Christus ist der Stifter des Leibes

Hut, bischöflicher Krummstab, Kleidungsstücke eines Papstes

Mystici corporis Christi

Die Kirche, der geheimnisvolle Leib Christi

Enzyklika von Papst Pius XII. v. 29. Juni 1943

Porträt von Pius XII. in seiner päpstlichen Kleidung, ernst schaut er mit seiner Brille

Erster Teil: Die Kirche als der Mystische Leib Christi

II. Die Kirche als Leib „Christi“

772 Aus den bisherigen Erklärungen sehen wir, Ehrwürdige Brüder, daß die Kirche derart gestaltet ist, daß man sie einem Leib vergleichen kann; nunmehr müssen wir deutlich und genau darlegen, warum sie nicht ein beliebiger Leib, sondern der Leib Jesu Christi genannt werden muss. Das aber geht daraus hervor, daß unser Herr Schöpfer, Haupt, Erhalter und Erlöser dieses Mystischen Leibes ist.

Christus als „Stifter” dieses Leibes

773 Während Wir in Kürze auseinandersetzen wollen, auf welche Weise Christus den Leib seiner Gemeinschaft gebildet hat, bietet sich Uns zu Beginn folgender Ausspruch Leos XIII., Unseres Vorgängers seligen Angedenkens dar: ”Die Kirche, die bereits vorher empfangen, aus der Seite des zweiten, am Kreuze gleichsam schlummernden Adam hervor gegangen war, trat zum ersten Mal in erkennbarer Weise ans Licht der Welt am hochheiligen Pfingstfest” (Leo XIII., Rundschreiben Divinum illud vom 9. Mai 1897. ASS XXIX (1897) 649). Der göttliche Erlöser begann nämlich den Bau des mystischen Tempels seiner Kirche damals, als er predigend seine Gebote verkündete; er vollendete ihn dann, als er verherrlicht am Kreuz hing, und offenbarte und übergab ihn schließlich der Öffentlichkeit, als er seinen Jüngern in sichtbarer Weise den Heiligen Geist als Tröster sandte.

1. Durch die Predigt der frohen Botschaft

774 Während er nämlich das Amt des Predigers ausübte, wählte er die Apostel und sandte sie aus, wie er selber vom Vater gesandt war (Vgl. Joh. 22,18), als Lehrer, als Lenker und als Spender der Heiligkeit inmitten der Gläubigen. Er bestimmte ihr Haupt und seinen Stellvertreter auf Erden (Vgl. Matth. 16,18-19), offenbarte ihnen alles, was er vom Vater gehört hatte (Joh 15,15), ordnete die Taufe an (vgl. Joh 3,5), durch welche die Gläubigen dem Leib der Kirche eingegliedert werden sollten. Schließlich, am Abend Seines Lebens angelangt, setzte er die Heiligste Eucharistie, als wunderbares Opfer und wunderbares Sakrament ein.

2. Durch sein Leiden am Kreuz

775 Daß Christus sein Werk am Kreuzesstamm vollendet hat, versichern in ununterbrochener Reihenfolge die Zeugnisse der heiligen Väter, die darauf hinweisen, daß die Kirche am Kreuz aus der Seite des Erlösers geboren worden sei als neue Eva und Mutter aller Lebendigen (Vgl. Gen. 3,20). Wo der große Ambrosius von der durchbohrten Seite Christi spricht, führt er aus : ”Jetzt wird sie gebaut, jetzt gestaltet, jetzt … gebildet, und jetzt erschaffen… . Jetzt erhebt sich der geistliche Bau zum heiligen Priestertum” (Ambrosius, in Lucam II, 87. PL 15, 1585). Wer in diese verehrungswürdige Lehre frommen Sinnes eindringt, wird leicht die Gründe erkennen, auf die sie sich stützt.

