Warum wir dem Papst Ehrerbietigkeit schulden

Statue von Petrus, dem ersten Papst, mit dem Schlüssel in der Hand, im Hintergrund der auferstandene Christus sowie zwei Heilige

Opferwillige Hingebung an den Papst

Was es heißt dem Papst Ehrerbietigkeit schulden

Die folgenden Blätter sind der Inhalt einer Predigt, die in der Kirche des Oratoriums zu London am ersten Tage des Neuen Jahres 1860 gehalten wurde, bei Gelegenheit der feierlichen Einsetzung des hochwürdigsten Gutes, um für den Papst zu beten.

Die Liebe zum Papst

Der oberste Hirte ist eine dritte sichtbare Gegenwart Jesu unter uns, von einer höheren Ordnung, von einer tieferen Bedeutung, von einer mehr unmittelbaren Wichtigkeit, von einer mehr fordernden Natur, als Seine Gegenwart in den Armen und in den Kindern. Der Papst ist der Statthalter Jesu auf Erden, und erfreut sich unter den Monarchen der Welt aller Rechte und Gewalten der heiligen Menschheit Jesu. Keine Krone kann höher sein als seine Krone. Nach göttlichem Recht kenn er niemands Untertan sein. Alle Unterwerfung ist eine Gewalttat und Verfolgung. Er ist ein Monarch gerade durch die Bedeutung seines Amtes; denn unter allen Königen steht er dem König der Könige am nächsten. Er ist der sichtbare Schatten, den das unsichtbare Haupt der Kirche im heiligen Sakrament wirft. Sein Amt ist eine Institution, die aus derselben Tiefe des heiligen Herzens fließt, aus welcher, (…), das heilige Sakrament und die Erhöhung der Armen und der Kinder ihren Ursprung nehmen. Er ist eine Offenbarung derselben Liebe, eine Darstellung desselben Prinzips. Mit welcher Sorgfalt also, mit welcher Ehrerbietung, mit welcher außerordentlichen Anhänglichkeit sollten wir nicht einer so herrlichen Gnade, einer so wunderbaren Liebe entsprechen, wie die ist, die uns Unser teuerster Heiland in der Wahl und Einsetzung seines irdischen Statthalters erzeigt hat! Petrus lebt immer, weil die dreiunddreißig Jahre immer fortdauern. Diese beiden Wahrheiten gehören zu einander. Der Papst ist für uns in unserem ganzen Verhalten, was das heilige Sakrament in unserer ganzen Anbetung für uns ist. Das Geheimnis seiner Stellvertretung ist verwandt mit dem Geheimnis des heiligen Sakramentes. Die beiden Geheimnisse sind in einander verflochten.

Der Schluß, welcher aus all diesem gezogen werden muss, ist von der wichtigsten Bedeutung. Es ist kein geringerer, als der, daß die innige Ergebenheit gegen den Papst einen wesentlichen Teil der ganzen christlichen Frömmigkeit bildet. Es ist nicht eine Sache, welche das geistliche Leben gar nicht berührt, als ob das Papsttum nur die Politik der Kirche wäre, eine Anstalt, die zu ihrem äußerlichen Leben gehörte, eine von Gott verordnete Einrichtung der kirchlichen Regierung. Es betrifft die kirchliche Lehre und den äußeren Gottesdienst. Es ist ein Bestandteil von dem Plan Unseres Herrn selbst. Er ist in dem Papst in einer noch höheren Weise, als Er in den Armen oder in den Kindern ist. Was dem Papst getan wird, für ihn oder gegen ihn, das wird Jesus selbst getan. Alles, was von einem König, alles, was von einem Priester in Unserm teuersten Herrn enthalten ist, vereinigt sich in der Person seines Statthalters, um unsere Huldigung und Verehrung zu empfangen. Man könnte ebenso gut versuchen, ein guter Christ zu sein, ohne Andacht zur Mutter Gottes, als ohne fromme Ergebenheit gegen den Papst, und in beiden Fällen aus dem nämlichen Grund. Sowohl seine Mutter als sein Stellvertreter sind Teile des Evangeliums unseres Herrn.

