Offenbarung Gottes durch Jesus Christus

Das Kirchenjahr Weihnachtskreis, Osterkreis, Pfingstkreis: In dem Bild sieht man die allerheiligste Dreifaltigkeit, Gott Vater, Gott Sohn Jesus Christus, Gott Heiliger Geist als Taube

P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung

§ 1. Gott und seine Eigenschaften

Die Erkenntnis Gottes durch übernatürliche Offenbarung 

Wodurch hat sich Gott dem Menschen auf übernatürliche Weise zu erkennen gegeben?

Durch die Offenbarung, welche er anfangs durch die Patriarchen und Propheten und zuletzt durch seinen Sohn Jesus Christus uns gegeben hat.

Die Offenbarung durch Jesus Christus ist die strahlende Mittagssonne, womit es Gott gefiel, die Welt in der Fülle der Zeit zu erleuchten. Denn wiewohl auch die Vernunft imstande ist, sich von dem Dasein Gottes zu überzeugen und zu erkennen, daß derselbe höchst mächtig, weise und gerecht, der Urgrund alles seins und die Quelle alles Guten sein muss (Catech. Roman. P. I, cap. II, n. 6), so war dennoch in der heidnischen Vorzeit diese natürliche Erkenntnis einem Dämmerlicht gleich, welches in der Nacht der Abgötterei nur schwach durchschimmerte. Stand doch selbst zu Athen, dem weltberühmten Sitz aller Wissenschaften, ein Altar mit der Inschrift: „Dem unbekannten Gott.“ (Apgsch. 17, 23) So groß war die Unwissenheit in göttlichen Dingen auch bei denen, die sonst durch Weisheit hervorragten. Wer war aber daran schuld? Nicht so sehr die Vernunft als das verderbte Herz der Menschen und die dünkelhafte Anmaßung ihres Geistes. „Denn nachdem sie Gott erkannt hatten“, schreibt der hl. Paulus, „haben sie ihn nicht als Gott verherrlicht, noch ihm gedankt, sondern wurden eitel in ihren Gedanken, und ihr unverständiges Herz ward verfinstert; sie gaben sich für Weise aus, sind aber zu Toren geworden.“ (Röm. 1, 21. 22) Also vom Stolz und von der Verhärtung des Herzens kam die Verblendung des Verstandes in Bezug auf Gott. Dennoch verstieß sie der Allgütige nicht, sondern nachdem er ihre Unwissenheit in großer Langmut ertragen hatte (Apgsch. 17, 30), gefiel es seiner Weisheit und Güte, sich neuerdings der Welt kund zu tun, nicht mehr wie früher durch heilige Männer, sondern durch seinen eigenen Sohn, der da ist „das wahre Licht“. (Joh. 1, 9 „Denn niemand“, spricht der hl. Johannes (1, 18), „hat Gott je gesehen: der eingeborne Sohn, der im Schoße des Vaters ist, der hat es uns erzählt.“ Ja, er hat uns erzählt vom alleinigen Gott in drei Personen, der in einem unzugänglichen Licht wohnt (1. Tim. 6, 16); vom Vater der Erbarmungen, welcher die Welt so sehr geliebt hat, daß er seinen eingebornen Sohn für sie dahingab ( Joh. 3, 16); von ihm, dem Sohn, der in die Welt kam, um selig zu machen, was verloren war (Luk. 19, 10); vom hl. Geist, dem Tröster und Seligmacher, welchen der Vater und der Sohn uns sandten, damit er bei us bleibe in Ewigkeit. (Joh. 14, 16) Mit einem Wort, er hat uns in seiner Erbarmung die reichlichsten und zuverlässigsten Aufschlüsse über die Gottheit erteilt. Wie mangelhaft wären unsere Erkenntnisse von Gottes unbegreiflicher Natur und unendlichen Vollkommenheiten ohne Christus! Erst durch ihn sind sie geläutert, vervollständigt und vollkommen bestätigt worden. Welches Glück! Von der Finsternis in das wunderbare Licht des Glaubens versetzt (1. Petr. 2, 9), wissen wir jetzt, ja weiß schon jedes stammelnde Kind, was vor Christus keiner von den hoch gepriesenen Weltweisen je zu erkennen vermochte; und das, was jenen erst nach ungeheurer Anstrengung und nur wie im trüben Dämmerschein wahr zu nehmen gelang, das wissen wir nun ohne Mühe klar und sicher durch das Wort der ewigen Wahrheit. Dafür sei dem Herrn ewiger Dank und Preis!