a) zur Stiftung des Neuen Bundes

776 Fürs erste nämlich folgte auf den durch den Tod des Erlösers aufgehobenen Alten Bund der Neue. Damals wurde das Gesetz Christi mit seinen Geheimnissen, Satzungen, Einrichtungen und heiligen Bräuchen für den ganzen Erdkreis im Blute Christi besiegelt. Denn während der göttliche Erlöser noch in den engen Grenzen seines Landes predigte – er war ja nur zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel gesandt (Vgl. Matth. 15,24) – liefen Gesetz und Evangelium nebeneinander her (Vgl. Thomas von Aquin, Sum. Theol. I – II q. 103, a. 3, ad 2). Doch am Stamm des Kreuzes hob Jesus durch seinen Tod das Gesetz mit seinen Vorschriften auf (vgl. Eph. 2,15), heftete den Schuldschein des Alten Bundes ans Kreuz (Vgl. Kol. 2,14), und gründete in Seinem Blut, das er für das gesamte Menschengeschlecht vergoss, den Neuen Bund (Vgl. Matth 26,28; 1. Kor. 11,25). „Derart augenblicklich”, so sagt der heilige Leo der Große, wo er vom Kreuz des Herrn spricht, „wurde der Übergang vom Gesetz zum Evangelium, von der Synagoge zur Kirche, von der Vielfalt der Opfer zum einzigen Opfer bewerkstelligt, daß, als unser Herr seinen Geist aufgab, jener geheimnisvolle Vorhang, der das verborgene, innerste Heiligtum des Tempels abschloss, plötzlich gewaltsam von oben bis unten zerriss” (Leo Magnus, Sermo LXVIII 3. PL 54, 374).

b) zur Versöhnung der Menschheit mit Gott

777 Am Kreuz also starb das alte Gesetz, das bald begraben und todbringend werden sollte (Vgl. Hieronymus, Epist. CXII 14 et CXVI 16. PL 22I, 924 und 943; Thomas von Aquin, Sum. theol. I – II q. 103, a. 3 ad 2; a. 4 ad 1; Konzil von Florenz: pro Jacobitis. Denzinger Nr. 712), um dem Neuen Bund Platz zu machen, zu dessen geeigneten Dienern Christus die Apostel erwählt hatte (vgl. 2. Kor. 3,6). In der Kraft des Kreuzes übt unser Heiland, obwohl schon im Schoß der Jungfrau zum Haupt der gesamten Menschenfamilie bestellt, das Amt des Hauptes in seiner Kirche in vollem Umfang aus. „Denn durch den Sieg des Kreuzes verdiente er sich” nach der Ansicht des engelgleichen, allgemeinen Lehrers, „die Macht und Herrschaft über die Völker” (Thomas von Aquin, Sum. theol. III q. 42, a. 1). Durch diesen Sieg vermehrte er für uns ins Unermessliche jenen Gnadenschatz, den er glorreich im Himmel regierend seinen sterblichen Gliedern unaufhörlich austeilt. Durch sein am Kreuz vergossenes Blut beseitigte er das Hemmnis des göttlichen Zornes, so daß aus den Quellen des Heilandes alle Gaben des Himmels, zumal die heiligen Sakramente des Neuen und Ewigen Bundes zum Heil der Menschen, besonders der Gläubigen, erfließen konnten. Am Kreuzesbaum erkaufte er sich schließlich seine Kirche, das heißt alle Glieder Seines Geheimnisvollen Leibes, die durch das Bad der Taufe diesem Mystischen Leibe einzig eingegliedert werden konnten durch die heilbringende Kraft des Kreuzes, an dem sie schon in vollstem Maße Christus zu eigen geworden waren.

