Heiligenkalender
6. Januar
Das Fest der heiligen drei Könige
Die großen Geheimnisse werden uns von der katholischen Kirche heute zur andächtigen Betrachtung vorgestellt, welche sich einst an diesem Tage, doch nicht in dem nämlichen Jahr, zugetragen haben. Das erste ist die Ankunft der heiligen drei Könige zu dem neu geborenen Heiland der Welt. Das zweite die Taufe Jesu Christi in dem Fluss Jordan. Das dritte die wunderbare Verwandlung des Wassers in Wein als das erste Wunder, welches Christus auf der Hochzeit zu Kana in Galiläa gewirkt hat. In diesen drei erzählten Begebenheiten hat Christus der Herr am heutigen Tag in mehreren Erscheinungen sich geoffenbart und zwar in der ersten den Heiden durch einen Wunderstern; in der zweiten am Jordan dem heiligen Johannes und einer großen Menge Volkes der Juden, durch eine vom Himmel herab rufende Stimme des himmlischen Vaters und durch des heiligen Geistes in der Gestalt einer Taube; in der dritten seinen Jüngern durch das erste Wunder, welches er zu Kana gewirkt hat und nach dem Zeugnis des heiligen Evangeliums seine Jünger bewog, daß sie an ihn glaubten. Deswegen wird das heutige Fest, welches man jederzeit als eines aus den feierlichsten des ganzen Jahres angesehen und in Ehren gehalten hat, das Fest der Erscheinung Christi genannt; das ist ein Fest, an welchem Christus, der Herr, in dem menschlichenFleisch erschienen ist und sich den Menschengeoffenbart hat. Wegen der ersten Erscheinung, welche den drei Königen als Heiden geschehen, wird es auch das Fest der heiligen drei Könige genannt.
Der im Morgenland neu aufgegangene Stern hatte einen weit größeren Glanz, als alle anderen Sterne des Himmels; und Gott, der solchen als einen Verkündiger seiner Ankunft geschickt, hat auch innerlich die Herzen der drei Weisen also erleuchtet, daß sie klar erkannten, der durch die Weissagung des Propheten Balaam verkündigte Messias oder König der Juden sei wirklich angekommen. Diese drei Weisen oder Könige, welche gewöhnlich Kaspar, Melchior und Balthasar genannt werden, machten sich nach geschehener Erscheinung des Sternes ohne Verzug auf den Weg.
Der ihnen erschienene Stern vertrat die Stelle eines Wegweisers so lange, bis sie zur Stadt Jerusalem kamen; denn daselbst verschwand er auf einmal vor ihren Augen. Die Betrübnis, welche sie deswegen befiel, war nicht gering. Weil sie dennoch glaubten, in Jerusalem als in der Hauptstadt des Judenlandes würde der Ort und Aufenthalt des neu geborenen Königs der Juden ohne Zweifel bekannt sein, so gingen sie ohne Bedenken in die Stadt und fragten ohne Scheu: „Wo ist derjenige, der da geboren ist, ein König der Juden; denn wir haben dessen Stern gesehen im Morgenland und sind gekommen, ihn anzubeten.“ Die Einwohner der Stadt staunten über eine so unerwartete Frage und wußten nichts zu antworten. Der Ruf von den angekommenen Weisen und ihrer Frage verbreitete sich schnell durch die ganze Stadt und kam auch zu den Ohren des Königs Herodes. Dieser, weil er ohnehin sehr herrschsüchtig war, befürchtete, er könnte durch den neu geborenen König von seinem Thron gestoßen werden. Demnach berief er die Hohenpriester und Schriftgelehrten zusammen und fragte sie, wo denn der Messias sollte geboren werden. Ihre einhellige Antwort war, daß diese Geburt nach der Weissagung des Propheten Michäas in Bethlehem, einer Stadt des Stammes Juda geschehen müsse…
Indessen waren die drei Weisen durch das, was der König ihnen gesagt hatte, ganz befriedigt und begaben sich von Jerusalem hinweg nach Bethlehem. Kaum hatten sie die Stadt verlassen: da zeigte sie wieder ihr himmlischer Wegweiser, der Stern, den sie im Morgenland gesehen hatten, und schwebte vor ihnen her bis an den Ort, wo der neu geborene König war. Die Freude, welche sie darüber empfanden, läßt sich mit Worten nicht beschreiben. Wer kann aber begreifen, wie sehr sich solche vermehrt habe, da sie sich wirklich an demjenigen Ort sahen, wo der so eifrig von ihnen gesuchte, neu geborene König war? Dies zeigte ihnen der Stern an, der über der Krippenhöhle still stand. Die drei Weisen gingen mit unaussprechlicher Freude in den armen Stall hinein und sahen daselbst auf dem Schoß der jungfräulichen Mutter das göttliche Kind, welches seine Augen liebreich auf sie richtete. In dem Augenblick wurden sie innerlich von Gott erleuchtet und gänzlich überzeugt, daß dieses Kind derjenige große König, ja der eingeborene Sohn Gottes sei, welcher zur Erlösung der Menschen auf die Welt gekommen. Demnach fielen sie nieder auf die Erde, beteten ihn mit gebogenen Knien und tiefster Ehrerbietung an als ihren Herrn und Gott, öffneten ihre mitgebrachten Schätze und opferten ihm dreifache Gaben, nämlich Gold, Weihrauch und Myrrhen; Gold, um zu bezeugen, daß er ein wahrer König; die Myrrhen, um anzudeuten, daß er ein wahrer Mensch; den Weihrauch aber, um zu bekennen, daß er wahrer Gott sei. Der von ihnen so andächtig verehrte und angebetete Heiland der Welt wird die ihm erwiesene Ehre und überreichen Schenkungen reichlich durch innerlichen Seelentrost vergolten haben…
Durch den heiligen Apostel Thomas wurden sie getauft, später zu Priestern und Bischöfen geweiht und bekehrten sehr viele zum christlichen Glauben. Ihre heiligen Leiber werden im Dom zu Köln verehrt.
Beherzigung:
Heute ist der Geburtstag der Christenheit aus den Heiden; denn die drei Könige, welche heute Christus zu erkennen und an ihn zu glauben begannen, waren Heiden. Daher werden sie von den heiligen Vätern die Erstlinge unseres Glaubens genannt. Nichts ist billiger, als daß du das heutige Fest mit größter Feierlichkeit begehst und Gott dem Herrn demütigen Dank sagst für die unschätzbare Gnade des Berufes zu dem einzigen wahren Glauben. „Eine große, ja unschätzbare Gnade ist es“, sagt der heilige Augustin, „daß mich Gott zu solcher Zeit und unter solchen Menschen geboren werden ließ, durch welche ich zu dem wahren Glauben gelangte. Ich sehe, daß tausend und tausend Menschen diese Gnade nicht widerfahre.“ Ja tausend und tausend weilen noch immer in ihrem blinden Heidentum, in allerlei Unglauben oder Irrtum, und gehen so aus Mangel des wahren Glaubens, wenn es ihre Schuld ist, daß sie nicht glauben, was die katholische Kirche lehrt, zugrunde. Dich hat der gütige Gott in seiner Barmherzigkeit von Kindheit an im wahren Glauben unterrichten lassen, um sicher selig werden zu können, wenn du danach lebst. Ach! Sinke nieder auf die Erde, lobe und preise die göttliche Güte mit Mund und Herzen, nach allen Kräften. Je größer die Gnade, desto größeren Dank bist du Gott schuldig. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 18 – S. 21