Der Rosenkranz ist der Gürtel der Wahrheit

Ein wunderschönes eingerahmtes Bild der Muttergottes Maria sowie ein Rosenkranz mit einem goldenen Kruzifix

Der Rosenkranz des Christen Waffenrüstung

Der Rosenkranz – der Gürtel der Wahrheit

Der Rosenkranz bietet ferner dem Christen den Gürtel der Wahrheit. Ein Stück der Waffenrüstung bildete ehemals auch der Gürtel, womit der Krieger, wenn er die Ritterkleidung angelegt hatte, sich umgürtete, damit dieselbe fest und bequem anlag. An dem Gürtel war in der Regel eine Hafte angebracht, um das Schwert daran zu hängen. Wie will denn aber Sankt Paulus verstanden sein, wenn er sagt: „So stehet denn da, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit“? Was hat denn die Wahrheit für eine Ähnlichkeit mit einem Soldatengürtel?

Die Wahrheit steht ja aber auch heutzutage noch persönlich im unfehlbaren Lehramt der katholischen Kirche vor der Welt. Unser Heiland hat es ja allen Menschen auf`s Gewissen gebunden, dem Ausspruch der Kirche sich zu unterwerfen: „Wer euch hört, hört mich, und wer euch verachtet, der verachtet mich“; er hat sogar jenen, die sich einer Entscheidung der Kirche nicht unterwerfen, die ewige Verdammnis angedroht: „Gehet hin und verkündigt das Evangelium jeglichem Geschöpfe… wer nicht glaubt, wird verdammt werden“: Nun kann doch aber unser Herrgott uns nicht zumuten, dem Irrtum oder der Lüge zu glauben, noch kann er uns, wenn wir es nicht tun, deshalb ewig verdammen. Denn das widerstreitet seiner Wahrhaftigkeit und seiner Heiligkeit. Also mußte er Sorge tragen, daß die Kirche in der Verkündigung seiner Lehre nicht irren und nicht lügen könne. Dieser Sorge aber ist er voll und ganz nachgekommen, indem er seiner Kirche den heiligen Geist gesandt hat, daß er bei ihr bleibe und sie in alle Wahrheit einführe. Denn wozu sonst auch mit der Sendung des heiligen Geistes so wichtig tun, wenn er die Kirche nicht vor Irrtum und Lüge schützte? Irren können wir Menschen ohne den heiligen Geist, und lügen auch. Dazu brauchte er nicht gesandt zu werden. Daher ist niemals Grund vorhanden, zweifelnd zu fragen: was ist Wahrheit? – wenn die Kirche gesprochen, ist die Sache entschieden.

Aber das ist ja das große Unglück unserer Zeit: Hunderttausende fragen mit Pilatus immer noch voll Hohn und Zweifel: was ist Wahrheit? Trotzdem diese in Christus und seiner Kirche vor ihnen steht! Sie wenden sich ab und sagen sich los, eben weil sie die Wahrheit nicht wissen wollen. Daher denn auch jetzt so viel Lüge in der Welt, Lüge im Handel, Lüge im Wandel, Lüge im Kleinen, Lüge im Großen, Lüge bei Reichen, Lüge bei Armen, Lüge bei Hohen, Lüge bei Niedern, Lüge im Zählen, Lüge im Wäge und im Messen! Von der Lüge aber wird niemals Heil, niemals Segen kommen; die Lüge kann keinen glücklich machen. Darum muß also der Christ, um sich gegen die Lüge, eigene und fremde, sicher zu stellen, es mit der Wahrheit halten und genau nehmen sodaß er da steht, als wäre er, sein Leben all sein Sinnen und Denken, sein Wünschen und Sehnen, sein Handeln und Wandeln von der Wahrheit wie mit einemGürtel gehalten und umzogen.

Aber welches ist denn die Wahrheit? Mit vielen Worten kann hier auf diese erzphilosophische Frage nicht eingegangen werden; wenige sollen genügen. Die Wahrheit ist, sagt der Gottesgelehrte Lessius, die Übereinstimmung einer Sache mit dem „Modell“, wonach sie gemacht ist. Ehe ein Künstler ein Kunstwerk anfängt, ersinnt er sich einen Plan, wie er das Kunstwerk bilden will, und macht sich von dem Plane einen Entwurf, einen Abriß, wonach er sein Kunstwerk gestalten will. Die Übereinstimmung mit diesem Plane, mit diesem Entwurf ist die Wahrheit des Kunstwerkes. Der Originalplan aller Dinge aber, das Urmodell, wonach die ganze Welt erschaffen und gebildet ist, ist die Wesenheit Gottes, insofern „sie nach außen nachahmbar“ ist. Denn der Plan, wonach der allmächtige Weltenbaumeister das Weltall schuf, hat er nicht von einer andern Welt außer sich abgeschaut und nachgezeichnet und zusammen gestellt, wie das so die sterblichen Baumeister und Künstler machen, sondern er hat, die unerschöpfliche Nachahmbarkeit seiner Wesenheit erkennend, diese sich zum Modell und Vorbild genommen und danach alle einzelnen Dinge geschaffen. Alle Werke und Gebilde also, seien sie von Gotteshand, seien sie von Menschenhand gefertigt, sind nur insofern Wahrheit, als sie mit Gottes Wesenheit, ihrem Original- und Musterbild, übereinstimmen. Alles aber, was Gott erschaffen, hat er zu einem Zweck erschaffen, nämlich zur Verherrlichung seiner Vollkommenheiten, seiner Allmacht, Weisheit und Güte, die er in den Geschöpfen offenbart. Man kann also die Dinge wahr oder Wahrheit nennen, nicht bloß insofern sie mit der Wesenheit Gottes als ihrem Vorbild, sondern auch insofern sie mit derselben als ihrem Zweck übereinstimmen, obwohl man diese letztere Übereinstimmung mit dem Zweck in der Regel nicht die Wahrheit, sondern die Güte der Dinge nennt. Das aber ist auch der Grund, daß in der hl. Schrift die guten Werke, die einer vollbringt, Wahrheit genannt werden, und daß von demjenigen, der sie verrichtet, gesagt wird, er tue Wahrheit (facere veritatem); daß hingegen die bösen Werke und Sünden Lüge heißen, und daß von dem, der sie begeht, gesagt wird, er wirke Lüge (operari mendacium); die guten Werke stimmen eben mit der Wesenheit Gottes: als ihrer unfehlbaren Regel, ihrem ewigen Gesetze, wonach sie zu vollbringen sind, um ihrem Zwecke, der Verherrlichung Gottes zu dienen, überein, die Sünden aber stehen damit im Widerspruch.

