P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung
§ 4. Notwendigkeit des Glaubens
Macht jeder Glaube selig?
Nein, nur der wahre Glaube, den Christus der Herr uns gelehrt hat, macht selig; denn nur von diesem Glauben sprach er, als er sagte: „Wer glaubt und sich taufen läßt, wird selig, wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden.“ (Mark. 16, 16)
Behaupten, daß jeder Glaube selig macht, heißt ebenso viel als behaupten, daß jeder, auch der verkehrteste Weg zum vorgesteckten Ziele führt; denn der Glaube zeigt den Weg zum Himmel und ist selbst der erste Schritt auf diesem Wege. Der Glaube ist ferner die Richtschnur des Lebens; wer da glaubt wie ein Türke oder Heide, der wird auch nicht besser leben als ein Türke oder Heide. Wenn demnach jeder Glaube selig machte, so müsste auch ein heidnisches Leben zur Seligkeit führen. –
Gott ist die Wahrheit selbst, deshalb kann er nur an der Wahrheit sein Wohlgefallen haben. So unmöglich es demnach ist, ohne Glauben Gott zu gefallen, ebenso unmöglich ist es auch, ihm zu gefallen ohne den wahren Glauben. Welches ist aber der wahre Glaube? Kein anderer als der, welchen uns Christus der Herr gelehrt hat. Denn „Gnade und Wahrheit ist uns durch Jesus Christus geworden“. (Joh. 1, 17)
Durch diesen Glauben allein haben wir auch Anteil an Christus, ohne den kein Heil ist. Er selbst sagt ja: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater außer durch mich.“ (Joh. 14, 6) „Es ist in keinem andern Heil“, bezeugt der vom Hl. Geist erfüllte Apostel Petrus am ersten Pfingsttage (Apg. 4, 12); „denn es ist kein anderer Name unter dem Himmel den Menschen gegeben, wodurch wir selig werden sollen.“ Wollen wir durch Jesus Christus gerettet werden, so müssen wir uns an ihn anschließen und seine Jünger werden; wir müssen seine Lehre befolgen und die Heilsmittel, die er uns anbietet, gebrauchen. Wie soll aber dies möglich sein, wenn man sich sogar weigert, an ihn zu glauben? Wer seine Lehre nicht glaubt, der kann sie nicht befolgen, wer die Kraft seiner Heilsmittel nicht anerkennt, der wird sie nicht gebrauchen und deshalb auch niemals zum ewigen Leben eingehen. Eben darum beteuert der göttliche Heiland die Notwendigkeit des christlichen Glaubens in den kräftigsten Ausdrücken: „Wer an (mich) den Sohn glaubt, der hat das ewige Leben; wer aber dem Sohne nicht glaubt, der wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt über ihm.“ (Joh. 3, 36)
Aus dem Gesagten erhellt, wie unverständig das Gerede jener sei, die da sagen, auf den Glauben komme es nicht an, es sei im Grunde einerlei, was man glaube, eine Religion sei allerdings notwendig, denn ohne sie könne die Welt nicht bestehen, aber jede Religion sei gut. (siehe dazu die Beiträge zum Thema Indifferentismus) Ist ein solches Gerede nicht gotteslästerlich? Ohne Grund hätte er seinen eingebornen Sohn in die Welt gesandt und zur Beglaubigung seiner Sendung so viele erstaunliche Wunder gewirkt? Ohne Grund hätte also Jesus gepredigt und seinen Jüngern befohlen, aller Welt das Evangelium zu verkünden? Unwahr wäre also sein Wort: „Wer glaubt, der wird selig werden; wer aber nicht glaubt, der wird verdammt werden“? Wenn es einerlei ist, was man glaubt, wenn jede Religion gut ist, so waren die Millionen christlicher Märtyrer, die eher ihr Blut verspritzen als ihren Glauben verleugnen wollten, bedauerliche Toren. Wenn jede Religion gut ist, so war auch die Religion der Phönizier gut, welche