Durch die übernatürliche Offenbarung hat uns aber Gott nicht nur viele überaus wertvolle Wahrheiten kund gemacht, sondern dieselben auch auf die zuverlässigste und einleuchtendste Weise beglaubigt. Er tat dies namentlich durch all jene Wunder und Weissagungen, die wir später zu Beweis für die Messiaswürde und Gottheit Christi näher darlegen werden. Übrigens bekundet er sich auch heute noch auf übernatürliche Weise durch so manche unleugbare Wunder, von denen jedes einzelne hinreicht, Gottes Dasein zu beweisen…

Ob nun trotz der vielen unverkennbaren Zeugnisse für Gottes Dasein sich dennoch Menschen finden, die im Ernst glauben, es gebe keinen Gott, ist sehr zu bezweifeln. Allerdings gibt es auch heute wie zur Zeit des hl. Paulus „Kinder des Unglaubens, in denen der Fürst (der Finsternis) wirksam ist“ (Eph. 2, 2); Leute, die, entweder vom Stolz geblendet oder durch die Sinnenlust vertiert, sich und andere bereden möchten, der Glaube an Gott sei ein leeres Hirngespinst. Ach, wie tief muss ein solcher Mensch gesunken sein! Sogar dem Wilden in den Sandwüsten Afrikas sagt die gesunde Vernunft, daß es einen Gott gibt, und schon die alten Heiden verbannten die Gottesleugner aus dem lande, in der Überzeugung, daß es keine verderblichere Pest auf Erden geben könne als sie. (Plato, L. 10. de legg). Und nun finden sich unter christlichen Nationen Menschen, die den Glauben an einen unsichtbaren Gott verhöhnen? Ach, der entsetzlichen Blindheit! Glauben ist ihnen Torheit! Aber sie, die stets die Wissenschaft im Munde führen, glauben sie denn nicht auch? O, was für Dinge glauben sie nicht! Was nur immer unvernünftig und unglaublich ist. Sie glauben, daß die höchste Ordnung durch bloßen Zufall entstanden sei; sie glauben, daß toter Stoff von selbst lebendig geworden, daß aus vernunftlosen Tieren sich vernünftige Menschen entwickelt hätten, daß ein allgemeines Sittengesetz ohne Gesetzgeber zustande gekommen; sie glauben endlich, daß alle Menschen von Anbeginn bis jetzt im Irrwahn gelebt, und daß erst ihnen das Licht der Vernunft aufgegangen sei.

Gesetzt aber, aber es gelänge ihnen wirklich, den Glauben an Gott abzuschaffen und die Welt nur mit Gottesleugnern anzufüllen; wie werden sie dieselben regieren? Wie werden sie Zucht und Ordnung aufrecht erhalten? Weil der Gottesleugner keinen Herrn über sich anerkennt, so ist auch nichts ihm heilig, keine Pflicht, kein Gesetz, keine Mahnung des Gewissens; er fürchtet keine Sünde, kein Verbrechen, fragt nicht nach Himmel und Hölle. Daß eine solche Gesinnung kein Boden sei, auf dem Edelmut, uneigennützige Liebe und Wohltätigkeit gedeihen, leuchtet von selbst ein. Nicht einmal von einem eigentlichen Recht kann da die Rede sein. All ihr Recht besteht darin, daß unter den Menschen die stärkeren über die schwächeren herrschen, wie unter den Fischen die größeren die kleineren fressen. (*) Was anderes kann also eine Welt voll Gottesleugner sein als eine Räuberhöhle und Mördergrube?

(*) So lehrt ausdrücklich Spinoza (Tract. Theol. Polit. c. 16, de iure uniuscuiusque naturali et civili p. 83), aus dessen Schriften die neueren Atheisten und Pantheisten vielfach ihre Weisheit schöpften. –
aus: P. Joseph Deharbes größere Katechismuserklärung, Ein Hilfsbuch für die Christenlehre und katechetische Predigt, 1. Band Lehre vom Glauben, 1911, S. 156 – S. 159

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