Pius XII. Allokution Si Diligis (1954)

Tiara des Papstes, Bischofsstab, Schlüssel

Allokution Si Diligis – Heiligsprechung des Heiligen Pius X.

Papst Pius XII. – 1954

Pius XII über die religiöse Toleranz: Porträt

Von Papst Pius XII. an die Kardinäle, Erzbischöfe und Bischöfe gerichtet, die anlässlich der Heiligsprechung des heiligen Pius X. nach Rom gekommen waren. Die Allokution wurde bei einer Sonderaudienz am 31. Mai 1954 verlesen.

Ehrwürdige Brüder,

„Wenn du liebst …, dann weide.“ Diese Worte, die ein Gebot unseres göttlichen Erlösers an den Apostel Petrus sind, stehen am Anfang der Messe zu Ehren eines oder mehrerer Päpste. Sie zeigen deutlich die Bedeutung der apostolischen Arbeit, ihre hohe Tugend und den Grund für ihr Verdienst.

Jesus Christus ist der ewige Hohepriester und Hirte der Seelen, der um unseretwillen gelehrt, gewirkt und viel gelitten hat. Pius X., Bischof von Rom, den wir mit großer Freude in die Liste der Heiligen aufnehmen durften, folgte den Spuren seines göttlichen Meisters und nahm dieses Gebot von den Lippen Christi auf und erfüllte es mit Nachdruck:

Er liebte und weidete. Er liebte Christus und weidete seine Herde. Er schöpfte reichlich aus den himmlischen Schätzen, die unser barmherziger Erlöser auf die Erde gebracht hatte, und verteilte sie reichlich an die Herde: nämlich die Nahrung der Wahrheit, die himmlischen Geheimnisse, die freigebige Gnade des eucharistischen Sakraments und Opfers, die Nächstenliebe, den Ernst des Regierens, die Tapferkeit der Verteidigung. Er gab alles von sich selbst und von dem, was der Urheber und Geber alles Guten ihm geschenkt hatte.

Eure Anwesenheit in Rom, ehrwürdige Brüder, und Eure Teilnahme an diesen feierlichen Zeremonien erfreuen Uns. Ihr seid gekommen, um gemeinsam mit Uns einem Bischof der Stadt Rom, dessen Leben der Ruhm der ganzen Kirche war, Bewunderung und Ehre zu erweisen und um dem allmächtigen Gott für diejenigen zu danken, die seine väterliche Barmherzigkeit mit einer großen Fülle von Wohltaten durch diesen Papst zum Heil geführt hat.

Und nun, geliebte Brüder, da wir unter euch stehen, die ihr aus allen Teilen der Welt zusammengekommen seid, ist Unser Herz überglücklich. Wir, das heißt der Vikar Christi, der auch ein „Alter“ unter euch „Alten“ ist. Was Wir euch zu sagen haben, wollen Wir zunächst mit Worten aus dem soeben zitierten Brief des ersten Papstes und Apostelfürsten selbst zusammenfassen: „Die Alten also, die unter euch sind, bitte ich, der ich selbst auch ein Alter und Zeuge der Leiden Christi bin

… weidet die Herde Gottes, die unter euch ist, und hütet sie nicht aus Zwang, sondern aus freien Stücken, wie es Gott gefällt … und seid der Herde ein Vorbild von Herzen“ (vgl. 1. Petr. 5,1-3). Diese Worte haben denselben Sinn wie der göttliche Ausspruch: „Wenn ihr liebt, dann weidet!“, das die Hirten zu aktiver Nächstenliebe in ihrem Dienst ermutigt.

Wir wollen kurz ausführen, was Wir soeben mit den Worten des seligen Petrus zusammengefasst haben.

Die Sorge um die ganze Kirche und die tägliche Wachsamkeit, die Unser höchstes Amt von Uns verlangt, zwingen Uns, bestimmte Gedanken, Gefühle und Handlungsweisen zu erwägen und abzuwägen. Wir machen euch darauf aufmerksam und bitten euch, eure wachsame Sorge mit der Unsrigen zu vereinen, um so schneller und wirksamer für die Bedürfnisse der Herde Christi zu sorgen. Es gibt offensichtlich die Symptome und Auswirkungen einer gewissen geistlichen Ansteckung, die eurer seelsorgerischen Fürsorge bedürfen, damit sie sich nicht ausbreiten, sondern rechtzeitig behoben und ausgerottet werden können.

