Der Kampf um das Mysterium der Trinität
Schon in der Auseinandersetzung mit der Gnosis hatte die kirchliche Lehre von der Dreipersönlichkeit Gottes eine wissenschaftlich schärfere Formulierung gefunden. Aber es ist auch Tatsache, daß gerade demjenigen, der die besten Formulierungen geprägt hatte, Tertullian, die richtigen Begriffe zum Teil fehlten. (1) So wie er hatten auch bereits einige der frühchristlichen Apologeten die irrige Ansicht vorgetragen, der Sohn sei dem Vater untergeordnet. Da aber dabei die Wahrheit von dem einen Gott in drei Personen nicht nur nicht angetastet, sondern allgemein geglaubt und verkündet wurde und der Kampf mit der Gnosis alle Kräfte zur Stützung und Verteidigung der grundlegendsten religiösen Wahrheiten in Anspruch nahm, war es zu keiner Auseinandersetzung über diese Frage gekommen. Diese Auseinandersetzung wurde aber notwendig, als seit dem 2. Jahrhundert Irrlehrer auftraten, die in der Überbetonung der Einheit Gottes die Einpersönlichkeit Gottes lehrten und entweder Christus als bloßen Menschen bezeichneten oder erklärten, Gott Vater sei Mensch geworden und habe am Kreuz gelitten.
Man nennt diese Irrlehre Monarchianer, weil sie von der Einheit der göttlichen Natur auf die Einzigkeit der göttlichen Person schlossen (2) und gliedert sie in die zwei Gruppen der dynamistischen und der patripassianischen Monarchianer.
Die dynamistischen Monarchianer, geführt von dem zunächst in Byzanz, dann um 190 in Rom auftretenden, klassisch gebildeten Lederhändler Theodot, ferner von Artemas und dem sittlich nicht einwandfreien Bischof von Antiochien, Paul von Samosata (um 260) (3),, der auch Vizekönig der Königin Zenobia von Palmyra war, erklärten Christus für einen bloßen Menschen, für den Sohn der Jungfrau Maria, auf den die Kraft (4) des einpersönlichen Gottes, der Heilige Geist, als in einen Tempel der Weisheit herab gestiegen sei. Nachdem bereits Papst Viktor (189 bis 198) den Händler Theodot aus der Kirchengemeinschaft ausgeschlossen hatte, wurde Paul von Samosata auf drei Synoden in Antiochien (264 bis 269). auf denen unter den siebenzig bis achtzig anwesenden Bischöfen sich Männer wie Firmilian von Cäsarea in Kappadozien, Gregor Thaumaturgus von Neocaesarea, Hymenäus von Jerusalem befanden, verurteilt und der Personen-Unterschied zwischen Vater und Sohn wie die Vereinigung der göttlichen mit der menschlichen Natur in der Person Jesu Christi deutlich ausgesprochen. Paul von Samosata wurde als Bischof abgesetzt und exkommuniziert und das Urteil dieser Synoden von den Bischöfen der ganzen Kirche anerkannt. Doch starb damit diese Bewegung nicht aus; denn von Paul von Samosata war der Presbyter Lucian von Antiochien, der Begründer der antiochenischen Exegetenschule, beeinflußt, aus der der einflußreichste Irrlehrer der alten Kirche, Arius, hervor ging. Es ist notwendig, diese geistigen Zusammenhänge zu sehen, um die folgende Entwicklung zu verstehen.
Die siegnannten patripassianischen Monarchianer, im 2. Jahrhundert durch Noetus von Smyrna und den Kleinasiaten Praxeas vertreten, lehrten, der einpersönliche Gott heiße als ewiger Geist Vater, als zur Erde herab gestiegener und am Kreuz gestorbener Erlöser aber Sohn, sodaß in Wirklichkeit Gott Vater für uns gelitten habe. Die durch Praxeas selber und einen Schüler des Noetus, mit Namen Epigonus, nach Rom verpflanzte Häresie führte dort ein Führer dieser Sekte, Sabellius aus Libyen, gedanklich weiter, indem er Vater, Sohn und Heiligen Geist als drei verschiedene Offenbarungsweisen des einpersönlichen Gottes bezeichnete. Gegen die römischen Vertreter dieser Irrlehre trat der streitbare römische Presbyter Hippolyt, gebürtiger Grieche und wahrscheinlich Schüler des Irenäus, auf, der, außer seinem umfangreichen Werk „Zurückweisung aller Häresien“, eine eigene Schrift gegen Noetus heraus gab. Praxeas, der von Rom weiter nach Afrika gezogen war, wurde dort von Tertullian mündlich wie durch eine eigene Schrift „Adversus Praxean“ erledigt und zum Widerruf seiner Lehre gezwungen.
Aber weder Tertullian noch Hippolyt hatten das richtige Verständnis von dem Verhältnis der drei göttlichen Personen zueinander. Obwohl sie gegenüber den Monarchianer die Gottheit Christi betonten, hielten sie doch die zweite göttliche Person der ersten für untergeordnet. Die zuständigen kirchlichen Stellen – es handelte sich um die Päpste Zephyrin (198 bis 217) und Kallistus (217 bis 222) – schlossen wohl die monarchianischen Irrlehrer aus der Kirchengemeinschaft aus, hielten aber mit einem klaren Entscheid über das Verhältnis der drei göttlichen Personen untereinander zurück, „damit die durch die gefährlichen Zerwürfnisse in der römischen Gemeinde und durch den Kampf der beiden Parteien nahe gerückte Gefahr einer Spaltung möglichst vermieden würde“. Eine letzte Klarheit über die erwähnte trinitarische Grundfrage wurde in dieser Periode der Lehrentwicklung nicht geschaffen, sondern nur gegenüber der Irrung der Monarchianer die wesenhafte Gottheit Christi und der Personen-Unterschied des Sohnes vom Vater heraus gestellt. (5) Es war die Wurzel nicht vernichtet, aus der neue Irrungen erwachsen konnten. Die furchtbare Irrlehre, die daraus erwuchs, war der Arianismus.
(1) Tertullian sagt zwar „vere crucifixus est deus, vere ortuus“; aber er glaubt irriger Weise, der Sohn habe einen zeitlichen Anfang gehabt: „Fuit tempus, cum filius non fuit; pater tota substantia est, filius vero deriavtio totius et protio.“
(2) „Monarchiam, inquiunt, tenemus“ (Tert. Adv. Prax., 3)
(3) Die ihn verurteilenden Bischöfe warfen ihm, außer maßlosem Ehrgeiz, selbst Kirchenraub vor: Eus. H. E. VII, 30.
(4) Diese Gotteskraft ist nach Ansicht dieser Irrlehre der göttliche Logos.
(5) Das ist der Inhalt der von Hippolyt überlieferten Äußerungen der Päpste Zephyrin und Kallistus. Ersterer lehrte: „Ego novi unum Deum Christum Jesum nec praeter eum ullum alium generatum et passibilem.“ Kallistus: „Non pater mortuus est, sed filius.“ Beide Sätze sind durchaus richtig. Daß sie der sub-ordinatianistisch denkende, hitzige Hippolyt, der persönliche Gegner beider Päpste, der sich sogar als Gegenpapst des Kallistus aufwarf, in irrigem Sinn deutete, hätte die protestantische Forschung nicht zu verführen brauchen, sie auch in falschem Sinn zu verstehen. –
aus: Konrad Algermissen, Konfessionskunde, 1939, S. 221 – S. 223