Die Päpste in Avignon
Das Pontifikat von Papst Clemens VI. (regierte von 1342-1352)
Der Heilige Stuhl blieb nach dem Tode des Papstes Benedikt nur zwölf Tage erledigt. Die Wahlstimmen vereinigten sich am 27. Mai des Jahres 1342 auf den Kardinalpriester Peter Roger. Dieser stammte von vornehmen Eltern und war im Jahre 1291 auf dem Schloss Maumont in der Diözese Limoges geboren. Mit zehn Jahren trat er in den Orden des heiligen Benedikt, wurde Abt und dann Professor auf der berühmten Hochschule zu Paris. Zum Bischof von Arras erhoben, wurde er Ratgeber des Königs, dann Erzbischof von von Sens und Rouen und endlich Kardinal. Gewöhnt an den Luxus, wie er am Hofe herrschte, nahm der Papst die Vorliebe für äußere Pracht mit auf den Heiligen Stuhl.
Dem einfachen stillen Ernst des Papstes Benedikt folgten somit die glänzenden Feste des Papstes Clemens VI., der zehn Jahre und sieben Monate regierte. Größer als der äußere Glanz waren aber das Wohlwollen und der Edelmut des Papstes. Sein Grundsatz lautete: „Der Papst ist nur Papst, auf daß der dem Volk Gutes tue.“ Jene kirchlichen Stellen, welche Papst Benedikt unbesetzt gelassen hatte, um sie nicht an Unwürdige zu vergeben, ließ der neue Papst an arme Geistliche vergeben. „Um recht viele glücklich zu machen, teilte er die Gnaden mit vollen Händen aus“, schreibt Audifio in seiner Papstgeschichte. Clemens war ein großer Kanzelredner, sanftmütig und liebenswürdig und auch in den weltlichen Geschäften ein erfahrener Mann. Bei all seiner Prachtliebe war er auch freigebig gegen die Armen. Die Stadt Rom, die schon so lange von den Päpsten verlassen war, verödete immer mehr, während Avignon durch großartige Bauten des Papstes sich fortwährend verschönerte. Bald erschien bei Papst Clemens auch eine Gesandtschaft aus Rom und bat ihn, für immer nach Rom zurück zu kehren; doch der heilige Vater gab nur ausweichende Antworten.
Den zwischen England und Frankreich wütenden Krieg suchte Clemens zu beendigen, indem er Boten absandte mit dem Auftrag, alles zu versuchen, um Frankreich den Frieden zu geben; er erhielt aber nur die Zusage eines vierjährigen Waffenstillstandes. In den Jahren 1347 und 1348 wütete in Europa die Pest, der sogenannte „Schwarze Tod“, welchen Kaufleute aus dem Morgenland eingeschleppt hatten. Nach der Schilderung eines Geschichtsschreibers soll er furchtbarer gewesen sein als die Pest unter König Pharao in Ägypten, unter David, Ezechias, unter Perikles und unter dem heiligen Papst Gregor I.
Da verbreitete sich unter den unglücklichen Völkern der Glaube, daß die Juden die Brunnen vergiftet und dadurch die große Sterblichkeit verursacht hätten. Die Christen kannten darum in ihrem Zorn über die Juden keine Grenzen mehr und mordeten sie nach Hunderten. Wer nahm sich aber nun der Unschuldigen an und verteidigte sie? Nicht die weltlichen Fürsten, sondern Papst Clemens, der jeden mit der Strafe des Ausschlusses aus der Kirche bedrohte, welcher sie verfolge oder ihnen sonst ein Leid antue. Dazu gab er da Beispiel eines wahren Hirten seiner Gläubigen. Als die Pest in Avignon einzog, floh er nicht, wie so viele andere, sondern blieb in der Mitte seiner Herde, besuchte die Kranken, sorgte für die Armen, denen er seine Ärzte zusendete, ließ die Toten begraben, öffnete die Gnadenschätze der Kirche und erteilte den Krankenwärtern reichliche Ablässe. Um seine Tätigkeit noch weiter auszudehnen, schrieb er Briefe an die einzelnen Bischöfe und Erzbischöfe und ermahnte sie, für das Volk zu beten und zu sorgen. Wirklich gelang es ihm, die christliche Liebe zu den größten Opfern zu entflammen. Besonders zeichneten sich bei dieser Gelegenheit die geistigen Söhne des heiligen Franziskus aus.
