Vom Alten zum Neuen Bund Jesus Christus

Vom Alten zum Neuen Bund

Von den Stammeltern bis zu Jesus Christus

Die eine und dieselbe heilige Religion

Das Christentum ist die letzte Offenbarung Gottes durch den menschgewordenen Sohn Gottes.

Dieser ist als Gott das Ebenbild des Vaters, Schöpfer und Erhalter, als Gottmensch Erlöser und Herrscher. Sein Vorzug vor den Engeln ist schon im Alten Testament ausgesprochen und erhellt aus seinem Namen, aus seiner den Engeln aufgetragenen Anbetung im Gegensatz zur Dienstbarkeit der Engel, aus dem ihm beigegebenen Reiche der Gerechtigkeit, aus seiner Schöpferkraft und Unwandelbarkeit, aus seiner Weltherrschaft im Gegensatz zur dienenden Eigenschaft der Engel.„Mehrmals und auf vielerlei Weise hat einst Gott zu den Vätern durch die Propheten geredet…“ (1. Hebr. 1, 1) durch die mit prophetischem Geist begabten Männer (Luk. 1, 70), durch Adam, Noah, Abraham, Moses, David, Isaias und die übrigen Propheten.

Zu verschiedenen Zeiten und anders in der Urzeit, anders in der patriarchalischen Zeit, anders zur Zeit des Gesetzes, anders zur Zeit der Propheten. Immer war es die eine und dieselbe heilige Religion, welche Gott den Menschen offenbarte; nur die Richtung war verschieden: diese nämlich paßte sich immer den zeitgemäßen Bedürfnissen der Menschheit an und schritt vom Minder-Vollkommenen zum Vollkommenen in allmählicher Entwicklung der Offenbarungslehren vorwärts. Andere beziehen „auf vielerlei Weise“ auf die Art der Mitteilung, die auch verschieden war, d.i. bald durch Träume, bald durch Erscheinungen, bald durch unmittelbare Eingebung (4. Mose 12, 6-8), bald drohend, bald strafend, bald liebreich verheißend.

(Allioli, Joseph Franz Vorwort zum Brief des hl. Apostels Paulus an die Hebräer)

Sogleich nach der Sünde der ersten Eltern stiftete Gott das Reich der Wahrheit, Tugend und Gottseligkeit wieder (1. Mose 3, 8 ff.), welches der Satan auf Erden zu zerstören gesucht hatte (1. Mose 3, 1 ff.). Mit diesem Reiche auf Erden verhält es sich wie mit allem, was hienieden in der Zeit auf dem Erdenraum besteht. Es entsteht, wächst, breitet sich aus und vollendet sich am Ende der Zeiten. Darum vergleicht es der göttliche Heiland (Matth. 13, 31) mit einem Senfkörnlein, das zum großen Baum erwächst. Gott gründete es zuerst in der bußfertigen Familie unserer ersten Eltern und bestimmte es zum Segen für alle ihre Nachkommen; aber der böse Wille der Menschen setzte der göttlichen Gnade solche Hindernisse, daß es sich nur in dem frommen Geschlecht der Nachkommen Seths (1. Mose 4, 25. 26) und zuletzt nur in einem kleinen Zweige der Familie Noahs (1. Mose 6, 9), in dem Hause Abrahams (1. Mose 10,1: 11,10. 26: 12,1) erhielt, welchem Gott den Befehl erteilte, sein dem Götzendienst ergebenes Vaterland zu verlassen, und in ein Land zu ziehen, das er ihm zeigen würde. So blühte das Reich des Herrn in den patriarchalischen Hütten Abrahams, dessen Sohnes Isaaks und Enkels Jakobs, immer erst nur in einzelnen wenigen Familien. Nach Abraham, Isaak und Jakob gründete es Gott unter einem ganzen Volk, nämlich unter den Nachkommen dieser Patriarchen, nachdem sie unter Moses Ägypten verlassen hatten und ins Land ihrer Väter nach Kanaan wieder eingezogen waren. Beinahe zwei tausend Jahre beschränkte es Gott einzig auf das Volk Israel, aber in einem Nachkommen Abrahams nach dem Fleische, der zugleich der Sohn Gottes war, in Jesu Christo, erhielt es die Bestimmung, sich allmählich über alle Völker auszubreiten, um ihnen die Segnungen zuzuwenden, welche die Menschheit durch die Sünde verloren hatte. So erschien das Reich Gottes, die heilige Religion, zuerst in einer Familie, hierauf in einem Geschlechte, dann in einem ganzen Volke, endlich als Religion aller Völker, das ist: allmählich, nach dem Entwicklungsgang alles dessen, was auf Erden bestehen soll. Zu allen Zeiten war es wesentlich dieselbe heilige Religion, derselbe Glaube (Hebr. 11), durch welchen alle sich beseligten; aber diese Religion, dieser Glaube erschien in verschiedenen Abstufungen in immer weiterer Entwicklung. Man heißt diese Abstufungen gewöhnlich die patriarchalische, mosaische und christliche Offenbarung. In Bezug auf ihre Einheit und stufenweise Verschiedenheit vergleicht sie der heilige Paulus (1. Kor. 13, 11; Gal. 3, 24) mit den stufenweisen Bedürfnissen des menschlichen Alters, der Kindheit, des Jünglings- und Mannesalters. Wie der Mensch auf jeder Stufe seines Alters derselben Wahrheit bedarf, wiewohl in verschiedener Weise, so musste die Offenbarung zu verschiedenen Zeiten auf verschiedene Weise mitgeteilt werden. Das Kind glaubt und liebt und braucht wenig Gesetze, weil es in der Liebe und im Glauben sein Gesetz trägt: so bedurfte die kindliche Patriarchenwelt weniger Gesetze, weil sie Liebe, kindliche Hingabe und Glauben im hohen Grade besaß. Der Jüngling, in welchem Dünkel und Selbstsucht in dem Maße zunehmen, als Liebe und Glaube in ihm zurücktreten, bedarf vieler Lehre und Zucht: so musste Israel, nachdem es in Ägypten zu einem ungeschlachten, hartnäckigen Volke erwachsen war, unter die Zucht eines harten Gesetzes und religiösen Dienstes gebracht werden, damit ihm immer und immer eingeschärft würde, was es zu tun hätte, und daß es zu heiligen Gewöhnungen erzogen würde. Da es zu dieser Zeit sinnlich und roh war, konnte es auch die hohen, geistigen Wahrheiten ohne Bilder und Gleichnisse nicht fassen. Daher gab ihm Gott die Religion der Wahrheit und Liebe in lauter sichtbaren und gleichsam anfaßbaren Formen, in sinnbildlichen Gebräuchen und Opfern, die wie ein Schatten sind von dem eigentlichen Gegenstande, wie eine Schale über den Kern, wie eine Hülle über einen überschwänglichen Geist.

