Herz Jesu Gegenliebe und Sühneleistung

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Porträt des Papstes Pius XI Er schaut nach rechts, ernst und vornehm

Pius XI. – Miserentissimus Redemptor

Auszug aus dem Rundschreiben

Gegenliebe und Sühneleistung

Sühne und Tröstung

127 Zu all diesen Diensten, besonders auch zu jener mit soviel Seelenfrucht gesegneten Weihe, wie sie das feierliche Königsfest geradezu verbürgt hat, muss aber noch etwas hinzukommen. Und darüber möchten Wir, ehrwürdige Mitbrüder, etwas ausführlicher mit Euch reden. Wir denken an die Dienstespflicht gerechter Genugtuung oder Sühne, die dem Heiligsten Herzen Jesu zu leisten ist. Gewiss, bei der Weihe kommt es zuerst und vorzüglich darauf an, dass man als Geschöpf dem Schöpfer Liebe mit Liebe vergelte. Daraus folgt aber von selbst ein Zweites. Sollte etwa einmal Vergessenheit die unerschaffene Liebe vernachlässigt oder Frevel sie je verletzt haben: das so oder so zugefügte Unrecht muss gutgemacht werden. Eine Pflicht, wofür der landläufige Ausdruck eben „Sühne“ heißt.

128 Zu beidem, zu Gegenliebe und Sühneleistung, drängen uns ganz die gleichen Gedanken. Aber zu letzterer verpflichtet uns ein viel stärkerer Rechts- und Liebesgrund. Ein Rechtsgrund: Die Gott durch unsere Missetaten zugefügten Frevel müssen gesühnt, die gestörte Ordnung muss durch Buße wiederhergestellt werden. Ein Liebesgrund: Wir wollen mit dem leidenden und „schmachgesättigten“ Christus „Mitleid hegen“ und ihn nach unsern schwachen Kräften ein wenig trösten. Wir sind ja alle Sünder und mit vieler Schuld beladen. Freilich müssen wir seiner höchsten Majestät anbetend huldigen, seine Oberherrschaft betend anerkennen, seine unendliche Freigebigkeit dankend preisen. Aber mit einer solchen Gott erwiesenen Verehrung ist es nicht getan. Als dem gerechten Richter müssen wir Gott auch Genugtuung leisten „Für unsere unzähligen Sünden, Fehler und Nachlässigkeiten“. Durch die Weihe werden wir Gott geopfert und heißen wir „Gottgeweihte“; Heiligkeit und Beharrlichkeit gehören ja nach der Lehre des hl. Thomas von Aquin zur Eigenart der Weihe. Zu ihr muss die Sühne hinzukommen, die unsere Sünden völlig tilgt, sonst könnte der in seiner Gerechtigkeit Allheilige unsere empörende Unwürdigkeit abprallen lassen und unsere Gabe als etwas ihm Unerwünschtes abweisen, statt sie gnädig anzunehmen.

Sühnepflicht

129 Diese Sühnepflicht aber obliegt der ganzen Menschheit. Denn, so lehrt uns der christkatholische Glaube, seit dem beklagenswerten Sündenfall Adams ist die ganze Menschheit durch Erbschuld vergiftet, böser Begierlichkeit anheim gefallen und kläglich verdorben. Sie hätte in ewiges Elend hinein verstoßen werden müssen. Stolze Geister unserer Tage wollen das zwar nicht wahrhaben. Sie nehmen den alten Irrtum des Pelagius wieder auf und machen viel Rühmens von einer angeborenen Anlage der Menschennatur, dank derer sie sich aus eigener Kraft immer höher entwickle. Doch die falschen Gedanken menschlichen Stolzes weist der Apostel zurück, indem er uns daran erinnert, dass wir von Natur Kinder des Zornes waren. In Wirklichkeit haben schon von Anfang an die Menschen jene allgemeine Sühnepflicht in etwa anerkannt und durch eine Art von natürlichem Gefühl veranlasst, Gott durch Opfer, ja durch öffentliche Opfer, versöhnen wollen.

130 Aber keine geschaffene Kraft reichte aus, die Sünden der Menschheit zu sühnen, hätte nicht Gottes Sohn zur Sühne die menschliche Natur angenommen. Das hat der Menschen-Heiland selbst durch den Mund des heiligen Sängers verkündet: Du wolltest keine Opfer und auch keine Gaben; so schufest du mir einen Leib. An Brand- und Sündopfern hast du kein Gefallen. Da sprach ich: Siehe, ich komme. In der Tat: Unsere Leiden hat er getragen, und unsere Schmerzen hat er auf sich genommen… er ward durchbohrt wegen unserer Sünden. Und er trug an seinem Leibe unsere Sünden selber auf das Holz…; den gegen uns gerichteten Schuldschein, der uns belastete, setzte er außer Kraft und löschte ihn, indem er ihn ans Kreuz heftete…; der Sünde abgestorben sollen, wir der Gerechtigkeit nun leben.