Der Papst – die sichtbare Gegenwart Jesu

Ich möchte euch bitten, zu dieser Zeit dies recht sehr zu beherzigen. Ich bin überzeugt, daß zum Besten der Religion wichtige Folgen sich aus einer klaren Einsicht ergeben würden, daß die Anhänglichkeit an den Papst ein wesentlicher Teil der christlichen Frömmigkeit ist. Es würde manche Irrtümer verbessern, es würde manche Missverständnisse aufklären, manche Unglücksfälle verhindern. Ich habe immer gesagt, daß das Einzige, was alle Schwierigkeiten klar machen könnte, darin besteht, die Dinge einfach und ausschließlich vom Gesichtspunkt Unseres Herrn zu betrachten. Alle Dinge sollen uns erscheinen, wie sie in Ihm und für Ihn sind. Es gibt manche Schwierigkeiten in unseren Tagen, manche beunruhigende Verwicklungen der Kirche und der Welt; aber wenn wir an diesem Grundsatz festhalten, wenn wir mit einem kindlichen Mut alles für Jesus sind, dann werden wir unseren Weg sicher durch alle Labyrinthe finden und nie das Unglück haben, uns entweder aus Feigheit oder aus Klugheit des Fleisches oder aus Mangel an geistlichem Urteil auf der Seite zu sehen, wo Jesus nicht ist.

Wenn der Papst die sichtbare Gegenwart Jesu ist, der in sich alle geistliche und weltliche Gerichtsbarkeit vereinigt, wie sie der heiligen Menschheit gehört, und wenn die Ergebenheit gegen den Papst ein unerläßliches Element in aller christlichen Heiligkeit bildet, so daß es ohne dieselbe keine echte Frömmigkeit gibt, so ist es für uns von sehr großer Wichtigkeit, darauf zu sehen, wie wir gegen den Statthalter Christi empfinden, und ob unsere gewöhnlichen Gesinnungen gegen ihn dem angemessen sind, was Unser Herr von uns verlangt. Ich wünschte von der Sache vom gottesdienstlichen Gesichtspunkt aus zu sprechen, weil ich diesen für einen sehr wichtigen Gesichtspunkt ansehe. Es gehört zu meinem Amt und zu meiner Stellung, wie es auch meinem Geschmack und meinen Instinkten angemessen ist, den Gegenstand in dieser Weise zu betrachten. In Zeiten des Friedens ist es ganz begreiflich, daß Katholiken sich die Notwendigkeit einer innigen Ergebenheit gegen den Papst als eines wesentlichen Bestandteils der christlichen Frömmigkeit kaum so vorstellen, wie sie sollten. Sie mögen im praktischen Leben zum Gedanken kommen, daß es ihre Pflicht ist, zur Kirche zu gehen, die Sakramente fleißig zu besuchen und ihre Privatandachten zu verrichten. Es mag ihnen dünken, daß sie das nichts angehe, was sie kirchliche Politik nennen. Dies ist natürlich zu allen Zeiten ein trauriger Irrtum und zwar ein Irrtum, durch welchen zu allen Zeiten die Seele leiden muss, so fern es höhere Gnaden und Fortschritte auf dem Wege zur Vollkommenheit betrifft. In jedem Zeitalter ist es ein unveränderlicher Charakterzug der Heiligen gewesen, daß sie eine eifrige und fühlbare fromme Ergebenheit gegen den heiligen Stuhl gehabt haben. Wenn aber unser Los in Zeiten der Unruhe für den obersten Hirten gefallen ist, so werden wir bald finden, daß auf falsche Ansichten vom Papsttum schnell und unfehlbar ein Zerfall der praktischen Frömmigkeit folgt, und ein feiges Benehmen in Beziehung auf den Papst. Wir werden mit Erstaunen entdecken, was für ein enger Zusammenhang stattfindet zwischen hochsinniger Treue gegen ihn und unserer ganzen Hochherzigkeit gegen Gott und auch zwischen Freigebigkeit Gottes gegen uns. Wir müssen, – und es muss dies einen Teil unserer Privatandacht ausmachen, mit Wärme in die Sympathien der Kirche für ihr sichtbares Haupt eingehen, oder Gott wird uns seine Sympathie entziehen. In allen Jahrhunderten, wie in allen Berufsarten wird die Gnade unter gewissen stillschweigenden Bedingungen gegeben. In Zeiten, wo Gott die Kirche in der Person ihres sichtbaren Oberhauptes angreifen läßt, wird man finden, daß die zarte Teilnahme für den heiligen Stuhl eine stillschweigende Bedingung alles Wachstums an Gnade ist.