Als endlich die Zeit gekommen war, daß das Volk Israel aus dem Jünglings- ins vollkommene Mannesalter treten sollte, da ward die göttliche Erziehung wieder anderer Art. Wie der vollkommene Mann in seiner Erkenntnis glaubt und liebt, und das Gesetz im Glauben und der Liebe trägt, ohne einer Zucht und eines Zwanges zur Erfüllung desselben zu bedürfen: so musste nun das Zuchtgesetz aufhören, und statt der sinnlichen Hüllen die Religion der Wahrheit, des Glaubens und der Liebe in ihrer unmittelbaren Anschaubarkeit erscheinen: so musste ein Gesetz kommen, das nicht mehr auf steinernen Tafeln äußerlich sich vorstellt, sondern aus innerlichem Antriebe, aus Gnade und Liebe vollzogen wird, so musste die Wahrheit nicht mehr bloß in Bildern anschaubar gemacht, sondern unmittelbar gelehrt werden. Diese neue Offenbarung des Geistes und der Wahrheit, des Glaubens und der Liebe, dieses innerliche Gesetz der Gnade brachte der Sohn Gottes, der im Fleische als Sohn Abrahams, als Retter aller Menschen von Sünde und Elend auf Erden erschienen war, wie er in den Bildern und Weissagungen des Alten Bundes vorhergesagt wurde. Denn, schreibt der heilige Verfasser des Briefes an die Hebräer (1, 1), „bei verschiedenen Gelegenheiten auf verschiedene Weise hat Gott durch die Propheten zu den Vätern gesprochen; jüngst in diesen Tagen aber hat er zu uns gesprochen durch seinen Sohn, den er zum Erben aller Dinge gesetzt, und durch den er die Welt erschaffen hat.“ Er stiftete den neuen Bund Gottes mit den Menschen, wovon der Prophet Jeremias geweissagt hat: „Das ist der Bund, den ich mit dem Hause Israel schließe nach jenen Tagen: Ich will mein Gesetz in ihr Inneres legen und es in ihr Herz schreiben: und ich will ihr Gott sein, und sie sollen mein Volk sein.“ (Jer. 31, 33. Not. 47).

(Allioli, Joseph Franz Vorwort zu den heiligen Evangelien)

Quelle: Dr. Joseph Franz Allioli, Die Heilige Schrift des alten und neuen Testamentes; aus der Vulgata, Bd. 5, 1838

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