Enzyklika
Ingruentium malorum
von Papst Pius XII.
vom 15. September 1951
Das Rosenkranzgebet und die Not unserer Zeit
Auszug
Schließlich können Wir auch keineswegs mit Schweigen über ein neues Verbrechen hinweg gehen, auf das Wir mit tiefem Schmerz nicht nur eure Aufmerksamkeit, sondern auch jene des ganzen Klerus, der einzelnen Eltern und auch der staatlichen Obrigkeiten hinzulenken wünschen: Wir meinen jenen verruchten und gottlosen Ansturm gegen die zarte Unschuld der Jugend. Nicht einmal das unschuldige Kindesalter wird verschont, vielmehr wagt man es, leider, frevlerisch gerade diese Blumen in dem mystischen Garten der Kirche zu vernichten, die die schönste Hoffnung der Religion und der Kirche bilden. Wenn man all dies bedenkt, so ist es kein Wunder, dass die Völker weithin unter der Last der göttlichen Züchtigungen seufzen und von der Furcht vor noch größeren Heimsuchungen so sehr bedrückt werden.
Trotzdem darf der Gedanke einer so Unheil drohenden Lage uns nicht niederdrücken, ehrwürdige Brüder; eingedenk vielmehr jenes göttlichen Wortes: „Bittet, und es wird euch gegeben werden, suchet, und ihr werdet finden“ (Lk 11,9), eilt mit nur noch um so größerem Vertrauen zur Gottesmutter, bei der das christliche Volk in den Stunden der Gefahr stets seine besondere und gewohnte Zuflucht gefunden hat; ist sie ja „die Ursache des Heiles für das ganze Menschengeschlecht geworden“ (S. Irenäus, Adv. haer. 3, 22; MG 7, 959).
Deshalb schauen Wir mit freudiger Erwartung und neuer Hoffnung auf den wiederkehrenden Monat Oktober. Es ist ein frommer Brauch, daß während dieser Zeit die Gläubigen häufiger in die Kirchen kommen, um ihre Gebete mittels des heiligen Rosenkranzes an Maria zu richten.
Es ist Unser Wunsch, ehrwürdige Brüder, dass dieses Gebet in diesem Jahr mit noch größerem Eifer verrichtet werde, so wie dies durch die wachsende Not geboten ist. Ist Uns doch in der Tat nur zu gut bekannt, wie wirksam und machtvoll dieses Gebet die mütterliche Hilfe der allerseligsten Jungfrau herabruft. Und obgleich dieses Gebet sicherlich nicht das einzige Mittel ist, um diese Hilfe zu erwirken, so sind Wir dennoch der Meinung, daß das marianische Rosenkranz-Gebet das beste und wirksamste Mittel dazu ist; dies legt übrigens auch sein mehr himmlischer als irdischer Ursprung sowie seine innerste Natur uns nahe.
Gibt es denn tatsächlich Gebete, die sich blumengleich besser und schöner zum mystischen Kranz winden ließen als das Gebet des Herrn und der Englische Gruß? Wenn man dann außerdem zu den mündlichen Gebeten die Betrachtung der heiligen Geheimnisse hinzufügt, so erwächst daraus ein anderer sehr großer Vorteil, nämlich, daß alle, auch die einfachsten und am wenigsten unterrichteten Menschen darin ein leicht zu gebrauchendes Mittel finden, um ihren Glauben zu vermehren und zu behüten.
Die häufige Betrachtung der Geheimnisse lässt die Seelen unmerklich die in denselben liegende Kraft verspüren und sie davon allmählich ganz durchdrungen werden; die Hoffnung auf die übernatürlichen Güter wird außerordentlich gestärkt; kraftvoll und milde zugleich werden wir zum Wandel in den Fußstapfen Christi und seiner Mutter angeregt. Das Beten mit seiner Wiederholung immer gleichlautender Formeln, weit entfernt, es fruchtlos und langweilig zu machen, besitzt im Gegenteil, wie die Erfahrung lehrt, die wunderbare Kraft, dem Betenden Vertrauen einzuflößen und dem mütterlichen Herzen Mariens sanfte Gewalt anzutun.
Aufs neue also und mit Nachdruck bekennen Wir unbedenklich, dass Wir Unsere große Hoffnung auf den marianischen Rosenkranz setzen, um Heilung für die Nöte unserer Zeit zu erlangen; denn die Kirche stützt sich nicht auf Gewalt und Waffen, auch nicht auf menschliche Hilfsquellen, sondern allein auf die Hilfe von oben, wie sie gerade durch solche Gebete gewonnen wird; die Kirche gleicht hierin David, der nur mit einer Schleuder ausgerüstet war, und so geht sie unerschrocken gegen den höllischen Feind zum Angriff über, dem sie die Worte des Hirtenknaben entgegenrufen kann: „Du kommst zu mir mit Schwert, Lanze und Schild; ich aber komme zu dir im Namen des Herrn der Heerscharen…; und all dies Volk hier soll erkennen, dass nicht durch Schwert und Lanze der Herr die Rettung bringt“ (1 Kön 17,44.49).
Deshalb, ehrwürdige Brüder, ist es Unser sehnlichster Wunsch, dass alle Gläubigen eurem Beispiel und eurer Mahnung folgen und Unserer eigenen väterlichen Aufforderung einmütig und einstimmig mit derselben Glut der Liebe in Ehrfurcht entsprechen. Wenn das Böse und die Kraftanstrengungen der Bösen immer weiter anwachsen, so soll in gleicher Weise von Tag zu Tag mehr auch der fromme Sinn aller Guten erstarken und seine Kraft entfalten! Ihr Streben soll darauf gerichtet sein, von unserer liebreichsten Mutter gerade durch das ihr sicherlich so liebe Rosenkranz-Gebet zu erflehen, daß für die Kirche und die menschliche Gesellschaft möglichst bald wieder bessere Zeiten anbrechen! –
aus: Rudolf Graber, Die marianischen Weltrundschreiben der Päpste in den letzten hundert Jahren, 1954, S. 203-208
Der gesamte Text findet sich unter: Pius XII. Ingruentium malorum – Das Rosenkranzgebet und die Not unserer Zeit