Die furchtbare Verantwortung des Papstes

Was sind denn die Beweggründe, auf die unsere fromme Hingebung für den Papst sich gründen soll? Zuerst und vor allem auf die Tatsache, daß er der Statthalter Unseres teuersten Herrn ist. Sein Amt ist das vorzüglichste Mittel, durch welches Jesus sich auf Erden sichtbar gemacht hat. In seiner Gerichtsbarkeit ist er für uns wie wenn er Unser Herr selbst wäre. Die furchtbare Verantwortung ferner der Stellung des Papstes ist eine andere Quelle unserer innigen Hingebung für ihn. Kann man über eine so unermeßliche Region der Verantwortlichkeit hinblicken, ohne zu zittern? Millionen von Gewissen hängen von ihm ab. Massen von Berufungen warten auf seine Entscheidung. Die Interessen, mit welchen er zu tun hat, sind von ungemeiner Wichtigkeit, weil sie auf die ewigen Interessen der Seelen abzielen. Die Regierung der Kirche an einem Tage ist fruchtbarer an Folgen, als die Regierung des mächtigsten irdischen Reiches in einem Jahre. Mit was für einem Gewicht muss sich der oberste Hirte den ganzen Tag über auf Gott stützen können! Was für unzählige Eingebungen des heiligen Geistes muss er nicht ängstlich erwarten, um im Lärm der Widersprüche oder in der Dunkelheit der Entfernung die Wahrheit zu unterscheiden? Die Taube, die dem heiligen Gregor ins Ohr flüsterte, was ist sie anderes, als das Sinnbild des Papsttums? Mitten unter diesen riesenmäßigen Anstrengungen, die unter allen irdischen Arbeiten vielleicht die undankbarsten sind und am wenigsten gewürdigt werden, wie rührend ist da die Hilflosigkeit des obersten Hirten, so ähnlich der Hilflosigkeit Unseres geliebten Meisters! Seine Macht ist die Geduld. Seine Majestät ist die Ausdauer. Er ist das Opfer aller irdischen Frechheit und Gottlosigkeit. Er ist wahrhaft der Diener der Diener Gottes. Die Menschen überhäufen ihn mit Hohn und Spott, wie sie seinem Meister ins Gesicht spieen. Sie mögen ihn mit ihren Kriegsleuten verachten, wie Herodes mit seinen Kriegsleuten den Erlöser der Welt verachtete. Sie mögen seine Rechte den augenblicklichen Forderungen ihrer Gemeinheit opfern, wie Pontius Pilatus vor alters Unseren Herrn opferte. Es kann eine Niedertracht in Regierungen geben, deren Tiefen keine Gemeinheit eines einzelnen nahe kommen kann, und gerade in Folge dieser Gemeinheit ist der Statthalter Christi zum Leiden bestimmt. Menschen mit goldenen Kronen beneiden ihn mit der Dornenkrone. Sie mißgönnen ihm die kummervolle Souveränität, für die er sein Leben lassen muss, weil sie das anvertraute Gut seines Meisters ist, nicht sein eigenes Erbe. In jeder kommenden Generation steht Jesus in der Person seines Statthalters vor neuen Pilatus` und neuen Herodes`. Der Vatikan ist größtenteils ein Kalvarienberg. Wer kann alle die rührende Größe seiner Hilflosigkeit sehen, und sie verstehen, wie ein Christ sie versteht, ohne zu Tränen bewegt zu werden?

