Gemeinden ohne Seelsorger: Der Tod ohne Priester
IV. Wie man den Kranken und Sterbenden beistehen soll
In den Kranken wird Christus selbst besucht und getröstet. Dieses Liebeswerk hat eine große Verheißung, denn am Weltgerichtes wird der Herr zu den Gebenedeiten sprechen: „Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht.“ Matth. 25. Mit Recht nennt daher der hl. Philippus Neri die Krankenzimmer geistliche Goldgruben, wo man sich unendlich große Schätze von Verdiensten für den Himmel erwerben kann. Den Sterbenden aber zu einem glückseligen Tod verhelfen ist das aller verdienstlichste Werk und zugleich ein höchst wirksames Mittel, um selbst die Gnade eines seligen Endes zu erlangen. Heute mir, morgen dir! Der hl. Augustinus sagt: „Hast du eine Seele gerettet, dann hast du deiner Seele die Auserwählung gesichert“. Auch abgesehen von diesen großen Verheißungen, wer fühlte nicht innigstes Mitleid mit einem Mitbruder, einer Mitschwester, die auf`s Kranken- und Sterbebett nieder geworfen sind und in so großen Nöten sich befinden, zumal wenn sie vergeblich nach den hl. Sakramenten seufzen, wenn kein Priester mehr da ist, der sie ihnen spenden könnte? O ihr Hausgenossen, ihre Freunde und Nachbarn, dann müsst ihr die Stelle des Priesters vertreten, so gut ihr könnt! Dann wird der Kranke, der Sterbende zu euch seine Hände ausstrecken und mit den Worten des Dulders Job euch anflehen: „Erbarmet euch doch meiner, erbarmet euch meiner, wenigstens ihr meine Freunde!“ Darum beachtet wohl die folgenden Ratschläge:
1. Ihr müsst dem Kranken behilflich sein in allen seinen Bedürfnissen, in Aufwartung, Reinigung, Pflege, Speise und Trank, Nachtwachen usw. Vor Allem aber sorget für das Heil seiner Seele! Tröstet ihn, ermuntert ihn zum Vertrauen auf Gott, zur Ergebung in den allerheiligsten Willen Gottes. Ermahnt ihn besonders, daß er eine herzliche Reue über alle seine Sünden erwecke und helft ihm dabei. Laßt ihn ein herzliches Verlangen nach den Sakramenten erwecken, die geistliche Kommunion üben, und erinnert ihn, wenn die Krankheit ernstlich ist, an den Sterbeablass. Fragt, ob er noch ein Anliegen auf seinem Gewissen habe, und wenn dem so ist, dann helft ihm die Sache in Ordnung bringen, z. B. Aussöhnung, Rückerstattung u. dgl. Wenn Jemand plötzlich schwer erkrankt, dann betet ihm sogleich vollkommene Reue und Leid vor! (siehe den Beitrag: Gebet der vollkommenen Reue)
Ein Priester erzählt: „Vor einigen Jahren wurde ich gerufen, einen Mann zu versehen, den plötzlich ein Blutsturz befallen hatte. Als ich ankam, war er schon verschieden. Sein Sohn, ein Erstkommunikant, erzählte mir später, während die Andern jammernd das Bett umstanden, habe er schnell ein Kruzifix von der Wand genommen, es dem sterbenden Vater vorgehalten und ihn ermahnt, vollkommene Reue und das verlangen nach der heiligen Beichte und Wegzehrung zu erwecken und habe ihm dann das Formular für Reue und Leid, das er im Unterricht gelernt hatte, vorgesprochen.“
2. Alle Sachen, welche dem Kranken Versuchungen bereiten oder doch sein Gemüt zerstreuen könnten, sind aus dem Zimmer zu entfernen, z. B. freche Bilder, eitle Kleidungsstücke, Waffen u. dgl. Man sorge dafür, daß der Kranke öfters ein Kruzifix betrachte, man stelle es vor ihm auf oder gebe es ihm in die Hand. Man bringe auch, wenn es geht, das Bild der allerseligsten Jungfrau in seiner Nähe an, damit er zu Maria seine Zuflucht nehme.