Die Pest wütete mit besonderer Heftigkeit in Rom Dort vermehrte das Elend noch ein furchtbares Erdbeben, wie Rom nie ein ähnliches gesehen hatte. Die Kirchen des Lateran und von Maria Schnee und viele Türme stürzten ein. Die Verzweiflung war allgemein. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 548 – S. 550
Infolge der Pest bildeten sich die Geißlerscharen, die Flagellanten. Der gläubige Sinn jener Zeiten sah in dem furchtbaren Übel der Pest eine Strafe Gottes und, um Gott zu versöhnen, griff man zu ernsten Bußübungen. Unter Gebet und Flehen zogen die Büßerscharen, Männer wie Frauen, durch die Orte, den entblößten Rücken mit ihren Geißeln blutig schlagend. Die anfänglich aus löblichem Eifer und Zerknirschung unternommenen Prozessionen arteten aber in der Folge aus und hatte allerlei Unfug im Gefolge, so daß sich Clemens gezwungen sah, mit allem Nachdruck dagegen einzuschreiten. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste III. Band, 1907, S. 477
Frankreich, Neapel und Italien nahmen die Fürsorge des heiligen Vaters in Anspruch, wie wir eben erzählt haben. In Polen strafte er den König Kasimir III., der seine Frau verstoßen und eine andere geheiratet hatte. Den Böhmen gab er eine Hochschule. Gesandte gingen von Avignon nach Griechenland und sogar nach Armenien, um die von Rom getrennten Christen wieder mit der heiligen Kirche auszusöhnen. Auch der Kampf Ludwig dem Bayer dauerte unter diesem Papst fort. –
aus: Chrysostomus Stangl, kath. Weltpriester, Die Statthalter Jesu Christi auf Erden, 1907, S. 550
In Deutschland regierte Ludwig der Bayer, der sich dem Banne zum Trotz immer noch halten konnte. Nun aber machte er sich auch bei den Reichsfürsten verhaßt durch seine Ländergier und besonders durch seine Leichtfertigkeit, mit der er die Margareta Maultasch seinem Sohn Ludwig zur Ehe gab. Ludwig sah ein, daß seine Lage unhaltbar sei und suchte daher in allem Ernst eine Aussöhnung mit dem Papst. Da er aber sich päpstliche Rechte angemaßt und die kirchlichen Strafen verachtet hatte, so verlangte Clemens, daß er sich bis zur endgültigen Entscheidung der Regierungs-Geschäfte in Deutschland enthalte. Clemens berief sich dabei auf das recht, daß bei strittigen Wahlen in Deutschland dem Papst als Verleiher der Kaiserkrone die Entscheidung zustehe. Da der Forderung nicht entsprochen wurde, erneuerte Clemens den Bann und forderte die Kurfürsten zur Wahl eines neuen Königs auf. So wurde von fünf Kurfürsten Karl IV. aus dem Hause Luxemburg (1346) gewählt. Ludwig der Bayer behauptete die Herrschaft, bis er am 11. Oktober 1347 auf der Jagd plötzlich vom Tode dahin gerafft wurde. (*) Er war der letzte deutsche König, über den der Bann verhängt wurde.
In Rom hatte man die päpstlichen Beamten verjagt und wieder einmal die Republik eingeführt. Ein Mann von niedriger Herkunft, der Sohn eines Schenkwirtes und einer Wäscherin, Cola di Rienzo, warf sich zum Volkstribun und Beherrscher der Stadt auf. Anfangs besserten sich unter ihm die Verhältnisse, Ordnung und Sicherheit kehrten zurück. Das Glück verblendete jedoch den Emporkömmling und verleitete ihn zu einem wahnsinnigen Luxus und zu despotischer Grausamkeit. Die allgemeine Unzufriedenheit benutzte Clemens und schickte den Kardinal Bertrand nach Rom, welcher mit Hilfe des Adels den Tribun zur Flucht nötigte. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste III. Band, 1907, S. 477
(*) infolge eines Schlaganfalles, ohne sich mit der Kirche ausgesöhnt zu haben
Am 6. Dezember des Jahres 1352 starb auch Papst Clemens ergeben und mit allen Zeichen großer Frömmigkeit, von den einen ebenso gepriesen und bewundert, wie von den andern geschmäht und gelästert. Sein Grab wurde im Jahre 1562 von den kalvinistischen Irrlehrern zerstört. (Stangl, S. 550)