Mariä Opferung Darbringung im Tempel

Maria Opferung, d. h. Darbringung im Tempel; Maria geht die Stufen hinauf zum Priester, der sie empfängt; hinter ihr ist ihre heilige Mutter Anna, die sie dem Priester darbringt

Mariä Opferung – Darbringung im Tempel

Die Eltern, Joachim und Anna, erkannten wohl, welch hohen Schatz ihnen Gott in dem Gnadenkinde anvertraut hatte und verwendeten alle Sorge auf seine Erziehung…

Nach Legenden und außerbliblischen Überlieferungen, die, einige apokryphische Ausschmückungen abgerechnet, durchaus nicht der geschichtlichen Wahrhaftigkeit entbehren, sollen die Eltern das heilige Kind schon gegen das dritte Jahr in den Tempel gebracht und dort zur Erziehung zurück gelassen haben. Vielleicht hatten sie, wie einst Anna, die Mutter Samuels (1. Kg. 1, 22 28), gelobt, das Kind, wenn es ihnen geschenkt würde, dem Dienste Gottes zu weihen. Solche Gelöbnisse der Eltern, ihre Kinder Gott zu schenken, waren im Gesetz vorgesehen (Vv. 27, 1 2) und in der Tat nicht selten. So wurde Samuel von der Mutter gleich nach der Entwöhnung in den Tempel gebracht (1. Kg. 1, 24). Diese Gott geweihten Kinder wurden wahrscheinlich in Nebengebäuden des Tempels untergebracht (4. Kg. 11, 3; 1. Chr. 9, 27 33), wo sie erzogen und zum Dienste des Tempels verwendet wurden (Ex. 38, 8; 1. Kg. 2, 22; 2. Makk. 3, 29). Es war natürlicher Weise für die Eltern gewiß ein Opfer, das geliebte Kind in dem alter, da die jahrelange elterliche Sorge mit unendlich süßen Freuden an der aufsprossenden Schönheit und an dem erwachenden Sprech- und Denkvermögen und an der erwidernden Liebe Seiten des Kindes belohnt wurde, fremden Händen anzuvertrauen.Aber sie waren heilige Seelen, die mehr Gott und das Wohl des Kindes als ihr Genügen suchten. Für eine große Ehre hielten sie es, ihr Töchterlein im Tempel gleichsam unter den Augen Gottes zu wissen. So brachten sie denn Maria zum Tempel.

Für das Kind Maria, dessen Erkenntnis- und Liebesvermögen durch besondere Gnaden-Einwirkungen weit ihr Lebensalter übertraf, hat diese Übergabe, die wahrscheinlich mit einer religiösen Zeremonie und einem Opfer verbunden war (1. Kg. 1, 24), eine ganz andere Bedeutung als das einfache Eintreten in eine Erziehungsanstalt. Für sie war es ein wirkliches Opfer, die ernste, völlige, unwiderrufliche Hingabe ihrer selbst an Gott mit einer Liebe und Freude, von der wir keinen Begriff haben. Schon im Hause Gottes zu wohnen, ging ihr über alles Glück. Kein Heiliger des Alten Bundes, nicht ihr großer Ahnherr, der königliche Sänger, brannte so vor Verlangen nach den Vorhöfen Gottes (Ps. 83, 3) wie das Herz dieses Kindes, der auserwählten Gottesbraut und angehenden Gottesmutter. Ihr Herz frohlockte in Freude, im Hause Gottes wohnen zu können und hinzutreten in die Nähe des Altars des Herrn, , der ihre Jugend erfreute (Ps. 42, 4). Jubel im Herzen, verschwand sie vor den Augen der geliebten Eltern im Schatten des Heiligtums (Ps. 121, 1ff).

Unzählige Schilderungen haben es versucht, dieses Eintreten in das Heiligtum zu vergegenwärtigen und uns einzuführen in die innere Gesinnung und in die Herrlichkeit der Hingabe des Kindes Maria an Gott. Dieser läßt sie Abschied nehmen von ihren geliebten Eltern (Gaddi in Florenz), und so mag es ja auch geschehen sein; jener zeigt sie schon die Stufen hinauf steigend, mit einer Hand das Kleid zusammen fassend, mit der andern hoch erhoben von ferne das Heiligtum begrüßend (Tizian)…

