Aberglauben in heiligen Dingen

Das Bild zeigt die Sünde und ihre Folgen

Von den Sünden gegen Gott

Von dem Aberglauben in heiligen Dingen 

Wo Gott eine Kirche hat, pflegt man zu sagen, da baut der Teufel eine Kapelle. Dieser hoffärtige Lügengeist, der noch jetzt dem höchsten Gott auf allerlei Art und Weise nach seiner Ehre trachtet, hat sich ehedem von den blinden Heiden aller Orte als den wahren Gott anbeten lassen. Weil ihm aber dieser Mutwille durch Jesum Christum, unsern Heiland, und seine nachmaligen Diener und Apostel so ziemlich benommen worden ist, wie fängt er nun seine Sache an? Er sinnt so viel als möglich darauf, wie er auch mitten im Christentum noch einige Überreste der vorigen Abgötterei im Gebrauch erhalten und weiter in der Welt verbreiten möge… So verbirgt er denn den Schalk mit einem solchen Deckmantel, unter welchem man ihn am allerwenigsten suchen möchte: er bemüht sich nämlich, die Frommen und Gottesfürchtigen auch unter dem Scheine der Frömmigkeit zu betrügen, und durch Andachtsübungen und heilige Dinge, ja sogar durch das Zeichen des heiligen Kreuzes, durch welches er sonst vertrieben zu werden pflegt, in das Laster des Aberglaubens hineinzustürzen, damit er, weil er die Anbetung des wahren Gottes nicht hindern kann, wenigstens so viel bewirke, daß Gott von den Menschen nicht so geehrt und angebetet werde, wie er geehrt und angebetet werden soll und will.

Vorsicht vor abergläubischen Verheißungen in Büchern

Die andere Generalregel, daß auch heilige Dinge und Gebete abergläubisch seien, ist, wenn denselben eine unfehlbar gewisse Kraft und Wirkung zugeschrieben wird, wenn sie nämlich täglich abgelesen oder bei sich getragen werden. So tragen viele bei sich und beten das Evangelium des heiligen Apostels Johannes mit gewissen heiligen Worten und Kreuzzeichen, um sich fest und schußfrei zu machen. Das ist einer von den gottlosesten Aberglauben, der wohl ein ausdrücklicher Bund mit dem Teufel genannt werden möchte. Man sieht verschiedene Papiere, geschriebene und gedruckte Zettel, sogenannte Haussegen und Gebetbücher hin und wieder in den Händen der Leute, auch sogar offen in den Häusern aufgehangen, auch andern gottseligen Gebeten beigebunden, die mit allerlei fremdartigen Buchstaben, Kreuzzeichen, wunderbaren Benennungen Gottes und der Engel, hochheiligen Wörtern, welche der göttlichen Schrift entnommen, auch wohl mit erschrecklichen Beschwörungen des Teufels angefüllt sind. So habe ich zum Beispiel solcher Büchlein etliche noch vor kurzem gesehen: Unserer lieben Frauen Traum. Brief von Gott geschrieben. Brief gefunden im heiligen Grabe zu Jerusalem. Geistlicher Schild. Ein schöner und wohl approbierter Segen zu Wasser und zu Land, wider alle bösen Feinde. Schöner Segen, so man ausgeht, darin der Tag und die Nacht soll genannt werden usw. und dergleichen mehr: wer diese in seinem Hause aufhängt, bei sich trägt, die darin bezeichneten Gebete täglich spricht, dem wird weder zu Wasser noch zu Lande ein Unglück widerfahren, der wird sicher sein vor Feuersbrunst; dem werden die Hexen und bösen Leute, die Diebe und Straßenräuber keinen Schaden zufügen können; der wird nicht gewaltsam ums Leben kommen; der wird keines unglücklichen Todes sterben; gebärende Weiber werden, wenn sie dieselben bei sich tragen, in ihren Nöten glücklich sein – und mit solchen und vielerlei anderen Verheißungen sind sie ringsum bekleckst. Zuweilen ist der Name des römischen Papstes bei gedruckt, der solche Briefe, Haussegen, Gebete approbiert, gutgeheißen oder anderen zugeschickt haben soll. Bei etlichen findet man außerdem den Namen des Bischofs, der solche ebenfalls bestätigt hat, die Stadt, wo sie gedruckt, den Buchdrucker, von dem sie gedruckt worden sind usw. Einfältige Leute möchten darauf schwören, es müsste ein heiliges, unfehlbares Werk sein. Hierher gehört jene abergläubische Verheißung, die in gewissen Büchlein zu finden ist: wer nämlich täglich siebenmal das Vater-Unser und den englischen Gruß betet, und dies so lange fortsetzt, bis er so oft das Vater-Unser und den englischen Gruß gebetet, als Christus bei seiner Geißelung Blutstropfen vergossen hat, der wird unfehlbar selig werden. Lauter Falschheit, lauter Betrug des listigen Teufels, andächtige Zuhörer, welche zu nichts weiter nütze sind, als daß sie öffentlich durch die Hand des Scharfrichters verbrannt werden, um Gott und dem Himmel ein Freudenfeuer zu veranstalten.

