Der dreifache Kampf des Christen

Über den dreifachen Kampf des Christen

20. Mai

Labora sicut bonus miles Christi.
„Arbeite wie ein guter Streiter Christi.“ (II. Tim. II, 3)

1. Erwäge, daß jemand in dreifacher Weise ein Streiter Jesu Christi sein kann:
I. insofern er gegen ungerechte Gewaltmenschen kämpft: und in diesem Sinne war jeder Blutzeuge sein Streiter, und zwar ein sehr tapferer Streiter: „Er gab ihm einen starken Streit, damit er siege“ (Weish. 10, 12);
II. insofern er gegen die Irrtümer ankämpft; und in diesem Sinne sind seine Streiter die Lehrer der heiligen Wissenschaft, die Oberhirten, die Verkünder des göttlichen Wortes und andere, die ähnlichen Beruf haben, – welche alle insgesamt stets in Bereitschaft sind, um die Scheusale des Irrtums, die fortwährend in der Kirche Gottes wider den Glauben sich erheben, kaum daß sie zum Vorschein kommen, sogleich zu durchbohren: „Streite einen guten Streit des Glaubens“ (1. Tim. 6, 12);
III. insofern er gegen die eigenen bösen Begierlichkeiten und folglich gegen die drei Ursachen kämpft, welche stets eifrig bemüht sind, dieselben aufzuregen: nämlich gegen die Welt, gegen das Fleisch und gegen den Teufel; und in diesem Sinne ist jeder Christ Streiter Jesu Christi: „Lasset uns zu dem uns obliegenden Streit eilen, und dabei aufblicken zu dem Urheber und Vollender unseres Glaubens, Jesus, der statt der Freude, die ihm zu Gebote stand, das Kreuz ertrug und die Schmach nicht achtete.“ (Hebr. 12, 1,2)

Du wirst vielleicht glauben, daß nicht jede von diesen drei Arten des Kriegsdienstes dir zustehe, sondern bloß die dritte, welche man in mehr ausgedehntem Sinn die allen Christen gemeinsame nennt. Dem ist aber nicht so. Zu allen diesen drei Gattungen von Kriegsdienst ist jeder Christ gehalten, obwohl sich nicht allezeit für jeden die Gelegenheit ergibt, in allen diesen drei Arten des Kampfes sich wirklich beteiligen zu müssen.

Darum ist der Aufruf des Apostels: „Arbeite wie ein guter Streiter Christi!“ – sehr umfassend. Wer ein guter Streiter in einer Beziehung wäre und nicht auch in der anderen, könnte nicht würdig sein, geradezu ein guter Streiter genannt zu werden.

Arbeite wie ein guter Streiter Christi

2. Erwäge, daß hier der Apostel nicht sagt: Streite, sondern arbeite, wie ein guter Streiter Christi. Denn nicht immer ist uns die Gelegenheit gegeben, uns in jeder von den drei oben gedachten Kampfesarten zu versuchen und zu erproben; aber allezeit ist es für uns notwendig zu arbeiten.

Tüchtige Heerführer lassen die Soldaten niemals müßig gehen, sondern, wenn auch vollkommener Friede herrscht, üben sie dieselben zum Kampfe ein. So verfährt auch Christus der Herr. Wenn du auch nicht jederzeit gegen alle jene drei Gattungen von Feinden zu kämpfen hast, welche wir eben schilderten; so will er doch, daß du dich wenigstens immer während zum Kampf wider sie übest.

Es ist wahr: wir stehen jetzt nicht unter ungerechten Gewalthabern, gegen welche du deine Tapferkeit zu zeigen hättest, indem du „einen starken Streit“ kämpfest; nichtsdestoweniger musst du aber doch, als ein wahrer Christ, die heiligen Blutzeugen des Herrn nachahmen, wenn nicht im wirklichen Kampf wie sie, so doch, indem du zur Übung, um mich so auszudrücken, die Lanze brechen lernest.

Darum musst du dich gewöhnen, deinen Glauben immer lebendig zu erhalten, als ob du ihn tapfer vor einem öffentlichen Richterstuhl zu verteidigen hättest: du musst dich gewöhnen, das Leben zu verachten, als ob auch du es mutig für Jesus Christus hinzugeben hättest: du musst dich gewöhnen, deinen Körper zu hassen, übel zu behandeln, abzutöten, zu züchtigen, als ob auch du ihn entblößt, mit unerschrockenem Sinne, den grausamsten Henkersknechten preiszugeben hättest. O welch herrliche Kampfesübung ist diese, in der du, wenn du auch nicht zur Märtyrerkrone gelangst, doch danach mit Eifer ringest!