Wenn wir krank sind, liegt zuweilen ein trauriger Gedanke auf unserem Herzen, daß Unser Herr dieses Kreuz nie dadurch heiligte, daß Er es selbst trug. Aber dafür trug und segnete Er jede Art von leiblichem Schmerz in den unzähligen Leiden und boshaft ausgedachten Grausamkeiten seiner Passion. Allein das hohe Alter fühlte Er nie mit seinen Schwächen. Die Last der Jahre drückte sich nicht auf seinen schönen Zügen aus. Das Licht seines Auges wurde nie trübe. Die frische Männlichkeit seiner Stimme verlor sich niemals. Nicht einmal die ehrenvollen Gebrechen des Alters konnten Ihm nahen. Aber Er läßt sich herab, alt zu sein in seinen hohen Priestern. Seine Statthalter sind meistens niedergebeugt von Jahren. Ich sehe darin einen anderen Beweis seiner Liebe, eine andere Vorsorge für unsere Verschiedenheit der Liebe gegen Ihn. Niemand in Judäa konnte Ihn je mit dieser besonderen Liebe ehren, welche dem hohen Alter zu erweisen gute Menschen sich rühmen. Ehrfurcht vor dem Alter ist einer der schönsten und edelsten Züge der Jugend; aber die Jugend in Judäa konnte sich nie erfreuen, in zärtlicher Unterwürfigkeit Jesu ihre Dienste darzubringen. Aber nun können wir in der Person seines Statthalters, dessen kummervolle Sorgen tausendmal rührender sind, und dessen Misshandlung vielmehr zum Herzen spricht wegen seines Alters, Jesus mit neuen Liebesdiensten nahen. Eine neue Art von Liebe eröffnet sich für den Eifer und den Scharfsinn unserer Zärtlichkeit. Aus dieser Tatsache, aus dem Kampf eines waffenlosen alten Mannes mit der Herrlichkeit, mit den diplomatischen Künsten, und der falschen Weisheit der hochmütigen jungen Geschlechter, wie sie jetzt aufstehen, entspringt gewiß eine andere Quelle für unsere innige Ergebenheit gegen den Papst.

Die Art wie der Papst Gott repräsentiert

Für das Auge des Glaubens kann nichts ehrwürdiger sein, als die Art, wie der Papst Gott repräsentiert. Es ist, als ob der Himmel immer über ihm offen stünde, und das Licht auf ihn herabströme, und als ob er, wie Stephanus, Jesum zur rechten Hand des Vaters stehen sähe, während die Welt ihre Zähne gegen ihn knirscht mit einem Hasse, dessen teuflische Heftigkeit ihr oft selbst ein Wunder sein muss. Aber für das ungläubige Auge ist das Papsttum ein erbärmlicher und verächtlicher Anblick, der nur Hohn und Entrüstung hervorrufen muss. Für diesen verächtlichen Hohn Genugtuung zu leisten, ist der Zweck unserer Andacht. Wir müssen den Statthalter Christi mit einem liebenden Glauben und mit einer vertrauensvollen Hochachtung, die nichts zu kritteln weiß, ehren. Wir sollten uns nicht einen einzigen verunglimpfenden Gedanken, einen einzigen gemeinen Verdacht, eine einzige schwachherzige Zweifelhaftigkeit über etwas erlauben, was entweder seine geistliche oder seine weltliche Souveränität betrifft; denn sogar seine weltliche Fürstenwürde ist ein Teil unserer Religion. Wir dürfen uns nicht die unehrerbietige Untreue gestatten, in ihm und in seinem Amt das, was wir etwa für menschlich ansehen, davon zu unterscheiden, was wir als göttlich anerkennen. Wir müssen ihn mit all` der Hartnäckigkeit, mit all` der Heftigkeit, mit all` der Vollständigkeit, mit all` der Energie verteidigen, mit welcher nur die Liebe ihr Heiliges zu verteidigen weiß. Wir müssen ihm dienen in selbst verleugnendem Gebet, mit einer vollkommenen, innerlichen, herzlichen, freudigen Unterwürfigkeit, und vor allem in diesen abscheulichen Tagen der Vorwürfe und der Gotteslästerungen mit der offensten, ritterlichsten Treue, die keine Scheu und Menschenfurcht kennt. Die Interessen Jesu sind in Gefahr. Wir dürfen weder unentschlossen sein zur rechten Zeit, noch darüber im Irrtum, auf welcher Seite wir stehen. –
aus: Frederick W. Faber, Opferwillige Hingebung an den Papst, 1860, S. 19 – S. 27

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