Das Fest der Reinheit Unserer Lieben Frau: Warum Maria die höchste Reinheit gebührt
Maria ist die Tochter des ewigen Vaters
Wie konnte dieses aber auch anders sein, wenn Maria die Tochter des ewigen Vaters sein sollte, wie er sie auch durch David so nennt: „Höre Tochter, und siehe, und vergiß dein Volk und der König wird nach deiner Schönheit verlangen.“ (Ps. 44) Es ist wohl wahr, der ewige Vater hat Maria als seine Tochter auserwählt und angenommen nur aus Gnade, aber ihre Gnade übertrifft alle Gnade der Heiligen und Niemand ist ihrem göttlichen Sohn ähnlicher als sie, und daher ist ihre Annahme an Kindesstatt erhabener, als die Annahme aller Heiligen und ähnlich der natürlichen Kindschaft Christi. Eben deswegen ist sie auch dem himmlischen Vater ähnlicher, als alle Gerechten, mithin ist sie frei von jeder Makel der Sünde mehr als Alle. –
Wenn die Mutterschaft Mariens auf Erden der göttlichen Vaterschaft sehr ähnlich sein sollte, so war es nötig, sagt der heilige Anselm, daß sie so rein sein musste, daß kein Anderer so rein sein konnte, als sie, außer Gott. „Es ziemte sich“, das sind seine Worte, „daß die Jungfrau von jener Reinigkeit, über die nach Gott keine größere Reinigkeit, über die nach Gott keine größere gedacht werden kann, erglänze, die Gott der Vater seinem eingeborenen Sohn zu geben vor hatte.“ (Lib. De concept. B.V.) Hatte nach der Lehre der Väter Maria das Privilegium, die Erstgeborene des Vaters in der Ordnung der Gnade zu sein, so musste sie auch das Privilegium haben, dem Vater in dem Freisein von jeder Art Sünde ganz ähnlich zu sein. (Nach Pinamonti.)
Maria ist die Mutter des Sohnes Gottes
Es gebührt Mariä auch diese höchste Reinheit, insofern sie die Mutter des Sohnes Gottes ist. Mutter des Heiligsten und nicht selbst ganz heilig sein, wäre ein ungeheures Missverständnis, sagt der heilige Anselm. –
Jesus war seiner Mutter Ehre, Gehorsam und Liebe schuldig. Was wäre es aber für eine Liebe gewesen, wenn er sie nicht vor jeder Sünde bewahrt hätte, da er sie davor bewahren konnte, und Maria jede Sünde, auch die kleinste unendlich verabscheute und hasste. Der heilige Bernardin sagt, daß Christus als Kind seine Mutter mit unendlich mehr Liebe ansieht, als er den ganzen himmlischen Hof anschaut. Wäre es nicht so, so hätte er ja seiner Mutter einen Vorzug versagt, den er den Engeln, seinen Dienern verliehen hat, da er diese so gebildet hat, daß bei ihnen die Natur mit der Gnade im Einklang steht. Das erste sündige Weib hätte die Begünstigung genossen, ganz rein aus den Händen des Schöpfers hervor zu gehen, und Maria, welche jene zweite Eva ist, und die den Ungehorsam und die Nachteile der ersten Eva gut machen sollte, sollte diese Begünstigung nicht erhalten haben? –
Und wo bliebe die von Christus seiner Mutter gebührende Ehre, wenn er zugelassen hätte, daß sie von irgend einer Sünde, wenn auch nur in ihrem ersten Ursprung angesteckt worden wäre? – Wenn Christus endlich seiner göttlichen Mutter Gehorsam schuldig war, wie sollte es zugehen, daß diese Mutter jemals Sklavin des Teufels sein sollte? Vielmehr ist man gezwungen fest zu glauben, daß Jesus, der Sohn Gottes, nie zugegeben hat, daß die Sünde, sowohl die wirkliche als die geerbte, auch nur einen Augenblick im Herzen seiner Mutter gewohnt, dagegen, daß er sie mit der heiligsten, mit der vortrefflichsten, mit der wunderbarsten aller himmlischen Gaben, mit der Gabe der höchsten Reinheit geschmückt hat. (Nach Pinamonti.)