Gibst du aber im Gegenteil dich ganz und gar der eigenen Gemächlichkeit und Ruhe hin, kannst du dann von dir rühmen, daß auch du ein guter Streiter Christi seiest? Du bist es wohl dem Munde nach, aber keineswegs in der Tat: „Arbeite wie ein guter Streiter Christi!“

Lerne gegenüber Irrtümern aufzutreten

3. Erwäge ferner, daß es zwar vielleicht nicht deine Aufgabe ist, gegen die Irrlehrer zu Feld zu ziehen, weil du weder ein Lehrer der heiligen Wissenschaft noch ein Oberhirt noch ein Verkünder der göttlichen Wahrheit bist, und auch sonst in keinem ähnlichen Beruf lebst, so daß du die bösen Ungeheuer zu durchbohren hättest, kämpfend „den Kampf des Glaubens“.

Nichtsdestoweniger musst du auch, sofern du ein wahrer Christ sein willst, die oben genannten kriegerischen Streiter nachahmen, indem du dich fähig und rüstig machst, wenigstens die vielen abscheulichen Widersprüche niederzuschlagen, welche tagtäglich gegen die auf die sittliche Tätigkeit bezüglichen Wahrheiten des Evangeliums sich erheben.

Siehst du nicht, welche Meinungen heut zu Tage sogar im Herzen des christlichen Volkes herrschend sind? Es sei eine Schmach, dem Feind zu verzeihen, nachzugeben, sich selbst zu bewältigen, sich zu verdemütigen, häufig die heilige Beichte zu verrichten, oftmals zur heiligen Kommunion hinzutreten, die abgeschlossenen Betsäle, wo man den Übungen frommer Bußwerke sich hingibt, zu besuchen, – als ob das lebendige Bekenntnis der christlichen Wahrheit für einen hohen Stand ungeziemend wäre. Wir wirst also du dich entschuldigen können, wenn du nicht im Stande bist, wenigstens bei solchen Gelegenheiten alle Höhen nieder zu werfen, welche sich gegen die Erkenntnis Gottes erheben? (2. Kor. 10,5)

Die auf das sittliche Handeln bezügliche Kenntnis ist ebenso gut auch eine Erkenntnis Jesu Christi, wie jene, welche in dem kirchlichen Glaubensbekenntnis enthalten ist, und mehr die zunächst den Verstand ansprechenden Glaubenssätze zum Gegenstand hat. Wie kannst du also, wenn du sein Streiter bist, es ruhig ertragen, daß so viele diese unsere sittliche Handlungsweise ordnenden Wahrheiten tagtäglich in ihren tollen Zusammenkünften verlachen und verdammen?

Wenn du nicht weißt, wie man dergleichen Irrtümer entgegentreten soll, hast du leicht Gelegenheit, es zu lernen. „Arbeite also wie ein guter Streiter Christi!“

Auch während der Ruhe wachsam sein

4. Erwäge dann weiter: obgleich die Welt, das Fleisch und der Teufel, wie du weißt, so böse und lästige Feinde sind, daß sie niemals Frieden schließen; so gestatten sie dir doch manchmal zufällig einen kurzen Waffenstillstand. Aber hast du etwa deshalb nicht jeden Augenblick, wie ein guter Streiter, mit den Waffen in der Hand zu dem dir obliegenden Streit bereit zu stehen? Im Gegenteil – gerade deshalb gewähren dir die hinterlistigen Gegner bisweilen einige Waffenruhe, um dich schläfrig zu machen, so daß du die Waffen, wenn du sie auch nicht wegwirfst, doch wenigstens den Händen entfallen lassest.

Wenn es also irgend eine Zeit gibt, wo du mehr als je besorgt sein musst; so ist dies dann, wann du dich vielleicht am sichersten wähnst, indem eben alsdann der Herr ihnen gestattet, daß sie dich desto heftiger angreifen, um dich für deine Nachlässigkeit zu bestrafen. „Erhebet euch, und steigt hinauf zu dem Volke, das sich der Ruhe hingibt und sorglos wohnt, spricht der Herr: sie haben keine Türen und keine Riegel: allein wohnen sie.“ (Jer. 49, 31)

Für das richtige Verhalten des Kriegsmannes gilt demnach als Gesetz, daß er den festen Platz bewache, als ob das feindliche Heer schon an den Mauern läge, – auch zur Zeit, wo man weiß, daß es nicht einmal noch ins Feld gezogen sei: „Arbeite wie ein guter Streiter Christi!“ Kein Krieger muss immerfort kämpfen; aber jeder muss immerfort Arbeit und Beschwerde tragen.