Schenkt den Lügenwerken keinen Glauben

Von denjenigen, welche derlei Gebetbüchlein, Haussegen und Zettel andern zeigen, aufschwatzen, verkaufen, oder, was noch viel sträflicher ist, zum ewigen Verderben vieler tausend Seelen, welche sich aus Einfalt darauf verlassen und ihre Seligkeit darauf bauen, öffentlich um Druck erscheinen lassen, mag man, zur Warnung aller, wohl sagen, was Gott, der Herr, ehedem durch den Propheten Jeremias über dergleichen aberwitzige Leute geklagt und sein Volk vor ihnen gewarnt hat: „Ihr sollt nicht hören eure Propheten und Wahrsager und Träumer und Zeichendeuter; denn sie weissagen euch Lügen, damit sie euch ferne von euerm Lande hinwegbringen und euch hinausstoßen, auf daß ihr umkommet. Denn ich habe sie nicht gesandt, spricht der Herr, und sie weissagen fälschlich in meinem Namen, damit sie euch hinausstoßen und daß ihr umkommt.“ (vgl. Jer. 14, 14) Eben dasselbe spreche ich im Namen des Herrn zu euch, Christen: ihr sollt besagte Ratgeber nicht anhören, noch ihnen Glauben schenken, weil sie euch lauter Lügenwerke verkünden, damit sie euch von euerm himmlischen Vaterland abhalten, und ihr, in der aberwitzigen Hoffnung, dadurch selig zu werden, auf ewig verloren geht. Wie? sagen die Einfältigen, es ist aber nichts Böses in den Briefen, Gebeten und Büchlein; es sind lauter heilige Worte, mit denen man sich segnet; sie dienen sogar gegen böse Leute und Hexerei, ja wider den Teufel selbst. Ich antworte: eine Hexerei kann man auch durch neue Hexerei, einen teuflischen Betrug durch neue Teufelskunst abwehren und vertreiben. Je heiliger die Worte sind, desto größer ist die Sünde des Aberglaubens, weil nebenbei solche heilige Worte dadurch mißbraucht und verunehrt werden, und eben durch diejenigen Worte, mit welchen man den alleinigen Gott preisen und benedeien sollte, in der Tat der häßliche Teufel verehrt wird. Und das ist es eben, was der hoffärtige geschworene Feind Gottes sucht; das ist es, womit er seine Arglist und Bosheit bedeckt: heilige Dinge mischt er unter seine Gaukelwerke, damit er die Leichtgläubigen und Einfältigen desto eher betrüge und ihrer mehr an sich locke.

… Um die Fliegen in einem Zimmer zu töten, muß das Gift mit Zucker oder Honig oder süßer Milch vermischt werden. Eben so macht es der verschlagene Satan, spricht der heilige Johannes Chrysostomus. Käme er zu den Menschen, die nur noch etwas fromm sind, mit jenen törichten, abergläubischen Gebräuchen heran gezogen, welche da augenscheinlich nicht im Stande sind, die verlangte Wirkung hervorzubringen: o damit würde er sehr wenige fangen, die ihm hierin Glauben schenkten. Darum macht er eine Hülle: damit er, lauten die Worte des Chrysostomus, sein Gift an den Mann bringe, tut er etwas Honig dazu, mischt unter seine abergläubischen Possen den hochheiligen Namen Jesu Christi und andere heilig scheinende Zeremonien. Er verspricht denen, welche daran glauben, nicht allein zeitliche Wohlfahrt, sondern auch ein glückseliges Ende, einen heiligen Tod, auf welchen nichts als das ewige Himmelreich folgen kann: damit fängt er, wonach er gefischt hat, die Seelen ohne Zahl.