Unser Ziel wird am besten erreicht, wenn Wir das dreifache Amt und Privileg erläutern, das euch, den Nachfolgern der Apostel, durch göttliche Einsetzung unter der Autorität des Römischen Papstes zukommt (vgl. can. 329): nämlich das des Lehrers, des Priesters und des Herrschers. Da es aber die Zeit heute nicht erlaubt, werden Wir Uns auf den ersten Punkt beschränken und die anderen auf eine andere Gelegenheit verschieben, wenn Gott es erlaubt.

Christus, unser Herr, vertraute die Wahrheit, die er vom Himmel gebracht hatte, den Aposteln und durch sie ihren Nachfolgern an. Er sandte seine Apostel, wie er vom Vater gesandt worden war (Joh 20,21), um alle Völker alles zu lehren, was sie von ihm gehört hatten (vgl. Mt 28,19 f.). Die Apostel sind also mit göttlichem Recht die wahren Doktoren und Lehrer in der Kirche. Außer den rechtmäßigen Nachfolgern der Apostel, nämlich dem römischen Papst für die Gesamtkirche und den Bischöfen für die ihnen anvertrauten Gläubigen (vgl. can. 1326), gibt es in der Kirche Christi keine anderen göttlich eingesetzten Lehrer.

Aber sowohl die Bischöfe als auch vor allem der oberste Lehrer und Stellvertreter Christi auf Erden können andere in ihr Lehramt einbeziehen und sich ihres Rates bedienen; sie übertragen ihnen die Lehrbefugnis entweder durch eine besondere Bewilligung oder durch die Verleihung eines Amtes, an das die Befugnis gebunden ist (vgl. can. 1328). Die so Berufenen lehren nicht in ihrem eigenen Namen, auch nicht aufgrund ihrer theologischen Kenntnisse, sondern aufgrund des Auftrags, den sie von der rechtmäßigen Lehrautorität erhalten haben. Ihre Lehrbefugnis bleibt immer dieser Autorität unterworfen und wird niemals aus eigenem Recht oder unabhängig ausgeübt.

Die Bischöfe ihrerseits verlieren durch die Verleihung dieser Befähigung nicht das Recht zu lehren; sie behalten die sehr schwerwiegende Verpflichtung, die Lehre, die andere vorschlagen, zu überwachen, um ihnen zu helfen, und für ihre Integrität und Sicherheit zu sorgen.

Die rechtmäßige Lehrautorität der Kirche macht sich daher keiner Verletzung und keines Vergehens an denjenigen schuldig, denen sie einen kanonischen Auftrag erteilt hat, wenn sie sich vergewissern will, was diese, denen sie den Lehrauftrag erteilt hat, in ihren Vorlesungen, in Büchern, Notizen und Rezensionen, die für den Gebrauch ihrer Studenten bestimmt sind, sowie in Büchern und anderen Veröffentlichungen, die für das allgemeine Publikum bestimmt sind, vorschlagen und verteidigen.

Um dies zu erreichen, denken Wir nicht daran, die Vorschriften des kanonischen Rechts über die frühere Zensur von Büchern auf alle diese Arten der Lehre auszudehnen; denn es gibt viele Mittel und Wege, um das, was die Professoren lehren, zu erforschen und sich genau darüber zu informieren. Und diese Sorgfalt und Umsicht des legitimen Lehramtes impliziert keineswegs Misstrauen oder Verdächtigungen (ebenso wenig wie das Glaubensbekenntnis, das die Kirche von den Professoren und vielen anderen verlangt; vgl. can. 1406, Nr. 7 f.) – im Gegenteil, die Tatsache, dass das Amt des Lehrers verliehen wurde, impliziert Vertrauen, Hochachtung und Ehre gegenüber der Person, der das Amt anvertraut wurde.

Wenn der Heilige Stuhl sich nämlich über das, was in den verschiedenen Seminaren, Hochschulen, Universitäten und höheren Lehranstalten in den Bereichen seiner Jurisdiktion gelehrt wird, erkundigt und darüber informiert zu werden wünscht, lässt er sich von keinem anderen Motiv leiten als von dem Bewusstsein des Auftrags Christi und der Verpflichtung, die er vor Gott hat, die gesunde Lehre zu schützen und unverfälscht zu bewahren. Darüber hinaus zielt die Ausübung dieser Wachsamkeit auch auf den Schutz und die Wahrung eures Rechts und eures Amtes, die eurer seelsorgerischen Sorge anvertraute Herde mit der echten Lehre Christi und seiner Wahrheit zu ernähren.

