Das Liebfrauenfest Maria Hilfe der Christen
Wie schon im Marianum erwähnt worden, haben die katholischen Christen unter der Anführung des tapferen und frommen Prinzen Johann von Österreich im Jahre 1571 einen glänzenden Sieg über die Türken bei Lepanto errungen. Diesen Sieg schrieb der heilige Papst Pius V. mit Recht der gebenedeiten Gottesmutter zu, welche damals von diesem heiligen Papst sowohl als aus von der ganzen katholischen Christenheit, insbesondere aber von den Mitgliedern der Rosenkranz-Bruderschaft um ihre Hilfe angerufen wurde. Zum Dank hierfür und zum ewigen Gedächtnis hat hierauf der heilige Papst Pius V. verordnet, daß für alle Zeiten in die lauretanische Litanei die Worte eingeschaltet werden: „Maria, du Hilfe der Christen, bitte für uns!“ Mit Freuden folgte die ganze katholische Kirche der Anordnung des Papstes, und fortan ertönten aus dem Munde aller, welche die lauretanische Litanei beteten oder sangen, auch die Worte: „O Maria, Hilfe der Christen, bitte für uns!“ Doch ein eigenes Liebfrauen-Fest unter diesem Titel „Hilfe der Christen“, gab es noch nicht. Dies wurde erst von dem frommen, ehrwürdigen Papst Pius VII. im Jahre 1813 in der ganzen katholischen Kirche eingeführt und wird am heutigen Tag gefeiert. Die Veranlassung hierzu war folgende:
Der Kaiser Napoleon I. von Frankreich, der sich selbst die Geißel Gottes nannte, und beinahe die ganze Welt in Kriegsflammen setzte, um dieselbe seiner Herrschaft zu unterwerfen, wagte es auch, seine Hand an die Rechte des heiligen apostolischen Stuhles zu legen und das Patrimonium des heiligen Petrus, nämlich die vom heiligen Kaiser Karl dem päpstlichen Stuhl geschenkten Länder an sich zu reißen. Mit bewunderungswürdigem Mut widerstand der Herrschsucht dieses ehrgeizigen Mannes, vor dem alle Fürsten zitterten, der damalige Papst Pius VII. Zum Staunen aller katholischen und unkatholischen Völker sprach Pius VII. am 10. Juni 1809 furchtlos den Bannfluch über Kaiser Napoleon aus; dieser aber fuhr fort, der Rache Gottes zu trotzen und ließ sogar den heiligen Vater am 6. Juli 1809 in der Morgendämmerung durch seinen General Radet gefangen nehmen. Soldaten und Gendarmen legten Leitern an den Palast des Papstes, schlugen die Fenster ein und drangen in die Gemächer des heiligen Vaters, der mit Chorrock und Stola angetan, Ehrfurcht gebietend in seinem Sessel saß, und die Häscher erwartete. Längere Zeit stand General Radet stille von Schauer ergriffen, endlich nahte er sich dem heiligen Vater und verlangte von ihm im Namen des Kaisers, daß er auf seine Herrschaft verzichte. Der Papst aber entgegnete ruhig: „Ich habe Alles, was bisher geschehen, getan, nachdem ich die Erleuchtung des heiligen Geistes angerufen hatte, und lasse mich eher in Stücke hauen, als zu verzichten.“
General Radet erklärte hierauf, daß er, wofern der Papst nicht verzichte, den Befehl habe, ihn aus Rom wegzuführen, und da Pius, bereit, sich zu opfern, nichts mehr antwortete, wurde er wirklich mit dem Kardinal Pacca, der den heiligen Vater nicht verlassen wollte, in einem verschlossenen Wagen von Rom, gefangen, zuerst nach Frankreich, und von da wieder zurück nach Savona, einer Seestadt bei Genua, im Königreich Sardinien, abgeführt. Hier nun in dieser Stadt musste Pius VII. gegen fünf Jahre in der Gefangenschaft weilen. Fern von seinem Volk, fern son seinen Kardinälen, musste er unsägliche Drangsale erdulden; denn schrecklich waren die Verwirrungen, welche Napoleon in der Kirche Gottes anrichtete, und höchst unwürdig die Behandlung, welche er dem heiligen Vater zu Teil werden ließ. Doch der fromme Papst Pius VII. setzte sein vertrauen auf Gott und die Fürsprache seiner glorwürdigen Mutter. Er hatte sich und alle seine und der Kirche Anliegen der heiligen Mutter Gottes empfohlen und unaufhörlich rief er zu ihr, der mächtigen Königin des Himmels, der Mutter der Gläubigen. Zu Savona befindet sich eine Kirche und in derselben ein berühmtes Gnadenbild der Lieben Frau unter dem Titel der Mutter der Barmherzigkeit. Der heilige Vater hatte eine große Verehrung gegen dieses Bild und bereits das Gelübde gemacht, es feierlich zu krönen; allein gefangen gehalten, konnte er sein inniges Verlangen nicht ausführen. Nachdem er nun bis zum Jahre 1812 in Savona, von größter Trübsal umrungen, verweilte, wurde er nach Fontainebleau, einer Stadt bei Paris, abgeführt. Im kaiserlichen Palast gefangen gehalten, zwang ihn Kaiser Napoleon, seinen Ländern zu entsagen. Doch der Papst widerrief feierlich diesen Akt, und wurde deshalb wieder gefänglich nach Savona zurück geschleppt. Pius aber wankte nicht im Vertrauen auf die Hilfe der Gottesmutter,und sein Vertrauen wurde nicht zu Schanden. Napoleon traf die Rache des Herrn; er, der über den Bannfluch des Papstes gespottet und gesagt, daß darob seinen Soldaten die Gewehre nicht aus den Händen fallen werden, musste im Jahre 1812 auf Russlands Eisfeldern sehen, daß seinen Soldaten wirklich die Gewehre aus den erstarrten Händen fielen.
Im Jahre 1813 in der großen Völkerschlacht bei Leipzig besiegt, musste er am 11. August des Jahres 1814 in dem nämlichen Zimmer zu Fontainebleau, wo er den heiligen Vater Pius VII. gezwungen hatte, seiner Herrschaft zu entsagen, die Urkunde seiner Thron-Entsagung unterschreiben und in die Verbannung auf die Insel Elba wandern. Papst Pius VII. aber wurde an der mächtigen Hand der Himmelskönigin im Jahre 1813 aus seiner Gefangenschaft zu Savona wieder nach Rom auf den Stuhl des heiligen Petrus geführt, und hielt am24. Mai Desselben Jahres unter dem Jubel des Volkes und zur Freude der ganzen Kirche seinen Einzug. Bevor er aber von Savona abzog, setzte er dem Gnadenbild U. L. Frau von der Barmherzigkeit eigenhändig eine goldene Krone auf. Er bekannte laut und feierlich, daß er durch die mächtige Hilfe der Gottesmutter, die er flehentlich angerufen und vom ganzen christlichen Volk anzuflehen befohlen hatte, aus seinen Drangsalen befreit worden sei, und erließ nach seinen Einzug in Rom das Dekret, daß von nun an in der ganzen katholischen Kirche zum Andenken an seine glückliche Rückkehr jährlich am 24. Mai ein Fest der Lieben Frau unter dem Titel: „Hilfe der Christen“, gefeiert werden solle, auf daß nie erlösche das Andenken und der Dank für so große Wohltaten, die er und die heilige Kirche aus den Händen der Himmelskönigin empfingen. (Das christliche Rom von de la Gounerie, Kirchengeschichte v. Ritter, Brev. Rom.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 1270 – Sp. 1272