Maria war also Tempelkind. Und hier ist der Ort, in einigen Zügen den Tempel selbst zu schildern, wo Maria so lange Jahre gelebt hat. Der Tempel stand auf Moria, der östlichen Erhebung der Stadt Jerusalem, wo ihn Salomon gebaut und Zorobabel nach der Rückkehr von Babylon in dürftigen Verhältnissen hergestellt hatte, Herodes aber seit 18 Jahren bemüht war, ihn weit größer und herrlicher auszubauen, als er je gewesen. Das „Allerheiligste“, wo einst die Bundeslade gestanden hatte, lag auf der westlichen Kleinseite des Tempel-Rechtecks gegen die Stadt hin. Es war klein, aber ein Weltwunder an Herrlichkeit und Pracht. Unmittelbar vor dem Allerheiligsten lag gegen Osten hin das „Heilige“, das den siebarmigen goldenen Leuchter, den Rauchaltar und den Schaubrottisch umschloß. Noch weiter gegen Osten fügte sich der Hof der Priester an mit dem großen Opferaltar, und an denselben reihte sich der Hof der Israeliten und der Frauen. Alles endlich umgab von drei Seiten der sog. Heidenvorhof mit den herrlichen Säulenhallen, die nach innen Schmuck- und nach außen Verteidigungs-Werke waren. Alle diese Teile des ungeheuren Bauwerkes waren geschlossen und abgesondert nicht bloß durch Gitter und Trennungs-Mauern, sondern durch Flügel- und Querbauten, die der Tempel-Dienerschaft zur Wohnung angewiesen waren. In einer dieser Bauten wohl waren die Tempelkinder untergebracht.

Hier also verbrachte Maria ihre Jugendjahre, so heilig und vollkommen wie kein anderes Kind. Sie fühlte sich so glücklich und heimisch wie nie im Elternhause, nicht weil das Leben hier bewegter, vornehmer, freudenreicher und großartiger war, sondern wegen der Nähe Gottes. Der Sperling hatte sein Haus gefunden und die Turteltaube ihr Nest in der Nähe der Altäre des Herrn, wo ein Tag besser ist als tausend andere fern von ihnen (Ps. 83, 4 11).Es war aber eine Freude voll Ehrfurcht. Der Ort war ihr heilig, wo die Füße ihrer Väter gestanden und Gott gelobt hatten aus ganzem Herzen, wo einst die Bundeslade thronte, der Sitz Gottes, mitten in seinem Volk (Ps. 121, 2 4 5), der Ort, den nach den Prophezeiungen der Messias betreten sollte (Mal. 3, 1). Mit Ehrfurcht ruhte ihr Blick auf dem goldenen Allerheiligsten. Wie oft mag sie mit bebenden Lippen die Schwellen und Säulen des Priesterhofes geküßt haben! Wie der Dienerin Auge auf die Hand der Herrin, so war ihr Herz im Gebet gerichtet auf den Herrn (Ps. 122, 2). Keine Lampe des Heiligtums brannte so unverdrossen und hell vor dem Angesicht des Herrn, kein Weihrauch-Opfer duftete so süß vor Gott wie die Liebesglut dieses wunderbaren Kindes, kein Gesang, kein Saitenspiel erklang so süß und mächtig wie die Stimme dieses unschuldigen Herzens in fortwährendem Gebet und Lob Gottes. Nach einer Offenbarung, die Maria selbst der heiligen Elisabeth von Thüringen mitgeteilt, war der Inhalt ihrer Gebete erstens die Bitte um Tugenden, um Demut, Geduld und Herzensgüte, die Bitte, das zu hassen und zu lieben, was Gott haßt und liebt, die Bitte, den Nächsten zu lieben und alles, was er liebt; ferner die Fürbitte um Erhaltung des Tempels und des Volkes, um Frieden und Segensfülle für die Stadt Gottes und alle, die glücklichen Tage des Messias zu erleben und seiner Mutter zu dienen… Aber wie Maria der hl. Elisabeth bemerkte, hat sie für jede Tugend bei Gott hart einstehen müssen durch Gebet und Opfer.

Wie der Glaube es lehrt, war es bei Maria eine Wirkung der unbefleckten Empfängnis, daß nie die Regung einer ungeordneten Leidenschaft und nie auch nur der Schatten einer Sünde Eingang fand in ihr Herz. So war Maria ein verständiges, weises, reines bescheidenes und demütiges Kind, die Freude ihrer Vorgesetzten und Gefährtinnen, das Vorbild der vollendetsten Tugend und Heiligkeit in der gewinnendsten und liebenswürdigsten äußeren Erscheinung.