c) zur Begnadigung aller Erlösten

778 Wenn nun unser Erlöser durch seinen Tod im Vollsinn des Wortes Haupt der Kirche geworden ist, dann wurde der Kirche auch durch sein Blut die Fülle des Heiligen Geistes mitgeteilt, durch die sie seit der Erhebung und Verherrlichung des Menschensohnes am Kreuze auf göttliche Weise erleuchtet wird. Bis dahin nämlich, so bemerkt Augustinus (Vgl. Augustinus, De gratia Christi et peccato originali, XXV 29. PL 44, 400), war der Gnadentau des Trösters nur auf Gedeons Vlies, das heißt auf das Volk Israel, herab gestiegen. Jetzt aber, als der Tempelvorhang zerriss, überströmte er in reicher Fülle, während das Vlies trocken und verlassen blieb, die gesamte Erde, das heißt die Katholische Kirche, die durch keine Schranken weder der Stammes – noch der Landeszugehörigkeit begrenzt werden – sollte. Wie also im ersten Augenblick der Menschwerdung der Sohn des Ewigen Vaters die mit ihm wesensvereinigte Menschennatur mit dem Vollmaß des Heiligen Geistes ausstattete, damit sie ein geeignetes Werkzeug der Gottheit beim blutigen Erlösungswerk würde, so wollte er in der Stunde Seines kostbaren Todes seine Kirche durch reichere Gaben des Trösters bereichert sehen, damit sie beim Austeilen der göttlichen Erlösungs-Früchte ein fähiges, niemals versagendes Werkzeug des fleischgewordenen Wortes würde. Die rechtliche Sendung der Kirche nämlich und ihre Befugnis zu lehren, zu leiten und die Sakramente zu spenden, besitzen deshalb die himmlische Kraft und Gewalt, Christi Leib aufzubauen, weil Christus Jesus am Kreuz seiner Kirche den Quell göttlicher Gaben eröffnete. So ward sie instand gesetzt, den Menschen eine stets unfehlbare Lehre zu künden, sie durch die von Gott erleuchteten Hirten heilbringend zu leiten und mit himmlischen Gnaden zu überschütten.
Wenn wir alle diese Geheimnisse des Kreuzes aufmerksam betrachten, sind uns die Worte des Apostels an die Epheser nicht mehr dunkel, Christus habe durch sein Blut die Juden und die Heiden vereint, „da er in Seinem Fleische die Scheidewand niederriss”, die beide Völker trennte; er habe zugleich das Alte Gesetz aufgehoben, „um aus den zweien in seiner Person einen neuen Menschen zu schaffen”, das heißt die Kirche,“und beide in einem Leib mit Gott zu versöhnen durch sein Kreuz” (vgl. Eph. 2,14-16) .

3. Durch die Sendung des Heiligen Geistes

779 So hatte er also die Kirche durch sein Blut gegründet. Am Pfingstfeste aber stärkte er sie mit der ihr eigenen Kraft vom Himmel. Denn als er den schon früher zu Seinem Stellvertreter bestimmten Apostelfürsten feierlich in sein erhabenes Amt eingesetzt hatte, war er zum Himmel gefahren und wollte nunmehr, sitzend zur Rechten des Vaters, seine Braut durch die sichtbare Herabkunft des Heiligen Geistes unter dem Brausen eines gewaltigen Sturmes und unter feurigen Zungen (vgl. Apg. 2,1-4) offenbaren und kundmachen. Christus der Herr war ja selber beim Beginn seiner Lehrtätigkeit von Seinem Ewigen Vater durch den Heiligen Geist, Der in leiblicher Gestalt gleich einer Taube herabkam und über ihm blieb (vgl. Luk. 3,22; Mark. 1,10), geoffenbart worden. So sandte nun auch er, als die Apostel ihr heiliges Predigtamt antreten sollten, seinen Geist vom Himmel herab, Der sie mittels feuriger Zungen berührte und auf die übernatürliche Sendung und das übernatürliche Amt der Kirche wie mit göttlichem Finger hinweisen sollte. –
aus: Anton Rohrbasser, Heilslehre der Kirche, Dokumente von Pius IX. bis Pius XII., 1953, S. 479 – S. 483

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