ihnen gebot, ihre unschuldigen Kinder in die glühenden Arme des Götzen Moloch zu legen; auch die der Mexikaner war gut, welche sie antrieb, jährlich gegen 20000 Menschen ihren Göttern zu opfern. Ist es einerlei, welche Religion man habe, so hätten auch unsere Vorfahren getrost Heiden bleiben können, so hätte der große hl. Bonifatius töricht gehandelt, daß er mit Hingebung seines Lebens sie den wahren Gott kennen lehrte, und wir, ihre Nachkommen, täten geradeso gut daran, die alten heidnischen Götter anzubeten, als unseren Gott und Herrn zu verehren. Seht, zu solchem Unsinn kommt man mit dem Grundsatz: „Jede Religion ist gut.“ –
Dennoch bilden manche sich ein, damit etwas sehr Gescheites zu sagen. Was verstehen sie darunter? Etwa, daß jede Religion gleich wahr sei? Wie ist das möglich? Es kann doch nicht gleich wahr sein, daß Christus Gott und nicht Gott, daß Mohammed ein Prophet Gottes und daß er ein schändlicher Betrüger sei. Ist das eine wahr, so ist das andere notwendig falsch. Aber dann sind nicht alle Religionen gut, sondern alle schlecht. Oder ist vielleicht der Sinn ihrer Rede dieser, man müsse allerdings eine Religion haben, sie sei für den Menschen ein Bedürfnis; da man aber die wahre aus den vielen falschen nicht herauszufinden wisse, so solle jeder bei der seinigen bleiben, im Grunde seien doch alle gut? Jene, die so reden, sehen also wenigstens ein, daß die Religion eine notwendige Bedingung sei, um glücklich zu leben, und hierin haben sie vollkommen recht. Auch die Heiden sahen dieses ein; sie erkannten, daß die Religion für den Menschen eine Quelle des Trostes, der Kraft, der sittlichen Veredelung sei, daß auf ihr wie auf einem Grundpfeiler die Sicherheit sowohl des Staates als der einzelnen Bürger ruhe, daß leichter eine Stadt in der Luft als gesetzliche Ordnung ohne Religion bestehen könne. Deshalb sagte auch einer der Weisesten unter ihnen (Plato), daß die Religion untergraben soviel heiße als den Grundpfeiler der menschlichen Gesellschaft zertrümmern. Wenn aber nun die Religion so notwendig ist, so folgt offenbar, daß Gott dem Menschen auch eine Religion gegeben hat. Hat aber Gott selbst dem Menschen eine Religion gegeben, so ist zweifelsohne diese allein die wahre, diese allein gut, diese allein von allen anzuerkennen und auszuüben. Sind wir aber schuldig, sie anzuerkennen und auszuüben, so muss Gott auch dafür gesorgt haben, daß sie von allen, die redlich nach der Wahrheit forschen, erkannt werden könne. „Ich habe geglaubt“, sprach nach seiner Bekehrung ein bekannter Freidenker (La Harpe), „sobald ich aufrichtig nachgeforscht habe; forschet auch nach, und ihr werdet auch glauben.“ –
Ja, wie das strahlende Sonnenlicht jedem leuchtet, der demselben sein Auge öffnet, so leuchtet auch die Wahrheit der christlichen Religion jedem, der redlich nach ihr forscht und bereit ist, die Pflichten, die sie auferlegt, zu erfüllen. „Den Frommen ist ein Licht aufgegangen in der Finsternis.“ (Ps. 111, 4) „Das ist aber eben das Gericht“, spricht Christus der Herr, „daß das Licht in die Welt gekommen ist und die Menschen die Finsternis mehr liebten als das Licht.“ Warum lieben sie aber die Finsternis mehr als das Licht? „Weil ihre Werke böse sind; denn jeder, der Böses tut, hasset das Licht und kommt nicht an das Licht, damit seine Werke nicht gerügt werden.“ (Joh. 3, 19-20) –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 1. Band Lehre vom Glauben, 1911, S. 70 – S. 73