Alles aus Liebe zu Jesus

5. Erwäge endlich: um in Wahrheit ein guter Streiter Christi zu sein, musst du nicht bloß mit aller Treue das vollziehen, was wir bisher gesagt haben; sondern du musst es auch nur aus Liebe zu ihm vollziehen: sei ein Freiwilliger und halte es unter deiner Würde, ein Söldner zu sein.

Der Söldner kämpft nicht so fast für seinen König als für den eigenen Nutzen; denn bei allem, was er tut, hat er seine Löhnung zum Zweck. Der Freiwillige dagegen tut bloß für seinen König Dienste.

So nun, wenn du nach dem Vorbilde der Blutzeugen kämpfest, „Arbeite wie ein guter Streiter Christi!“ Schaue nur auf Ihn allein! Züchtige dein Fleisch nicht in der Absicht, um dadurch in diesem Leben für jene viel schwereren Strafen Genugtuung zu leisten, welche du in der anderen Welt verdient hättest; sondern – um dadurch deine Schuld zu sühnen: „Schonet der Wurfgeschosse nicht, weil sie wider den Herrn gesündigt hat.“ (Jer. 50, 14) Dies muss der wahre Beweggrund sein: „Rufet wider sie, weil die Rache des Herrn anbricht: nehmet Rache an ihr; wie sie getan hat, tuet ihr.“ (Jer. 50, 15) Dann ergeht die Rache des Herrn, wann du bedacht bist, deine Schuld zu büßen; während im anderen Fall, wann du die Absicht hast, deine Strafe abzubüßen, nicht so fast die Rache des Herrn als deine eigene ergeht, weil es eine Rache ist, die ganz deinen Vorteil zum Zwecke hat.

So, wenn du das Lehramt übest, wenn du die Hirtensorge führest, wenn du das göttliche Wort verkündest, wenn du sonst in irgend einer Weise wider die Irrlehrer zu Felde ziehst oder dich rüstest, gegen dieselben in den Kampf zu treten; „arbeite als ein guter Streiter Christi“: tue es aus Eifer für die Ehre Gottes, und tue es nicht (wenigstens sei dies nicht deine Hauptabsicht) um des Gehaltes und Einkommens willen, welches diese Art von Kriegsdienst einzutragen pflegt: „Siehe, ich werde über sie die Meder erwecken, welche kein Silber suchen und kein Gold begehren, sondern mit Pfeilen die Kinder töten.“ (Is. 13, 17,18) Das sind die guten Soldaten, welche nicht auf Plünderung ihre Absicht richten, die „kein Silber suchen und kein Gold verlangen“; denn diese verschonen niemand: sie sind unerbittlich und streifen nicht den Tag über durch die Häuser, um dort Geld zu erbeuten, unter dem Vorwand, daß sie daselbst versteckte Feinde suchen. Sie kämpfen mit Pfeilen: „mit Pfeilen töten sie die Kinder“: was so viel bedeutet als: sie kämpfen von Weitem.

So endlich, wenn du darauf bedacht bist, über deine Sünden den Sieg zu erringen; „arbeite wie ein guter Streiter Christi“: hefte dein Auge nicht einmal auf die Herrlichkeit des Himmels. Dein Zweck muss einzig und allein der sein, daß du dem gefallest, der vom Himmel herab dir zuschaut, wie du in den Gefahren und im Streit dich benimmst. Siehst du nicht dort den tapferen Soldaten, der unter seines Königs Augen zum Angriff stürmt? Nicht mehr denkt er an sein eigenes Leben, geschweige denn an Sold und Löhnung: ob er verwundet wird, ob er zerschmettert und zerrissen wird, – er achtet dessen nicht. Und warum dies? „Damit er dem gefalle, dem er sich ergeben hat.“ (2. Tim. 2, 4) Dies muss auch dein Zweck und Endziel sein.

Wenn du bei irgend einem von jenen drei Gattungen des Kriegsdienstes an dich selber denkst, dann streitest du für dich, und kämpfest nicht für Jesus Christus. „Arbeite also wie ein guter Streiter Christi“, und ahme dem glorreichen heiligen Bernhardin nach, der in allen jenen drei Arten als ein so unvergleichlicher Streiter sich bewährte. –
aus: Paul Segneri S.J., Manna oder Himmelsbrod der Seele, 1853, Bd. II, S. 334 – S. 339

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