nicht vollständig in seinen vorigen Stand zurückversetzt. Das jüdische Volk als solches erwartet also noch immer seinen Erlöser. Dieser Erlöser ist weder ein König, noch ein Sohn Davids. Er ist weder ein Eroberer, noch ein Wundertäter; diese Erlösung ist die Wiederherstellung des Judentums als Kultus, als Volk, als religiöse Nationalität; sie ist seine Wiedereinsetzung in alle seinem Altertum, seinen Leiden und seinen Diensten gebührende Ehren.“ (ebd. 1865.)
Wir können hiermit diese kaum glaubliche Sammlung schließen. Indessen müssen wir, bis zum Beweis des Gegenteils, noch diese beiden so bekannten Namen hinzufügen:
Den des Herrn Crémieux, ehemaligen Justizministers, Präsidenten der universellen israelitischen Allianz, und des Herrn Franck, Professors am College von Frankreich, Vizepräsidenten des Zentralkonsistoriums.
Wir fordern nämlich Herrn Crémieux auf, in seinem Geist und vor dem Forum der Öffentlichkeit den Glauben an einen persönlichen Messias, das heißt: an einen außerordentlichen Abgesandten Gottes in Vereinbarung zu bringen mit seinen neuen Befugnissen als Großmeisters des Freimaurer-Ordens, das heißt: eines Ordens, dessen erstes Dogma darin besteht, jedes göttliche Eingreifen in die menschlichen Angelegenheiten, sei es nun messianischer oder übernatürlicher Art, hochmütig zurückzuweisen.
Was Herrn Franck betrifft, so weiß Jedermann, daß er den Pantheismus als den größten Ruhm unserer Zeit betrachtet. (1) Nun aber, was lehrt der Pantheismus? Was anderes, als daß Gott und die Menschheit nur ein und dasselbe Wesen bilden! Dann aber sehen wir nicht ein, welchen Platz wir für einen persönlichen Messias übrig behalten, den die ganze Tradition gerade als den Vermittler zwischen Gott und der Menschheit betrachtete. Der alte Messianismus stößt den Pantheismus zurück, ebenso wenig aber duldet der Pantheismus ein treues Festhalten am alten Messianismus.
(1) „Der Pantheismus liegt allen Lehren der Kabbala zu Grunde. Die Kabbalisten haben eine Doktrin gelehrt, die ziemlich derjenigen gleicht, welche die Metaphysiker des Nordens heutigen Tages als den größten Ruhm unserer Zeit betrachten. Mit einem Wort: sie lassen uns ahnen, was die Vereinigung von Plato und Spinoza vermag.“ (La Cabale ou la philosophie religieuse des Hébreus. p. 193. 386.) –
In gerechter Entrüstung über das Bündnis, welches Herr Franck zwischen dem Pantheismus und der Kabbala herzustellen sucht, ruft der Ritter Drach in einer Widerlegung des genannten Buches: „Die Ungläubigen suchen die Kabbala zur Mitschuldigen des gottlosen pantheistischen Systems zu machen. Herr Franck, der jüngste Schriftsteller hierüber, spricht von der Kabbala, wie der Blinde nach dem Hörensagen von den Farben.“ (La Cabale des Hébreus vengée de la fause imputation de panthéisme, par le chevalier P.L. Drach. p.7) –
aus: Gebr. Lémann, Die Messiasfrage und das vatikanische Konzil, 1870, S. 42 – S. 55
Fortsetzung Kapitel 4 Teil 3: Die Indifferenz bezüglich des Messias