Warum hat die Kirche 40 Fasttage festgesetzt?

Warum hat die Kirche vierzig Fasttage festgesetzt?

Simon:
Warum hat die Kirche 40 Tage festgesetzt, und warum gehen diese unmittelbar vor den Ostern her?

Pfarrer:
Wir folgen darin dem Beispiel Christi, welcher beim Antritt seines öffentlichen Lehramtes vierzig Tage und Nächte fastete, und uns dadurch diese Zahl ehrwürdig machte. – Daß wir aber diese Zeit der Buße unmittelbar vor Ostern begehen, geschieht aus folgenden Ursachen:

1) Die Zeit des Leidens, des Todes und der Auferstehung Christi ist die wichtigste des ganzen Kirchenjahres, weil unsere ganze Erlösung auf diesen Ereignissen beruht. Wir haben demnach alle Ursache, uns auf die Feier dieser heiligen Geheimnisse mit großer Sorgfalt und frommem Ernst zu bereiten; um so mehr, da wir ja auch dem Weihnachtsfest eine vierwöchentliche Vorbereitung im Advent voraus gehen lassen. Christus ist um unserer Sünden willen auf die Erde gekommen und gestorben; wenn wir uns nun dessen erinnern, was der Heiland um unsertwillen getan und gelitten hat, sollten wir nicht Lust haben, auch mit ihm etwas zu leiden, und ihm gerade in dieser Zeit den Willen einer ernsten Besserung zu zeigen.

2) Haben wir an Ostern die hl. Sakramente der Buße und des Altars zu empfangen, und auch darin liegt eine Aufforderung an uns, daß wir es an einer gründlichen Sinnesänderung und an der geziemenden Abtötung unserer bösen Neigungen nicht fehlen lassen.

3) Hat die Kirche gerne die Frühlingszeit ausgewählt, weil um diese Zeit mit dem Wiederaufleben der Natur sich in dem Menschen so gerne die Triebe der Begierlichkeit des Fleisches regen, und weil es dann vorzugsweise eines tüchtigen Dammes bedarf, damit die aufwallenden Leidenschaften nicht zu mächtig werden, und die Seele samt allen ihren guten Grundsätzen und Vorsätzen nicht überwältigen.

Simon:
Ist aber jeder Tag in der Fastenzeit ein Fasttag? Wir dürfen doch an den meisten Tagen Fleisch genießen?

Pfarrer:
Ein Fasttag besteht darin, daß wir uns mit einer einmaligen Sättigung am Tag begnügen, und daneben etwa nur noch eine kleine Erquickung, welche gewöhnlich Collation genannt wird, zu nehmen. Du siehst, daß also eben sowohl bei dem Genuß von Fleisch als von anderen Speisen gefastet werden kann. Außerdem gibt es aber noch sogenannte Abstinenztage; an diesen ist das Essen von Fleischspeisen, weil solche nahrhafter sind als andere, verboten. Ein Fasttag kann nun zugleich Abstinenztag sein, wie es an mehreren Wochentagen der Fastenzeit wirklich der Fall ist; kann aber auch ohne die Enthaltung von Fleischspeisen bestehen, und hört darum nicht auf, ein Fasttag zu sein. Umgekehrt enthalten wir uns auch an vielen Tagen des Jahres von Fleischspeisen, ohne daß wir verbunden sind, uns an unserer Sättigung einen Abbruch zu tun, z.B. an den gewöhnlichen Freitagen des Jahres.

Simon:
Wurde denn das Fasten immer so gehalten, wie noch jetzt?

Pfarrer:
In der Hauptsache war es dasselbe; und die ältesten Kirchenlehrer, z.B. der hl. Hieronymus, der hl. Leo und andere sagen von der 40tätigen Fastenzeit, daß sie eine apostolische Anordnung sei. Nur die Art des Fastens war in zwei Stücken verschieden. Erstens fastete man viel strenger, indem man an vielen Orten sich auch der Eier, der Butter und des Käses enthielt, was bei den Griechen noch jetzt beobachtet wird. In manchen Gegenden durfte auch kein Wein getrunken werden. Das alles erlaubte die Kirche später, um nicht die Beobachtung des Fastengebotes für Viele allzu sehr zu erschweren. Zweitens fastete man den ganzen Tag über, und nahm erst am Abend eine vollkommene Mahlzeit zu sich. Daher rührt denn noch ein anderer Gebrauch; daß nämlich die Priester ihr Nachmittags-gebet, die Vesper, während der Fastenzeit vor dem Mittagessen beten, weil man ehemals an diesen Tagen erst nach der Vesper die Mahlzeit einnahm. Die Vesperandacht aber wurde dann sogleich nach der hl. Messe gehalten; und noch jetzt betet der Priester am Altar gegen das Ende der hl. Messe das Gebet, welches eigentlich zur Vesperandacht gehört. Vom dreizehnten Jahrhundert an gestattete die Kirche, das Abendessen in das Mittagsmahl zu verändern, und am Abend noch eine kleine Erfrischung zu genießen. Der Name dieser kleinen Mahlzeit, Collation, rührt aus den Klöstern her. Hier war es Sitte, daß die Mönche abends zusammen kamen, und das schöne Buch des hl. Abtes Cassian vorlesen hörten, welches den Titel „Collationes Patrum, Sammlung aus den Vätern“ führt. Nach geendeter Lesung wurde sodann etwas Obst und dergleichen zur Erfrischung gereicht. Man nannte dieses: zur Collation essen. Als nun die Kirche erlaubte, an den Fasttagen nebst der Mittagsmahlzeit auch am Abend noch etwas weniges zu sich zu nehmen, so legte man dieser kleinen Erquickung ebenfalls den Namen Collation bei. –
aus: Gregorius Rippel, Die Schönheit der katholischen Kirche dargestellt in ihren äußeren Gebräuchen in und außer dem Gottesdienst für das Christenvolk, 1901, S. 28 – S. 30

siehe auch: Wozu das Fasten an den Fasttagen dient

und: Das Abstinenz- und Fastengebot

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