Maria ist die Braut des heiligen Geistes
Der Geist Gottes selbst, die Liebe des allmächtigen Vaters und Sohnes kam leibhaftig in sie, und machte die Königin des Himmels und der Erde zu seiner Braut: sagt der heilige Anselm. Dies voraus gesetzt, wer mag glauben, der göttliche Geist habe sich nicht eine in jeder Beziehung edel Braut wählen wollen? Sie würde jedoch nicht in jeder Beziehung edel gewesen sein, wenn sie einmal eine Sünderin gewesen wäre? Vielmehr ist für gewiß anzunehmen, daß der heilige Geist ihr als Brautgeschenk jede Art von Gnade, mithin ihr auch die unbefleckteste Reinheit verliehen habe. Dies musste auch um so mehr der Fall sein, als mit der erhabenen Würde einer Braut das Amt einer Mittlerin zwischen Gott und den Sündern verbunden war. Wie hätte nun Maria dieses Amt würdig verwalten können, wenn sie einmal gesündigt hätte. Es bleibt demnach über allen Zweifel erhaben, daß die Jungfrau immer ganz schön und ohne Makel gewesen ist. „Ganz schön bist du und keine Makel ist an Dir.“ „Ganz schön“, sagt der heilige Bonaventura, „wegen des Besitzes alles Guten; ohne Makel wegen der Abwesenheit alles Übels.“
Der Vater wollte sie stets heilig haben, weil sie seine Tochter war und seine Liebe auf sie herab stieg; der Sohn wollte sie immer heilig haben, weil sie seine Mutter und weil hier die Liebe steigen muss; der heilige Geist wollte sie immer heilig haben, weil sie seine Braut ist, und weil hier die Liebe ihre volle Wirkung haben muss, nämlich die Vereinigung der Herzen. Niemals fehlte der göttlichen Jungfrau die Unschuld. Sie ist jenes Licht, welches aus des Schöpfers Hand ganz rein und durchsichtig hervor geht und sich immer so erhält. Sie ist jener stets unverfälschte Balsam, de immer den herrlichsten, reinsten Wohlgeruch von sich gibt. Ihre Brust war immer von Lilien umgeben. „Dein Leib ist mit Lilien umgürtet“ (Hohel. 7, 2), um niemals dem ein Ohr zu leihen, der einen Geruch der Unreinigkeit von sich gibt.
Mit dieser von keinem Hauch einer Makel berührten Reinheit hat sie den Sohn Gottes in ihrem Schoß herab gezogen, denn also hörte die heilige Brigitta einstmals den Erlöser zu seiner glorreichen Mutter sprechen: „Meine geehrteste Mutter, du bist die schöne Morgenröte, und bist mit deinem leiblichen Licht der wahren Sonne der Welt voran gegangen, welche keine andere als meine Gottheit ist, und hast sie herab gezogen; eine Sonne, welche nichts dir Gleiches auf Erden fand, so daß sie auf dir ruhte, dich mit ihrer Liebe erwärmte und dich mit ihrem Licht vor allen Geschöpfen erleuchtete. Durch dich also ist die Finsternis der Welt verscheucht worden, und hat der Himmel eine neue Klarheit erhalten. Ich sage es dir unverhohlen, deine Reinigkeit erfreute mich unvergleichlich mehr, als die der reinsten Geister, und sie war der Magnet, der meine Gottheit anzog, damit Gott in deinem Leib empfangen würde, damit die Menschen aus der Finsternis gezogen würden, worin sie versenkt waren, und damit die Engel die Freude bekämen, die sie erwarteten. In Folge dessen sage ich dir und versichere dich, daß nie eine deiner Bitten unerhört bleiben soll, und daß Alle, welche in deinem Namen und durch dich Vergebung von mir verlangen, sie erhalten sollen, wenn sie Missfallen an ihrem Fehler haben.“
So freue dich denn, christliche Seele, daß du eine so reine, makellose jungfräuliche Mutter im Himmel hast, und bitte sie mit kindlichem Vertrauen, daß sie die von Gott die jungfräuliche Reinheit des Leibes und der Seele erhalte, daß sie dir beistehe im Kampf gegen jede Befleckung, und daß sie, solltest du deine Seele befleckt haben, ihren göttlichen Sohn bewege, sie mit seinem kostbarsten Blut zu waschen und zu reinigen. In den Versuchungen gegen die heilige Reinigkeit mögest du dich nachfolgenden Gebetes bedienen, dessen Kraft schon viele Seelen erfahren haben; verrichte es Morgens und Abends.
Gebet.
O meine süße Mutter, heilige Jungfrau Maria! Siehe, ich dein Pflegekind fliehe gegen alle Sünden und Versuchungen unter deinen Schutz. Ich schenke dir meine Augen, meine Ohren, meine Zunge, meine Hände und mein herz, bewahre sie vor jeder Sünde. Hilf mir, o Mutter, daß ich niemals Jesum, deinen Sohn, meinen Gott beleidige. Wenn ich versucht werde, so will ich zu dir rufen und sagen: „Heiligste Jungfrau, ich bin in Versuchung, hilf mir! Ich gehöre Jesu und Maria an, denen ich mich ewiglich geschenkt habe.“
Hierauf bete 3 Ave Maria und sprich:
„Durch deine heilige Jungfräulichkeit und deine unbefleckte Empfängnis, o reinste Jungfrau! Reinige mein Herz und meinen Leib im Namen † des Vaters † des Sohnes und † des heiligen Geistes. Amen. –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Zweiter Teil, 1869, Sp. 2368 – Sp. 2370