Geschichtlicher Ursprung des Rosenkranzes
Was den Ursprung des Rosenkranzes angeht, so ist der Gebrauch, mündliche Gebete an Steinen oder Körnern abzuzählen, uralt. Schon Sozomenus berichtet, der Einsiedler Paulus, der im 4. Jahrhundert in der ägyptischen Wüste lebte, habe täglich 300 bestimmte mündliche Gebete verrichtet; um sich bei deren Zählung nicht zu verrechnen, habe er zu Anfang des Gebetes 300 Steinchen in den Schoß genommen, die er dann einzeln nach den einzelnen Gebeten hinaus warf. Später bediente man sich einer Schnur, in der man so viele Knoten machte oder so viele Fruchtkörner oder Steinchen einreihte, als man Gebete verrichten wollte. Das Gebet, welches man zumeist an dieser Schnur wiederholte, war das Pater noster. Nach den Bußbüchern wurden nämlich schon vom 8. Jahrhundert an den Büßern nicht selten zwanzig, fünfzig und mehr Vaterunser aufgelegt. Auch mussten in manchen Orden die Laienbrüder statt des Breviers eine größere Anzahl Vaterunser täglich beten. Daher wurde die Gebetsschnur, an welcher diese Gebete abgezählt wurden, bald schlechthin „Paternoster“ genannt. Das Beten an derselben hieß man patere.
Als dann seit dem 12. Jahrhundert das Ave Maria eine immer größere Verbreitung fand, begann man auch dieses Gebet an der Zählschnur zu wiederholen und mit dem Pater noster in Verbindung zu bringen. So waren denn die einzelnen Bestandteile des Rosenkranzes vorhanden. Dennoch kann man nicht von dem Bestehen des Rosenkranzes zu dieser Zeit sprechen, da zum Wesen desselben ebenso notwendig wie das Abbeten der Pater noster und Ave Maria die Betrachtung der Geheimnisse des Lebens, Leidens und der Verherrlichung Jesu Christi nach der oben genannten Einteilung und Anordnung gehört.
Die Einteilung des Rosenkranz-Gebetes ist vielmehr der allergrößten Wahrscheinlichkeit nach dem hl. Dominikus, dem Stifter des Predigerordens, zuzuschreiben. Als derselbe zu Anfang des 13. Jahrhunderts im südlichen Frankreich gegen die Albigenser predigte, seine Predigt aber wenig fruchtete, erschien ihm nach der Legende die heilige Jungfrau Maria, zu welcher er seine Zuflucht genommen, überreichte ihm den Rosenkranz, belehrte ihn über die Art und Weise, denselben zu beten, und verhieß ihm die Bekehrung der Völker durch die Kraft dieses Gebetes. Dominikus begann dem Volk den Rosenkranz zu empfehlen, und seine Predigt war von nun an vom herrlichsten Erfolg gekrönt. Die betrogenen Irrgläubigen verließen zum größten Teil die falsche Lehre der Waldenser und Katharer und kehrten in den Schoß der katholischen Kirche zurück.
Ihre weltliche Macht aber ward im J. 1213 in der blutigen Schlacht bei Muret durch den tapferen Grafen Simon von Montfort gebrochen. Unmittelbar nach der Schlacht errichteten die Bewohner von Muret in ihrer Kirche zum hl. Jakobus eine Kapelle und zierten dieselbe mit einem Muttergottes-Bild, auf dem, zur Linken der allerseligsten Jungfrau, Bischof Fulcovon Toulouse und Graf Simon von Montfort knieten, während zu ihrer Rechten Dominikus in der rechten Hand ein von drei Pfeilen durchbohrtes Kruzifix hielt und mit der Linken den von Maria ihm dargebotenen Rosenkranz empfing. Ein ähnliches Bild aus derselben Zeit hing noch im vorigen Jahrhundert in dem sog. Inquisitions-Gebäude der Dominikaner zu Toulouse. Diese Gemälde waren die ältesten Dokumente über den Ursprung des Rosenkranz-Gebetes. –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 10, 1897, Sp. 1276 – Sp. 1277