Schenkt den Verheißungen keinen Glauben

Es gibt ferner gewisse Gebetbücher, in welchen man verschiedene Gebete findet, die zwar an sich gut, denen aber lange und breite Verheißungen angehängt sind, zum Beispiel: wer das Gebet täglich verrichtet, dem hat die Mutter Gottes versprochen, sie wolle demselben auf dem Sterbebette erscheinen; oder, der wird nicht ohne Beichte und letzte Wegzehrung sterben; oder, dem wird Christus in seiner Sterbestunde gnädig sein; oder, der wird nach dem Tode bald aus dem Fegefeuer erlöst werden; oder gar, der wird nicht verdammt werden. Was soll man nun davon halten? Höret einmal, wenn ihr mich darum fraget, so sage ich, wie alle Vernünftigen sich selbst die Antwort geben müssen: solchen Gebeten lasse ich ihren Wert und ihre Güte, und will dieselben niemand verbieten; aber die beigefügten Verheißungen haben bei mir nicht der Wert eines Strohhalmes, sondern sind lauter Possen, welche die einfältigen Seelen in eine betrügliche Sicherheit versetzen, so daß sie oft ein gottloses Leben führen und dafür halten, sie müssten nichtsdestoweniger schlechterdings selig werden, wenn sie nur diese ihre Gebete täglich mit Sorgfalt verrichten… Denen, welche noch an solche Verheißungen glauben, kann man wohl billig jene Warnung unseres Heilandes Jesu Christi zurufen: “Nicht ein jeder, der da betet und zu mir sagt: Herr, Herr! wird in das Himmelreich eingehen, sondern wer den Willen meines Vaters tut“ (Matth. 7, 21); wer gut und fromm lebt, und bis an sein Ende bleibt, der wird in das Himmelreich eingehen, und sonst niemand. Woher haben denn jene Gebete die Verheißung empfangen, daß sie mich meiner zukünftigen Beichte, eines guten, heiligen Todes versichern können? Solches kann Gott, der Herr, nicht offenbart haben, welcher den glückseligen Tod bloß von der Verharrung im Gnadenstande abhängig gemacht hat; hätte er es aber geoffenbart, und jenen täglich gesprochenen Gebeten einen glückseligen Tod verheißen, so wäre meine vernünftige Folgerung von vorhin recht und gut gewesen: ich kann leben, wie, und anfangen, was ich will; bete ich dies täglich, so bin ich des Himmels gewiß. Ja, das hätte ich erfahren sollen. Nein, andächtige Christen, so betet man sich nicht in den Himmel hinein. Auch hierauf einen festen Glauben setzen und seine Seligkeit gründen, hat mit dem Aberglauben eine sehr nahe Blutsverwandtschaft.

Glaube und vertraue in Demut

Wie? denkt ihr, sagt nicht Gott, der Herr, zu uns allen: Bittet; setzt er nicht zugleich immer hinzu: Glaubet? So spricht er bei dem Evangelisten Markus (9, 24): Was ihr immer im Gebet begehret, glaubet nur, daß ihr es erhaltet, so wird es euch werden. Die vornehmste Eigenschaft eines kräftigen Gebets ist der Glaube und das feste Vertrauen, man werde erhalten, was man begehrt: so kann und soll man denn ohne Aberglauben auf das Gebet einen festen Glauben setzen? Freilich wohl, andächtige Zuhörer. Worauf aber wird das feste Vertrauen, der Glaube und die Zuversicht gesetzt, wenn wir beten? Nicht auf gewisse Worte, die wir in gewissen Gebeten aussprechen, sondern auf die Verheißung und unfehlbare Treue Gottes, der nicht gewissen Worten, sondern meinem inbrünstigen vertrauensvollen Verlangen und meiner inständigen, demütigen Bitte versprochen hat, mit in allem zu willfahren, was dem Heile meiner Seele förderlich ist. So betet denn, bittet demütig und inständig, Gott wolle euch eine selige Sterbestunde verleihen. Glaubet zugleich, und habt das feste Vertrauen, Gott werde euch nach seiner Verheißung einen seligen Tod geben, wofern ihr nur auch danach leben werdet: diese Bedingung muss hierbei notwendig gesetzt werden. Bittet und betet inständig um die Gnade, gut zu leben, und bis an euer Ende im Dienste und in der Liebe Gottes zu verharren. Glaubet zugleich und habt das feste Vertrauen, der getreue Gott werde euch gewiß genügende Gnade verleihen, daß ihr beständig treu bleiben werdet, wofern ihr nur zu solcher Gnade mitwirkt: diese Bedingung muss auch hierbei notwendig gesetzt werden. Dies alles aber werdet ihr von Gott eben sowohl erlangen, ob ihr mit dem Herzen oder mit dem Mund, mit diesen oder mit andern Worten betet: folglich tragen die oben besagten, in bestimmten Worten abgefaßten Gebete ganz und gar nichts zur Kraft und Wirkung bei; viel weniger werden solche einem Menschen sicher in den Himmel verhelfen.