Nicht ohne ernsten Grund, Ehrwürdige Brüder, haben Wir gewünscht, diese Dinge in eurer Gegenwart in Erinnerung zu rufen. Denn leider ist es vorgekommen, dass gewisse Lehrer sich wenig um die Übereinstimmung mit dem lebendigen Lehramt der Kirche kümmern, ihre allgemein empfangene und auf verschiedene Weise klar dargelegte Lehre wenig beachten und dabei zu sehr ihrer eigenen Neigung folgen und die intellektuelle Haltung neuerer Schriftsteller und die Maßstäbe anderer Gelehrtenzweige zu hoch einschätzen, die sie für die einzigen erklären und halten, die den gesunden Ideen und Maßstäben der Gelehrsamkeit entsprechen.

Natürlich ist die Kirche sehr an der Erforschung der menschlichen Gelehrsamkeit und deren Fortschritt interessiert und fördert sie; sie ehrt mit besonderer Gunst und Achtung gelehrte Männer, die ihr Leben mit der Pflege der Gelehrsamkeit verbringen. Die Angelegenheiten der Religion und der Moral jedoch, die die Wahrheiten der Sinne und die Ebene des Materiellen völlig überschreiten, gehören ausschließlich zum Amt und zur Autorität der Kirche. In Unserer Enzyklika Humani generis haben Wir die Geisteshaltung derer beschrieben, die Wir oben erwähnt haben; Wir haben auch daran erinnert, dass einige der Abweichungen von der Wahrheit, die Wir in jener Enzyklika verworfen haben, ihren direkten Ursprung in der Vernachlässigung der Übereinstimmung mit dem lebendigen Lehramt der Kirche hatten.

Immer wieder hat der heilige Pius X. in Schriften, deren Bedeutung Ihnen allen bekannt ist, die Notwendigkeit dieser Einheit mit dem Geist und der Lehre der Kirche eindringlich betont. Sein Nachfolger im höchsten Pontifikat, Benedikt XV., tat dasselbe; in seiner ersten Enzyklika (Ad Beatissimi Apostolorum Principis, 1. November 1914), nachdem er feierlich die Verurteilung des Modernismus durch Pius wiederholt hatte, beschrieb er die Geisteshaltung der Anhänger dieser Lehre so:

„Wer von ihren Grundsätzen beeinflusst ist, verschmäht alles, was alt erscheint, und strebt eifrig nach dem Neuen: in der Art und Weise, wie er von göttlichen Dingen spricht, in der Ausübung des Gottesdienstes, in den katholischen Gebräuchen, sogar in der privaten Andacht“ (AAS VI [1914], 578). Und wenn es heute Lehrer gibt, die sich bemühen, neue Ideen hervorzubringen und zu entwickeln, aber nicht das „Überlieferte“ zu wiederholen, und wenn dies ihr ganzes Ziel ist, dann sollten sie in aller Ruhe über die Worte nachdenken, die Benedikt XV. in der soeben erwähnten Enzyklika ihnen zur Erwägung vorschlägt:

„Wir wünschen, dass diese Maxime unserer Ältesten in Ehren gehalten wird: Nihil innovetur nisi quod traditum est (Nichts Neues soll eingeführt werden, sondern nur das, was überliefert ist); sie soll als unantastbares Gesetz in Glaubensdingen gelten und auch jene Punkte regeln, die eine Veränderung zulassen, obwohl in diesen letzteren zumeist die Regel gilt: Non nova sed noviter (Nicht neu, sondern auf neue Weise).

Was die Laien betrifft, so ist es klar, dass sie von den rechtmäßigen Lehrern eingeladen und als Helfer bei der Verteidigung des Glaubens angenommen werden können. Es genügt, an die Tausenden von Männern und Frauen zu erinnern, die in der Katechese tätig sind, und an andere Formen des Laienapostolats, die alle sehr lobenswert sind und mit Nachdruck gefördert werden können. Aber alle diese Laienapostel müssen unter der Autorität, der Leitung und der Wachsamkeit derjenigen stehen und bleiben, die durch göttliche Einsetzung als Lehrer der Kirche Christi eingesetzt sind. In Angelegenheiten, die das Heil der Seelen betreffen, gibt es in der Kirche kein Lehramt, das nicht dieser Autorität und Wachsamkeit untersteht.

In jüngster Zeit ist die sogenannte „Laientheologie“ entstanden und hat sich an verschiedenen Orten ausgebreitet, und es hat sich eine neue Klasse von „Laientheologen“ herausgebildet, die den Anspruch erhebt, sui juris zu sein; es gibt Professoren dieser Theologie, die etablierte Lehrstühle besetzen, es werden Kurse gehalten, Schriften veröffentlicht, Seminare abgehalten.

