Gründe für Fasten und Abtötung

Gründe für Fasten und Abtötung: eine Stückchen Brot und Glas Wasser

Einige Gründe für Fasten und Abtötung

Aus einer Sonntags-Lesung zum 1. Fastensonntag 

Am Beginn der öffentlichen Lehrtätigkeit Jesu Christi steht sein 40-tägiges Fasten. Von seinen Jüngern sagt er: „Es werden Tage kommen, da ihnen der Bräutigam genommen wird; alsdann werden sie fasten“ (Matth. 9, 15). Als besonders kräftiges Mittel zur Gebetserhörung weist Christus hin auf das Fasten, indem er spricht: „Diese Gattung (von) Teufeln wird nicht anders ausgetrieben, als durch Gebet und Fasten“ (Matth. 17, 20). Vom hl. Paulus, Barnabas und andern heißt es in der Apostelgeschichte: „Als diese nun dem Herrn den heiligen Dienst verrichteten (die Opferhandlung vornahmen) und fasteten“ (Apostelgesch. 13, 2); dann wieder: „Alsdann fasteten sie und sie beteten usw.“ (Apostelgesch. 13,3); und ferner: „Sie verordneten ihnen mit Gebet und Fasten Älteste in allen Gemeinden“ (Apostelgesch. 14, 22).

Und nach all` diesen Zeugnissen der heiligen Schrift sollte das Fasten nicht echt christlich, nicht echt evangelisch sein?

Suchen wir indes auch einzudringen in die inneren Gründe, aus welchen das Fasten, überhaupt das Verrichten äußerer Bußwerke, dem Geist des Christentums und einer vernünftigen Aszese entspricht. Wir wollen hier absehen davon, dass schon das bloße Beispiel Jesu Christi uns das Fasten lieb machen sollte; ebenso auch davon, dass es, wie gesagt, eine treffliche Übung des Gehorsams gegen die von Christus gesetzte kirchliche Autorität ist. Diese beiden Rücksichten sind ja mehr äußere Gründe. Als innere Gründe dagegen zeigen sich besonders drei: die äußern Bußübungen tilgen unsere Schulden aus der Vergangenheit; in der Gegenwart verleihen sie unsern Gebeten eine größere Wirksamkeit; für die Zukunft stählen sie uns gegen die Einwilligung in Versuchungen.

Die Bußübungen tilgen unsere Schulden aus der Vergangenheit

Zunächst also tilgen sie unsere Schulden aus der Vergangenheit. – Aber hat denn nicht Christus durch sein bitteres Leiden und seinen Tod am Kreuz genug getan für all` unsere Sünden? Hat er nicht einer solchen, auch körperlichen Bußstrenge sich unterzogen, dass es von unserer Seite keiner Buße mehr bedarf? Wenn das der Fall wäre, dann hätte er seine Jünger schwerlich so oft zur Buße gemahnt, dann hätte er schwerlich gepredigt: „Tuet Buße; denn das Himmelreich ist nahe“ (Matth. 4, 17), und: „Wenn ihr nicht Buße tut, so werdet ihr alle auf gleiche Weise zu Grunde gehen“ (Luk. 17, 4).

Aber ist nicht jene Buße, auf welche der Heiland dringt, lediglich eine geistige, keine körperliche? Das entspräche wenig der Natur des Menschen, die aus Leib und Seele zusammen gesetzt ist, und deren beide Teile Buße tun sollen, falls sie es können. Nein! Wir sollen Buße tun, äußere und innere, Buße an Leib und Seele, Buße für unsere Sünden und nach Kräften auch für die Sünden anderer.

Doch ich frage wieder: Hat nicht Christus derart genug getan für die Sünden aller Menschen, dass es von unserer Seite keiner Buße mehr bedarf? So dachte jedenfalls nicht der hl. Paulus, welcher schreibt: „Ich ersetze das an meinem Fleisch, was an den Leiden Christi für seinen Leib, welcher die Kirche ist, mangelt“ (Kolosser 1, 24).

Was mangelt an den Leiden Christi?

„Was denn mangelt an den Leiden Christi“? Wie kann noch etwas mangeln an der genugtuenden Kraft eines Leidens, dessen Wert ein unendlicher ist? Freilich! An der Genugtuung mangelt nichts, wohl aber an der Zuwendung der Genugtuung. Auch die Sakramente, welche Christus eingesetzt hat, haben eine unendliche Kraft. Aber zur Einsetzung muss noch etwas hinzukommen, damit diese Kraft sich äußere; es muss hinzukommen der Empfang des Sakramentes.

Ähnlich müssen wir durch innere und äußere Bußübungen das Leiden Christi uns gleichsam aneignen, um dessen Früchte zu erlangen. Wäre dem nicht so, dann würden die ärgsten Verbrecher so gut, wie die Heiligen, eingehen in den Himmel. Nun aber hat Christus es also geordnet, dass trotz seines Leidens von unendlichem Wert die Todsünder ewig verdammt werden. Wer ganz rein von Sünden und Sündenschuld aus dem Leben scheidet, gelangt unmittelbar in den Himmel. Wer aber noch mit zeitlichen Sündenstrafen beladen ist, muss diese im Reinigungsort abbüßen.