Ihre erste Beschäftigung, wie das Gesetz es forderte (Ps. 118, 97), war das Lesen und Betrachten der Heiligen Schrift. Neben dem natürlichen Erkenntnis-Vermögen, in dem sie nach Maßgabe des Alters und der Entwicklung wirklich belehrt werden und zunehmen konnte, besaß sie von frühester Jugend an ein übernatürliches, eingegossenes Wissen, vermöge dessen sie den Sinn und die Geheimnisse der Heiligen Schrift, der Religion, des Sittengesetzes, die ganze Aufgabe des Alten Bundes als Vorbereitung auf das Reich des Messias und dessen Schicksale im allgemeinen viel besser einsah und verstand als selbst die Priesterschaft, die vor ihren Augen des heiligen Amtes pflegte. Nebenbei wurden die Tempel-Jungfrauen wahrscheinlich zu Dienstleistungen am Heiligtum, zur Reinigung der Tempelgefäße, zur Anfertigung der heiligen Gewänder, zu Gesang und Paukenschlagen bei Festprozessionen heran gezogen (Ex. 15, 20. Ps. 67, 26). So lernte Maria alle feine weibliche Handarbeit, Musik und Gesang. So mag sie wohl mitgearbeitet haben an dem herrlichen Vorhang des Allerhöchsten, der bei dem Tode Jesu zerriß und wahrscheinlich in dieser Zeit angefertigt wurde.

Das Leben, das Maria im Tempel führte, war somit das schönste und heiligste. Es hat kein Jugendleben gegeben, das unter solch glücklichen Umständen heran reifte; im schirmenden Schatten des Heiligtums, umgeben, getragen und genährt von der religiösen Begeisterung eines ganzen Volkes, mitten im Brennpunkt eines herrlichen Gottesdienstes, unter den Augen des Herrn selbst. Ja mehr als alle vorgesetzten Priester und Lehrerinnen nahm sich Gott selbst der Bildung und Erziehung dieses Kindes an… Der Heilige Geist war es wirklich, der das innere Verständnis desjenigen vermittelte, was die Mutter äußerlich lehrte. Er war der eigentliche Lehrmeister dieses königlichen Kindes. In seinem Herzen saß er, der Erzieher und Bildner aller Herzen, und zwar mit mit einer Liebe und Sorgfalt, wie er sie nie einem Wesen geschenkt, und bildete und zierte mit seinem kunstreichen, göttlichen Finger, der über alle Schätze der Gnade verfügte, an der lieblichen äußeren Gestalt, an dem Verstand und dem herzen dieses Mägdleins. Und er fand bereitwilliges Entgegenkommen, wunderbares Verständnis und liebendes Eingehen auf alle Lehren und Unterweisungen.

So war des Fortschreiten Marias ein schönes und herzerfreuendes vor Gott und den Menschen. Gottes Wohlgefallen ruhte auf dem Kinde. Und dieses Wohlgefallen war die Quelle von stets neuen und wunderbaren Gaben und Gnaden, nicht bloß zur persönlichen Heiligung, sondern nach dem Plane Gottes zur Vorbereitung auf die göttliche Mutterschaft. Die Würde der Gottesmutter konnte Maria nicht verdienen, sie konnte sich nur darauf vorbereiten. Die Vorbereitung selbst aber verdiente sie durch ihr treues Mitwirken an der Gnade, die sie so reichlich empfing, und durch ihre herrlichen Tugenden. Durch dieselben bildete sie sich zu einer würdigen Gottesmutter heran. Die Aufgabe dieses Kindes war nicht eine persönliche und örtlich beschränkte, nicht wie bei mancher ihrer Ahnfrauen das Wohl einer Familie, die Erhaltung des Volkes, sondern das Heil des ganzen Menschengeschlechtes. Ihr Herz war von Jugend auf groß angelegt, weiter als das Meer und weiter als Salomon umfaßte es in seinen Gedanken das ganze Menschengeschlecht. Fürstlich und königlich waren die Schritte dieser Königstochter von Anbeginn (Hl. 7, 1). –
aus: Moritz Meschler SJ, Unsere Liebe Frau, Ihr tugendliches Leben und seliges Sterben, 1913, S. 27 – S. 36

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