Freiheit und Knechtschaft
Papst Gregor VI. (regierte von 1045 bis 1046)
Ein Römer von Geburt und hoch geachtet wegen seiner großen Frömmigkeit und seiner reinen Sitten, hatte er sich zu dem Schritt, Benedikt durch Geldangebot zur Niederlegung seines Amtes zu bewegen, nur deshalb herbeigelassen, weil er nur auf solche Weise Rettung für die Kirche hoffen konnte. Seiner Tugenden wegen wurde er unter der Freude und dem Beifall aller Gutgesinnten auf den päpstlichen Stuhl erhoben. Der strenge Petrus Damiani frohlockte bei der Nachricht von der Wahl Gregors und hoffte, dass unter ihm das goldene Zeitalter der Apostel zurückkehren und die kirchliche Zucht wieder aufblühen werde.
Ein neuerer Schriftsteller schreibt über ihn: „Die Tugend bestieg Petri Stuhl.“ Als Papst war Gregor eifrig darauf bedacht, die Ordnung wieder herzustellen und die Kirchenzucht zu erneuern. In Rom lag alles danieder: die Kirchengüter verschleudert und in weltlichen Händen, die Kirchen in Ruinen, das Verbrechen straflos. Gregor musste um Almosen betteln, um die zerfallene Apostelkirche wieder herzustellen. Das Räuber-Unwesen herrschte überall: die Großen hatten das Kirchengut an sich gerissen, die gewöhnlichen Wegelagerer hatten es auf die Pilger abgesehen, sie plünderten dieselben aus und stahlen selbst die Opfergaben von den Altären weg. (1) Gregor sah sich genötigt, um Gut und Leben der Bewohner zu sichern, ein Heer zu sammeln und sich in Person an die Spitze desselben zu stellen.
Als auf der Synode von Sutri (2) über die Rechtmäßigkeit seiner Wahl Bedenken geäußert wurden (3), aber keiner der Bischöfe über ihn ein Urteil fällen wollte, erhob sich Gregor selbst, legte die päpstlichen Insignien ab und erklärte in seiner Demut, dass er wegen Simonie, deren er sich zwar tatsächlich nicht schuldig gemacht, die ihm aber des Scheines halber vorgeworfen werden konnte, auf die Würde Verzicht leiste und daher freiwillig entsage. (4) Darauf bat er demütig um Verzeihung wegen dessen, was er in guter Absicht zur Rettung der Kirche, aber unwissend gefehlt habe.
Diese wahrhaft hochherzige Handlungsweise ist wohl der glänzendste Beweis, dass Gregor des Papsttums würdig war. Wie edel und lauter die Gesinnung Gregors war, als er Benedikt durch das Angebot einer Geldsumme zur Niederlegung seiner Würde bestimmte, geht aus den Worten hervor, mit denen er vor der ganzen Synode beteuerte: „Ich rufe Gott zum Zeugen wider das Heil meiner Seele an, wenn ich nicht geglaubt habe, dass ich durch diese Handlungsweise mir die Nachlassung meiner Sünden und Gottes Gnade verdiene.“ (5)
Gregor blieb daher auch stets in der römischen Kirche in gesegnetem Andenken.
Da Heinrich III. nach seinem Abgang von Rom neue Verwirrungen befürchtete, nahm er Gregor VI. mit sich nach Deutschland. Ihn begleitete der Kaplan Hildebrand, der nachmalige Papst Gregor VII. Im Jahr 1048 starb er wahrscheinlich in Köln. (6) Um die Kirche von Ärgernissen zu bewahren und ihr den Frieden zu geben, legte er sich selbst auf den Opferaltar. –
aus: Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste, II. Band, 1907, S. 331 – S. 332
(1) Gregor belegte die Räuber der Kirche mit einem Bann. Mit bewaffneten Scharen stellte er die Sicherheit auf den Straßen wieder her, wo die Pilger bisher nur mehr in größeren Gruppen ziehen konnten.
(2) Heinrich, von allen deutschen Herrschern der tatkräftigste und ernstlich bedacht, die Not der Kirche abzuhelfen, erschien im Herbst des Jahres 1046 in Italien und wurde in der Lombardei als König begrüßt. Dann veranstaltete er im Oktober eine Versammlung in Pavia. Von da zog er nach Piacenza, wo er mit Papst Gregor zusammentraf. Beide gingen mitsammen nach Sutri, einem Städtchen unweit von Rom, wohin eine Kirchenversammlung berufen wurde. Hier wurde Silvester III. als unrechtmäßiger Papst seiner kirchlichen Würde entkleidet und in ein Kloster verwiesen… Da Benedikt seiner Würde freiwillig entsagt hatte, brauchte man über ihn nicht weiter zu urteilen.
(3) Man wollte es nicht vergessen, dass der Papst seinen unwürdigen Vorfänger Benedikt IX. durch eine große Geldsumme aus der Kirchenkasse zur Abdankung bewogen hatte. Und so konnte der Papst, obwohl er dabei die beste Absicht hatte, der damaligen tief entarteten Welt nicht wirksam entgegen treten.
(4) Zudem bereute Benedikt IX. bald seine Abdankung und trat, von seinen Verwandten gedrängt und unterstützt, noch einmal als Papst auf. So machten also drei Männer zugleich Anspruch auf den päpstlichen Thron: Benedikt IX., welcher schon abgedankt hatte, Silvester III., welcher ungesetzmäßig gewählt worden war, und Gregor VI., der durch seine Geldbewilligung an Benedikt IX. gefehlt hatte, aber doch von den Besten der Kirche allein für den rechtmäßigen Papst angesehen wurde.
(5) An diesem Tag sprach er in der Versammlung die denkwürdigen Worte: „Ich rufe Gott zum Zeugen an, dass ich glaubte, Gott wird mir verzeihen und seine Gnade geben, da ich durch Geldmittel Benedikt zur Abdankung bewogen habe. Aber jetzt merke ich, dass es eine Täuschung des bösen Feindes war.“ Hierauf stieg er von seinem Thron herab, legte die heiligen Kleider ab und sagte: „Ich Gregor, der Diener der Diener Gottes, glaube, dass ich mich durch die List des bösen Feindes täuschen ließ, indem ich den Heiligen Stuhl bestieg; daher muss ich der höchsten Würde entsagen.“ So wurde der päpstliche Stuhl durch die Großmut und die Selbstverleugnung Gregors VI. erledigt.
(6) wo er im Ruf der Heiligkeit starb. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 381 – S. 383
Bildquellen
- B_Gregor_VI: wikimedia