131 Gewiss, die überreiche Erlösung Christi hat uns alle Missetaten vergeben. Indes, so fügte es wundersam die göttliche Weisheit, was an den Leiden Christi noch fehlt, sollen wir in unserem Fleische ersetzen zugunsten seines Leibes, d. h. der Kirche. Darum können, ja sollen wir zu den Lobpreisungen und Genugtuungen, die „Christus namens der Sünder Gott darbringt“, unser eigenes Loben und Genugtuung hinzufügen. Stets aber müssen wir dabei dessen eingedenk sein, dass alle Sühnekraft einzig vom blutigen Opfer Christi abhängt, das ohne Unterlass auf unseren Altären in unblutiger Weise erneuert wird. Denn „es ist eine und dieselbe Opfergabe, ein und derselbe, der jetzt durch den Dienst der Priester opfert, der sich damals selbst am Kreuze opferte; nur die Art des Opferns ist verschieden“. Deshalb soll sich mit diesem hehren eucharistischen Opfer das Opfern der Priester und das der andern Christgläubigen verbinden; denn auch sie müssen sich als ein lebendiges, heiliges und Gott gefälliges Opfer Gott darbringen. Ja, der hl. Cyprian trägt kein Bedenken zu behaupten, „das Opfer des Herrn werde nicht mit der angemessenen Heilsamkeit gefeiert, wenn unser Schenken und Opfern nicht dem Leiden entspreche“. Darum mahnt der Apostel, dass wir, Jesu Todesleiden allezeit an unserem Leibe tragend und, mit ihm begraben und durch ein Sterben, das dem seinen ähnlich ist, in lebendige Verbindung mit ihm gekommen, unser Fleisch kreuzigen mitsamt den Leidenschaften und Lüsten, so entrinnend der Verderbnis, die in der Welt aus böser Lust entspringt. Es soll aber auch Jesu Leben an unserem Leibe sichtbar werden, und wir sollen, seinem ewigen Priestertum nahe verbunden, Gaben und Opfer darbringen für, die Sünden.

Der Geist der Sühneleistung

135 Tatsächlich nahm der Geist der Sühneleistung immer die erste und vorzüglichste Stelle ein in der Verehrung des Heiligsten Herzens Jesu. Nichts passt besser zu Ursprung, Eigenart, Kraft und Tugendübung dieser Andachtsform. Das bestätigen Geschichte und Leben, Liturgie und päpstliche Weisungen. Als Christus der Margareta Maria erschien, offenbarte er ihr die Größe seiner Liebe und klagte wehmütig über viel bitteres, brennendes Unrecht undankbarer Menschen. Möchten doch seine Worte in gläubigen Seelen fest haften bleiben und nie vergessen werden! Er sprach: „Siehe da dieses Herz, das die Menschen so sehr liebte und mit lauter Wohltaten überhäufte. Als Lohn für seine maßlose Liebe widerfuhr ihm Lauheit und Schimpf, und zwar mitunter sogar von Seelen, die eigentlich zum schuldigen Dienst besonderer Liebe gehalten wären.“

136 Um diese Schuld abzutragen, empfahl er unter anderem als seinen Herzenswunsch, im Willen zur Sühne am Tische des Herrn niederzuknien, in der sogenannten „Sühnekommunion“, und Sühnegebete und -andachten eine volle Stunde hindurch (man nennt sie mit Recht die Heilige Stunde) zu halten. Diese frommen Übungen hat die Kirche nicht nur gutgeheißen, sondern auch mit reichen Gnadenerweisen gesegnet.

137 Aber wie können denn solcherlei Sühneakte Christus in seiner Seligkeit als himmlischen König trösten? Da möchten wir antworten mit dem hier gut angebrachten Worte des hl. Augustinus: „Denk dir einen Liebenden, er versteht, was ich sage“.

Überschaut nämlich jemand, der Gott von Herzen lieb hat, den geschichtlichen Verlauf der Welt, so sieht und betrachtet er Christus, wie er sich für den Menschen abmüht, Schmerzen leidet, alles Harte trägt, wie er „wegen uns Menschen und wegen unseres Heiles“ vor Trauer, Angst und Schimpf fast erdrückt, ja zermalmt ist wegen unserer Frevel und vermöge seiner Striemen uns gesund macht. All dies, was ein frommes Gemüt schaut, ist gewiss wahr. Denn aller Zeiten Menschen-Sünden und -frevel waren die Ursache für die Hinrichtung des Gottessohnes. Die Sünden würden Christus heute nochmals einen ebenso schmerzlichen und wehen Tod bringen; jede von ihnen ist, als ob sie das Leiden des Herrn erneuere: Sie haben, soweit es auf sie ankommt, den Gottessohn aufs neue gekreuzigt und ihn zum Gespött gemacht. Unsere Sünden lagen in der Zukunft, waren aber vorausgesehen; auch ihretwegen wurde Christi Seele todtraurig. Unsere Sühne sah er gleichfalls voraus; wer dürfte zweifeln, dass er auch aus ihr sich etwas Trost holte, schon damals, als vom Himmel ihm ein Engel erschien, um sein von Ekel und Angst gepeinigtes Herz zu trösten? Tatsächlich können und sollen wir so sein heiliges Herz, das von Sünden des Undanks immerfort verwundet wird, auch jetzt wundersam und doch wahrhaftig trösten. Wie wir auch in der heiligen Liturgie lesen, klagt ja Christus darüber, dass seine Freunde ihn verlassen haben, mit den Worten des Psalmisten: Schmach bricht mir das Herz und Jammer; ich hoffe auf Mitleid, aber vergebens; auf Tröster, und finde keinen.