Diese Professoren grenzen ihre Lehrautorität von der öffentlichen Lehrautorität der Kirche ab und stellen sie in gewisser Weise dagegen; zuweilen berufen sie sich zur Rechtfertigung ihrer Position auf die charismatischen Gaben der Lehre und der Auslegung der Prophetie, die im Neuen Testament, insbesondere in den Paulusbriefen, mehrfach erwähnt werden (z. B. Röm. 12,6 f. ; 1. Kor. 12,28-30);

sie berufen sich auf die Geschichte, die von den Anfängen der christlichen Religion bis heute so viele Namen von Laien aufweist, die zum Wohl der Seelen die Wahrheit Christi mündlich und schriftlich gelehrt haben, obwohl sie nicht von den Bischöfen dazu berufen wurden und ohne das heilige Lehramt erbeten oder erhalten zu haben, sondern von ihrem eigenen inneren Antrieb und apostolischen Eifer geleitet wurden.

Dennoch ist es notwendig, das Gegenteil zu behaupten, dass es in der Kirche niemals ein legitimes Lehramt der Laien gegeben hat, nicht gibt und niemals geben wird, das von Gott der Autorität, der Leitung und der Wachsamkeit des heiligen Lehramtes entzogen ist; in der Tat bietet gerade die Verweigerung der Unterwerfung einen überzeugenden Beweis und ein Kriterium dafür, dass Laien, die so reden und handeln, nicht vom Geist Gottes und Christi geleitet werden.

Darüber hinaus kann jeder sehen, wie groß die Gefahr der Verwirrung und des Irrtums ist, die in dieser „Laientheologie“ liegt; eine Gefahr, die auch darin besteht, dass andere beginnen, von Männern gelehrt zu werden, die eindeutig nicht für diese Aufgabe geeignet sind, oder sogar von betrügerischen und arglistigen Menschen, die der heilige Paulus beschrieben hat: „Es wird die Zeit kommen, in der die Menschen …, die immer etwas Neues hören wollen, sich nach Lust und Laune immer neue Lehrer zulegen und die Wahrheit verleugnen und stattdessen den Fabeln ihre Aufmerksamkeit schenken“ (vgl. 2. Tim 4,3 f.).

Es liegt Uns fern, mit dieser Ermahnung jene Menschen, gleich welcher Klasse oder Gruppe, die von einem solch edlen Eifer beseelt sind, vom tieferen Studium und der Verbreitung der heiligen Lehre abzuhalten.

Mit täglich wachsendem Eifer, ehrwürdige Brüder, wie es sowohl die Pflicht als auch das Vorrecht eures Amtes von euch verlangen, widmet euch der Suche und dem immer tieferen Eindringen in das Sublime und die Tiefe der übernatürlichen Wahrheit, deren Vertreter ihr von Rechts wegen seid, und macht mit vom Eifer entflammter Beredsamkeit die heiligen Wahrheiten der Religion denen bekannt, die in der gegenwärtigen Zeit, nicht ohne die Bedrohung äußerst schwerwiegender Gefahren, von der Finsternis des Irrtums in Sachen des Verstandes und des Herzens verschlungen werden.

Und so können die Menschen durch heilsame Buße und Rechtschaffenheit der Zuneigung endlich zu Gott zurückkehren, „sich von Ihm abzuwenden heißt zu fallen, sich Ihm zuzuwenden heißt wieder aufzustehen; in Ihm zu bleiben heißt, fest zu stehen; … zu Ihm zurückzukehren heißt, wieder lebendig zu werden; in Ihm zu wohnen heißt zu leben“ (St. Aug. Soliloquiorum, lib. I. 3, Migne PL 32, col. 870).

Damit ihr dies vollbringen könnt, rufen Wir die Hilfe des Himmels auf euch herab; und damit sie reichlich ausgegossen wird, erteilen Wir euch und euren Herden mit großer Zuneigung den Apostolischen Segen.

Quelle: papalencyclicals

Video: Die Heiligsprechung von Pius X. durch Papst Pius XII.

Siehe auch den Beitrag: Die Heiligkeit des Papstes Pius X.

Siehe den Kommentar von P. Joseph Clifford Fenton auf katholischglauben.online:

Bildquellen

  • Pius_XII_with_tabard,_by_Michael_Pitcairn,_1951_(retouched): wikimedia

Verwandte Beiträge

Pius XII. Magnificate Dominum (1954)
Pius VIII. Traditi Humilitati (1829)