Die Abergläubischen hoffen umsonst

Somit hoffen und glauben diejenigen umsonst und vergebens, welche in dergleichen ihr Heil und ihre Seligkeit suchen. O welche Blindheit und Torheit! Welcher rasende Unsinn, durch allerlei abergläubische Gebräuche sich selbst zu betrügen! Denn von wem erwarten solche Menschen Hilfe und Heil? Von keinem andern als, wie letzthin dargetan worden ist, von dem leidigen Teufel. Wie aber? Sollte ich mich denn an jenen armseligen, ohnmächtigen Geist wenden, der aus sich selbst mir nicht im geringsten etwas helfen noch leisten kann? Der Teufel, meine Andächtigen, kann nichts als was, wo, wie und so viel ihm von Gott gestattet wird. Ihr werdet in der heiligen Schrift diesen Lügengeist in dem Munde von ungefähr vierhundert falscher Propheten finden, um den König Achab zu betrügen; aber um lügen und betrügen zu können, musste er notwendig zuvor bei Gott um Erlaubnis anhalten und dieselbe erlangen: „Ich will ausgehen, sprach er zu Gott, und ein Lügengeist sein in dem Munde aller seiner Propheten. Und der Herr sprach: So trüge und berede ihn, und werde seiner mächtig; geh aus und tue also!“ (3. Kön. 22, 22) Ihr werdet ihn finden als einen grausamen Geist, der alle Elemente wider den frommen Job empört; aber er musste zuvor von Gott die Erlaubnis erbitten, diesen Wundermann zu quälen, und durfte keinen Schritt weiter tun, als ihm erlaubt war… Seht da, andächtige Christen, welch ein schwacher Gewalthaber ist der Teufel! Kann er nicht einmal einem Schweine Schaden zufügen, es sei ihm denn von erlaubt: wie viel weniger wird er dann ohne diese Erlaubnis einem Menschen, dem Ebenbild Gottes, entweder helfen oder schaden können!

Daraus folgt…

Weg mit allen Mitteln, Gebeten, Andachten, heiligen Gegenständen, welche nur von weitem nach Aberglauben riechen! … Laßt uns auf den Herrn hoffen, auf die unendliche Güte und Barmherzigkeit Gottes, auf die Fürbitte und Verdienste Mariens, der Engel und Heiligen Gottes vertrauen. Aber damit allein dürfen wir uns nicht begnügen: Hoffe, heißt es, aber tue zugleich Gutes. Nicht allein das, was an sich gut ist, sondern was dich gut macht. Messe hören, den Rosenkranz beten, Almosen geben sind gute Werke; verrichtest du dieselben aber im Stande der Todsünde und führst du dabei ein sündhaftes Leben, so machen sie dich nicht gut, und werden dir zur ewigen Seligkeit wenig helfen. Mit dem guten Gebet im Mund, mit kindlichem Vertrauen im Herzen, mit den guten Werken in den Händen werden wir erfahren: „Wie gut ist gegen Israel Gott, gegen die, so rechten Herzens sind!“ (Ps. 72, 1) Die es mit unverfälschtem Herzen immer gut mit ihm meinen. Erfahren werden wir, daß der Herr uns besser aus den Nöten werde helfen können, als der verlogene Höllengeist, bessere Wohltaten uns verleihen als jener. Erfahren werden wir, daß, wer auf den Herrn vertraut, dem Herrn einen rechtschaffenen, ihm gebührenden Dienst abstattet, den Herrn von ganzem Herzen über alles liebe, niemals in Ewigkeit werde zu Schanden werden. Amen. –
aus: Franz Hunolt SJ, Christliche Sittenlehre der evangelischen Wahrheiten, Hunolts Predigten Bd. 3, Sechster Teil, 1844, S.  231 – S. 246, Überschriften und Hervorhebungen hinzugefügt

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