Unglaubliche Unkenntnis der Religion

140 Aber noch mehr zu beklagen ist es, ehrwürdige Mitbrüder, dass selbst unter den Gläubigen, die in der Taufe durch das Blut des unbefleckten Lammes abgewaschen und mit Gnade reich beschenkt wurden, so viele Leute jeden Standes sich finden, die an unglaublicher Unkenntnis der Religion kranken und sich von falschen Lehren anstecken lassen. Ihr Leben verstrickt sich in Sünde. Fern vom Vaterhause tragen sie schwer am Leben. Kein Strahl von wahrem Glauben leuchtet hinein. Keine Hoffnung auf kommende Seligkeit bringt etwas Freude. Kein Funke von Liebe gibt Trost und Wärme. Wahrhaftig, man sieht es ihnen an: sie sitzen in Finsternis und Todesschatten. Und weiter, bei den Gläubigen reißt immer mehr die Gewohnheit ein, um kirchliche Zucht und altehrwürdige Ordnungen, die das ganze Christenleben tragen, die häusliche Gemeinschaft regeln, die Heiligkeit der Ehe schützen, sich nicht zu kümmern. Die Kindererziehung wird arg vernachlässigt oder vor lauter weichlichem Getue um ihre Kraft betrogen; der Kirche wird sogar die Möglichkeit genommen, die Jugend christlich zu erziehen. Es ist zum Weinen, wie man im Leben und, zumal unter Frauen, im Verhalten christliches Schamgefühl vergisst. Gier nach Flitter lässt alle Zügel schleifen. Politisches überspannt man. Nach Volksgunst hascht man gewissenlos. Rechtmäßige Gewalt lehnt man ab. Das Wort Gottes schätzt man gering; und so bringt man den Glauben ins Wanken oder in die nächste Gefahr.

141 All dieses Elend aber machen einige zum Überfließen voll mit ihrer feigen Schlaffheit. Im Glauben schwankend, lassen sie wie die schläfrigen, fliehenden Jünger Christus jämmerlich im Stich, indes er vor Angst erdrückt oder von Teufelsknechten umstellt ist. Und nun gar die Treulosigkeit bei anderen! Dem Judas schauen sie seinen Verrat ab. In gottesräuberischem Frevelsinn treten sie an den Opferaltar. Oder sie laufen ins feindliche Lager hinüber. So kommt einem unwillkürlich in den Sinn, die Zeiten seien jetzt im Heranrücken, von denen unser Herr geweissagt hat: Weil die Bosheit übergroß geworden, wird in vielen die Liebe erkalten.

Christi Ehre wiederherstellen

142 Wer immer das gläubig und fromm überdenkt, der kann nicht anders: In brennender Liebe zu Christus, dem Schmerzensmann, wird er mit dringlicherem Eifer seine und fremde Schuld sühnen, Christi Ehre wiederherstellen, das ewige Heil der Seelen fördern. Der Apostel sagt: Als die Sünde sich gehäuft hatte, da ward die Gnade noch viel mächtiger.[51] Dieses Wort passt recht wohl zum Bilde unserer heutigen Zeit. Es ist freilich die Schlechtigkeit der Menschen hoch angewachsen. Gewachsen ist aber auch wundersam unter dem Antrieb des Heiligen Geistes die Zahl der Gläubigen beiderlei Geschlechtes, die mit der ganzen Schwungkraft ihrer Seele dem göttlichen Herzen für die vielen erlittenen Unbilden genugtun wollen, ja sogar ihre eigene Person ohne Zaudern Christus als Opfer hinschenken. Sinnt einer mit liebender Seele nach über das, was wir bis jetzt sagten, und hält er es tiefinnerlich fest, so muss er sicher dahin kommen, dass er sich mit Abscheu von jeder Sünde als dem größten Übel freihält. Dann wird er sich ganz Gottes Willen überlassen. Er wird sich aufraffen, um die verletzte Ehre der göttlichen Majestät wiederherzustellen durch ständiges Beten, besonders durch Abtötungen, die er freiwillig auf sich nimmt, durch geduldiges Tragen der Prüfungen, die etwa über ihn kommen, und schließlich durch sein Leben, das er ganz unter diesen Sühnegedanken stellt. –
aus: A. Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., 1953, S. 90 – S. 98

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