Heiligenkalender
2. Juni
Die heiligen Märtyrer Petrus und Marcellinus
Der heilige Petrus war in der Kirche zu Rom ein Exorzist, d.h. er hatte die zweite der vier sogenannten niederen Weihen, die befähigt, den bösen Geist aus Besessenen durch bestimmte Gebete und Beschwörungen zu vertreiben. Die vielen Wunder aber, welche er durch Austreibung der bösen Geister wirkte, bewogen die Heiden nicht zur Annahme des heiligen Glaubens, sondern reizten sie an, ihn bei dem Statthalter Serenus anzuklagen. Dieser befahl, ihn so grausam zu geißeln, daß der ganze Leib nur eine Wunde zu sein schien. Man führte ihn dann in einen finsteren Kerker und belud ihn mit vielen schweren Ketten, damit er durch langsame Marter verschmachten sollte. Der Kerkermeister Artemius hatte eine einzige Tochter namens Paulina, welche von einem bösen Geist, zur großen Betrübnis des Vaters, sehr geplagt wurde. Petrus bemerkte einst diese Betrübnis und fragte ihn um die Ursache derselben. Da Artemius selbe ihm eröffnete, sprach Petrus: „Wenn dich nichts anderes betrübt als dieses, so ist leicht zu helfen.“ „Wieso?“ fragte Artemius, „wer ist der Mann, der meiner Tochter helfen kann?“ – „Ich“, erwiderte Petrus, „kann dies durch die Allmacht des wahren Gottes, den ich anbete.“ Artemius spottete darüber und sprach: „Wenn dem so ist, so bist du ja ein Tor, daß du dich der Allmacht Gottes nicht bedienst, um dich von deinen Banden undKetten los zu machen und aus dem Gefängnis zu entweichen.“ Petrus antwortete: „Ich habe meine Bande und mein Gefängnis viel zu lieb, als daß ich Gott bitten sollte, davon los zu werden. Versprichst du mir, an Christus, den Sohn des lebendigen Gottes, zu glauben, so versichere ich dich, daß er mich meiner Bande und meines Gefängnisses bald entledigen werde.“ – „Wohlan“, sprach Artemius mehr spottweise als im Ernst, „wenn du dich von denselben heute Nacht befreien und mich besuchen wirst, so will ich glauben.“ Hiermit ging er fort, ließ aber den Petrus noch stärker fesseln und die Wachen verdoppeln. Petrus versprach, ihn zu besuchen. Und also geschah es auch.
Artemius erzählte zu Hause seiner Frau Candida alles, was geschehen war. Noch spottete er über das, wie er glaubte, prahlerische Versprechen des Petrus; sieh, da kam der heilige Bekenner Christi in das Zimmer, weiß gekleidet und mit einem Kreuz in der Hand. Vor diesem augenscheinlichen Wunder entsetzten sich Artemius und Candida und wußten vor Schrecken nicht, was sie sagen sollten. Als sie sich etwas erholt hatten, fielen sie dem Heiligen zu Füßen und riefen mit lauter Stimme, zu Tränen gerührt: „Wahrhaftig, es ist kein anderer wahrer Gott, als der Gott der Christen!“ Paulina, die Tochter, hörte dies, lief in das Zimmer, warf sich ebenfalls dem heiligen Mann zu Füßen, und der böse Geist, von welchem sie besessen war, konnte die Gegenwart des heiligen Petrus nicht ertragen, sondern wich augenblicklich von ihr, mit lauter Stimme rufend: „Die Kraft Christi, womit du begabt bist, zwingt mich, aus meiner Wohnung zu weichen.“ Diese beiden so großen Wunder konnten unmöglich verborgen bleiben. Alle Bedienten in dem Hause, alle Benachbarten und Verwandten kamen herbei; und da sie alles, was vorgegangen war, vernommen hatten, verlangten sie einstimmig die heilige Taufe. Der heilige Petrus, über die Bekehrung so vieler Seelen erfreut, berief den heiligen Priester Marcellinus, um die Neubekehrten zu unterweisen und zu taufen. Artemius aber ging in den Kerker und ließ alle gefangenen Christen los und bot auch den übrigen Gefangenen, welche Christen werden wollten, die Freiheit an. Der Landpfleger Serenus war damals tödlich krank; daher hatte der heilige Marcellinus mit dem heiligen Petrus Zeit genug, sowohl zur nötigen Unterweisung, als auch zur Erteilung der heiligen Taufe und zur Aufmunterung wegen der bevorstehenden Martern.
Sobald Serenus seine vorige Gesundheit erlangt hatte, schickte er nach Artemius mit dem Befehl, ihm alle Gefangenen vorzustellen. Artemius kam und erzählte alles, was sich zugetragen hatte; unerschrocken bekannte er, daß er selbst mit seinem ganzen Hause an Christus glaube. Serenus befahl, den Artemius auf der Stelle mit Bleikolben so grausam zu schlagen, daß er des Todes gewesen wäre, wenn nicht Gott der Herr ihn durch ein neues Wunder beim Leben erhalten hätte. Nun forderte er Marcellinus und Petrus vor seinen Richterstuhl und bedrohte sie mit den entsetzlichsten Peinen, wenn sie nicht ihne Verzug den Göttern opferten. Diese aber zeigten den freudigsten Mut im Bekenntnis Jesu. Da gab Serenus Befehl, den Petrus auf die Folter zu spannen, den Marcellinus aber erst grausam zu schlagen, dann unbekleidet in dem Kerker auf zerbrochene Glasscherben zu legen und mit Ketten so zu fesseln, daß er kein Glied mehr bewegen könnte. Mitten in der Nacht schickte Gott einen Engel, der dem Marcellinus die Ketten abnahm, ihm die Wunden heilte, und ihn in den Kerker des heiligen Petrus führte. Diesen machte er gleichfalls von der Folter los und führte ihn mit sich aus dem Kerker in das Haus, wo die neu getauften Christen im Gebet versammelt waren. Als am folgenden Tage dem Serenus hinterbracht wurde, was in der Nacht geschehen war, ergrimmte er, ließ Artemius enthaupten, Candida und Paulina aber in eine Grube werden und mit Steinen verschütten. Auf dem Wege zur Gerichtsstätte drangen die zwei Heiligen durch die Soldaten zu denselben hinzu und munterten sie zur Ausdauer in der Marter auf, welche sie mit großer Freude und Standhaftigkeit vollendeten. (Ihr Gedächtnistag ist der 6. Juni.) Marcellinus und Petrus wurden bei dieser Gelegenheit wieder ergriffen, auf Befehl des Landpflegers abermals gepeinigt und zuletzt im Jahre 304 enthauptet. Ihre Reliquien schenkte Papst Gregor IV. dem Geheimschreiber des Kaisers Karl d. Gr. Eginhard, welcher dieselben von Rom nach Straßburg überbringen ließ. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 409-411