Wer dem entgehen will, möge dieselben auf Erden tilgen. Hier auf Erden geschieht das ungleich leichter und weniger schmerzlich, als im Jenseits. Da wir Menschen aber zu wenig an das Jenseits und an unsere Rechnung bei Gott zu denken pflegen und das Abbüßen der Strafen hier auf Erden zu sehr vergessen würden, so kommt die Kirche unserer Leichtfertigkeit zu Hilfe, indem sie die Fastenzeit vorschreibt und uns hierdurch zur Buße anhält.

Das ist für die Vergangenheit der Wert der Buße, dass sie unsere Schulden abträgt. –

Die Bußübungen für die Gegenwart

Für die Gegenwart ist sie ein treffliches Mittel, unsern Gebeten mehr Kraft zu verleihen.

Gott ist frei in Verteilung seiner Gnaden. Aber bei Austeilung derselben richtet er sich nach der Inständigkeit der vorgetragenen Bitte. Wer lau und gleichgültig bittet, wird nicht so leicht Erhörung finden; wer mit ganzer Inbrunst des Herzens betet, wird sicherer erhört. Einem Bettler, der bei großer Kälte stundenlang geduldig vor der Türe ausharrt, wird man schließlich etwas geben. Gott aber handelt mit uns Menschen nach Menschenart. Wenn er sieht, wie wir unsere Gebete mit harten Bußübungen begleiten, dann wird er um so eher uns erhören.

Das wussten schon die Niniviten. Um Erfolg zu haben, fügten sie ihren Gebeten Fasten hinzu, und sie wurden erhört, so dass Gott jenes Strafgericht zurückzog, welches er schon über sie verhängt hatte. Der Prophet Jonas erzählt uns den Vorgang in der patriarchalischen Weise des Alten Testamentes … (Siehe Jonas, Kap.3)

Ähnlich dienen die äußeren Abtötungen, insbesondere das Fasten, um auch die inneren Gnaden Gottes auf uns herabzuziehen. Zu diesen Gnaden gehören Bewahrung vor Versuchungen und Kraft, denselben zu widerstehen. Indem diese Bußwerke uns solche Gnaden verschaffen, helfen sie unser ewiges Heil für die Zukunft sicherstellen. Diese Sicherstellung bewirken sie außerdem noch auf andere, mehr natürliche Weise.

Falls wir nämlich in Versuchungen unterliegen, so geschieht das wegen der Schwäche unseres Willen. Ein Wille, der sich von jedem Wind der Leidenschaft machtlos hin- und hertreiben lässt, widersteht freilich nicht, wenn die böse Lust ihn heftiger versucht. Ein Wille, der bei jeder Schwierigkeit zusammen knickt, wird freilich nicht die Kraft haben, für seinen Glauben oder seine Unschuld als Märtyrer in den Tod zu gehen. Und doch kann von dieser Widerstandskraft unseres Willens das ewige Heil anhängen. Was müssen wir also tun, um unser Heil zu sichern?

Wir müssen den Willen kräftigen

Und wie kräftigen wir ihn? Indem wir denselben in Ertragung von inneren und äußeren Widerwärtigkeiten üben, indem wir ihn geistiger Weise gleichsam turnen lassen. Üben wir uns in Entsagung, z. B. bei Speise und Trank, also im Fasten oder in Enthaltung von bestimmten Speisen, nach welchen der Gaumen und folgeweise der Wille besonders verlangt! Dann gewöhnt sich der Wille an Selbstverleugnung und wird sie um so leichter üben gegenüber den Lockungen der Fleischeslust. Bändigen wir den Willen derart, dass er dem eigenen Körper durch Zufügung freiwilliger übernommener schmerzhafter Bußen Gewalt antun lernt!

Dann wird es ihm eher gelingen, dass er, wenn es sein müsste, die Qualen der Märtyrer erträgt und hierdurch sich die ewige Siegeskrone erringt, nicht aber eine Beute der ewigen Flammen wird.

Von manchen Märtyrern, z. B. in Japan, lesen wir, dass sie die Leiden eines langwierigen Kerkers noch erhöhten durch freiwillige Bußwerke. Dafür aber erhielten sie auch die Gnade und die Kraft, als Sieger aus den furchtbarsten Martyrien hervorzugehen! Seit Jahrhunderten genießen sie jetzt die Wonnen des Himmels und werden sie ferner genießen durch alle Ewigkeit. Wie werden sie sich freuen über die inneren und äußeren Übungen der Buße, welche sie einst auf Erden übernahmen! Wir aber wollen ihrem Beispiel folgen und der Worte des hl. Paulus gedenken: „Unsere gegenwärtige Trübsal, die augenblicklich und leicht ist, bewirkt eine überschwängliche, ewige, alles überwiegende Herrlichkeit in uns“ (2. Korinth. 4, 17).

Der Gedanke an diese Herrlichkeit wird uns die Ertragung der Bußübungen erleichtern, sowohl jener, welche die Pflicht uns auferlegt, wie das kirchlich gebotene Fasten, als auch jener, welche wir etwa aus eigener Andacht hinzufügen. Im Himmel aber werden wir alsdann ewig uns freuen über das Leben der Buße, welches wir auf Erden geführt haben. –
aus: Ludwig von Hammerstein SJ, Sonn- und Festtagslesungen für die gebildete Welt,1989, S. 191 – S. 195

Siehe auch Beiträge von Ludwig von Hammerstein auf katholischglauben.online

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