3. Bei dem Kranken sollen alle unnützen, eitlen, ganz weltlichen Gespräche vermieden werden. Man such ihn immer in Vereinigung mit Gott zu erhalten. Während man im Krankenzimmer beschäftigt ist, kann man dem Kranken verschiedene fromme Erinnerungen geben. Wenn man z. B. ihm das Bett bereitet, kann man sagen: „Siehe, du hast noch ein weiches Lager, auf dem du ruhest; Jesus aber musste am Kreuz an den Nägeln hängen, er konnte nirgends sein Dornen gekröntes Haupt anlehnen.“ – Wenn der Kranke eine Speise, einen Trank genießt oder eine andere Labung ihm zu Teil wird, so kann man sagen: „O wie gütig ist der liebe Gott, der uns mit Speise und Trank erquickt, der uns so viel Gutes erweist! Jesus, der Sohn Gottes, hat uns zu Liebe keine andere Labung gehabt, als Galle und Essig.“ – Wenn sich der Kranke von einer Seite zur andern wendet und nirgends Ruhe findet, so kann man sagen: „In Gott allein ist wahre Ruhe und die wahre Erquickung zu finden. Auf dieser Welt können wir nirgends Ruhe finden, als wenn wir uns ganz dem heiligsten Willen Gottes übergeben.“ Auf diese und ähnliche Weise kann man die verschieden artigsten Anlässe zur Erbauung des Kranken benutzen.
4. Man ermahne den Kranken zum Gebet, man helfe ihm beten, z. B. eine Litanei, den Rosenkranz, man bete ihm vor, besonders die drei göttlichen Tugenden und Reue und Leid (siehe z. B. im Beitrag „Morgengebet“ oder im Beitrag „Abendgebet“ die Tugendübung); man lese ihm aus einem geistlichen Buch vor, was für seinen Zustand paßt.
5. Wenn der Zustand des Kranken sich verschlimmert und der Tod heran naht, dann muss die Liebe und Sorgfalt sich verdoppeln. Alle vorwitzigen Zuschauer sind aus dem Sterbezimmer zu entfernen. Auch sollen solche Personen fern bleiben, deren Gegenwart dem Sterbenden gefährlich oder beunruhigend sein könnte, als da sind jene Personen, mit welchen er vielleicht bei Lebzeiten einen verbotenen Umgang gehabt hat; oder jene, die ihm große Kränkungen und Beleidigungen zugefügt und denen er allerdings von Herzen verziehen hat, deren Anblick aber in ihm die alten Erinnerungen wieder wach rufen könnte; oder jene Verwandten, an denen sein Herz besonders hängt, und die ihren Schmerz nicht mäßigen können, deren Weinen und Klagen den Sterbenden beunruhigen würde. Man lasse nur einige Personen, die etwa zur Aufwartung notwendig sind, im Zimmer; die übrigen mögen in einem Nebenzimmer oder in einiger Entfernung für den Sterbenden beten.
6. Man halte die Sterbekerze in Bereitschaft und besprenge öfters den Sterbenden mit Weihwasser, wenn solches vorhanden ist. Man bete die Sterbegebete vor. Besonders soll man mit dem Sterbenden die Übungen des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe, der vollkommenen Reue, des Vertrauens, der Ergebung in den göttlichen Willen und des Verlangens nach dem Himmel erwecken. Beim Vorbeten soll man nicht zu laut reden, um dem Sterbenden nicht beschwerlich zu fallen. Man bete nicht zu schnell und nicht zu viel auf einmal, sondern pause zuweilen, damit der Sterbende Zeit habe, das gehörte zu überlegen. Man erinnere ihn, daß es genug sei, wenn er im herzen, in Gedanken nachbetet, und daß er nicht nötig habe, mit dem Mund nachzubeten. Kurze Stoßgebetchen und herzliche Anrufungen, wie vorhin einige mitgeteilt sind und andere weiter unten folgen, eignen sich hierzu am besten.
7. Wenn der Sterbende in den letzten Zügen liegt, so spreche man ihm noch die letzten Seufzer der Sterbenden vor, besonders aber rufe man die heiligsten Namen Jesus und Maria oft und herzlich an. Die Bewusstlosigkeit der Sterbenden ist oft nur eine scheinbare; ihre Seele kann dabei innerlich sehr tätig sein. – Ist die Seele abgeschieden, dann empfehle man sie der Barmherzigkeit Gottes.-
aus: Gemeinden ohne Seelsorger, Der Tod ohne Priester. Die vollkommene Reue. Ein Lehr- und Trostbüchlein für römisch-katholische Christen, Mit kirchlicher Approbation, 2. Auflage, 1874, S. 29 – S. 33