Wie hat sich nun aber der Christ zu dieser doppelten Wahrheit, welche die Philosophen die objektive nennen, nämlich zu der Übereinstimmung der Dinge mit der Wesenheit Gottes als ihrem Vorbild, und zu der Übereinstimmung der Werke mit der Wesenheit Gottes als ihrer unfehlbaren Regel und ihrem letzten Zwecke, zu stellen? Er hat danach zu streben, die erste immer mehr zu erkennen – durch das natürliche Licht des Verstandes, und noch mehr durch das übernatürliche Licht des Glaubens, der göttlichen Offenbarung, und hat danach zu trachten, die zweite immer vollkommener zu erreichen, d.h. all sein Tun und Lassen in Gedanken, Worten und Werken mit der unfehlbaren Regel alles Handelns, mit dem Willen Gottes in Einklang zu bringen. Wenn also der Apostel sagt: „So stehet denn, eure Lenden umgürtet mit Wahrheit“, so will er damit nichts anderes sagen als: haltet fest an der Erkenntnis Gottes, wie ihr sie durch den Glauben erlangt, und bleibet treu in der Erfüllung seines Willens, wie ihr sie versprochen und gelobt!

Nichts vermag uns aber so leicht in dieser doppelten Wahrheit, der Wahrheit des Erkennens durch den Glauben und der Wahrheit des Handelns gemäß den göttlichen Geboten, welche den Gürtel des Soldaten Christi bildet, zu stärken und zu vervollkommnen, als der Rosenkranz. Denn fürs erste entfaltet er vor dem Geiste des Beters die ganze großartige Geschichte des Heiles mit ihren freudenreichen, schmerzenreichen und glorreichen Szenen und Bildern, ja, die ganze herrliche Landkarte des Glaubens mit ihren besonders markierten Punkten, wo die erhabenen Begebenheiten der Erschaffung, Erlösung und Heiligung sich abspielten. Sodann wüßte ich nicht, was einen Christen so sehr von der Sünde abzuschrecken vermöchte, und was ihn mehr aneifern könnte, den Willen Gottes zur Richtschnur seines Lebens zu nehmen, als ein Blick auf jenen dreifachen Schauplatz der göttlichen Barmherzigkeit, an dem uns der Rosenkranz der Reihe nach im Geiste vorüber führt, ein Blick nämlich auf die Krippe, auf das Kreuz und auf den Richterstuhl des vergeltenden Richters. O ja, wer den Rosenkranz betet, dem mag es bald zu Mute werden, wie dem, der also sang:

Er ist zu Bethlehem geboren,
Der uns das Leben hat gebracht,
Und Golgatha hat er erkoren,
Durchs Kreuz zu brechen Todes Macht.

Ich fuhr vom abendlichen Strande
Hinaus, hin durch die Morgenlande,
Und Größeres ich nirgends sah,
Als Bethlehem und Golgatha.

O Herz, was hilft es, daß du kniest
An seiner wieg` im fremden Land?
Was hilft es, daß du staunend siehest
Das Grab, aus dem er längst erstand?

Daß er in dir geboren werde,
Und daß du sterbest dieser Erde,
Und lebest ihm, nur dieses ja
Ist Bethlehem und Golgatha.

Denn einst wirst du im Himmelslichte
Mit großer Macht ihn kommen sehn,
Um mit uns allen zum Gerichte,
Wie er`s vorher gesagt, zu gehen:

Er wird dann allen alles lohnen,
Er wird verteilen gold`ne Kronen
Als Ehrenpreis, Viktoria!
Von Bethlehem nach Golgatha!

… Das Menschenleben gleicht aber vielmehr einer Schwimmschule, worin alle das Schwimmen lernen müssen. Ausgelernt hat nicht der, welcher weiß, mit dem Strom zu schwimmen, sondern der es versteht, gegen den Strom zu schwimmen. Wohl also demjenigen, der von einer treuen Hand an einem Gürtel fest gehalten wird, damit er über Wasser bleibt und nicht untersinkt. Diese treue Hand aber ist die Hand der göttlichen Vorsehung, und der Gürtel ist die Wahrheit, die Wahrheit des Glaubens, wodurch der Christ am Himmel, und die Wahrheit des Handelns, wodurch der Himmel am Christen hängt. Um uns also des Gürtels der Wahrheit zu sichern, müssen wir recht eifrig den Rosenkranz beten, und dies um so mehr, als an diesem Gürtel „das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes“, hängt. –
aus: Philipp Hammer, Der Rosenkranz, eine Fundgrube für Prediger und Katecheten, ein Erbauungsbuch für katholische Christen, I. Band, 1896, S. 43 – S. 49

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