Heiligenkalender
20. März
Der heilige Cuthbert Mönch und Bischof
(Der Mensch und die Natur)
Wenn man die Erde und den Menschen betrachtet, so sieht man gewissermaßen einen fortwährenden Krieg gegen einander. Nur mit Arbeit und Mühe zwingt der Mensch den Erdboden Nahrung zu geben; bleibt der Acker brach liegen, so bringt er kein Getreide, sondern Unkraut. Der Baum muss gezweigt werden, die Rebe beschnitten, wenn sie gutes Erträgnis geben sollen. Die Natur aber stellt dem Menschen fortwährend nach mit Hitze und Kälte, mit Ungewitter und Hagel, mit mancherlei Krankheiten, mit giftigem Ungeziefer und wilden Tieren. Der Mensch muss sich künstlich schützen gegen diese Nachstellungen; er muss sich Wohnungen bauen, Kleider machen, Werkzeuge und Waffen bereiten, Verstand, Sorgfalt und Mühe anwenden, um sein Leben zu erhalten.
So ist es ursprünglich nicht gewesen; sondern Gott hatte den Menschen wahrhaft zum Herrn der Erde gemacht; d. h. die Erde war so eingerichtet, daß sie dem Menschen nur Angenehmes und Gutes brachte, und gegen die Tiere musste er sich nicht erst durch List und Gewalt wehren oder Zwang ausüben, sondern sie waren ihm von freien Stücken botmäßig. Da aber der Mensch durch die Sünde Gott ungehorsam wurde, so ist auch die Erde und die ganze Natur dem Menschen ungehorsam und mannigfach selbst zur Plage geworden und geblieben. Wenn aber einzelne Menschen eine hohe Stufe der Heiligkeit erreicht hatten, wenn gleichsam alle Sünde gründlich in ihnen weg getilgt war, so hat sich zuweilen wieder ein Teil der ursprünglichen Herrschaft des Menschen über die Natur bei ihnen hergestellt, in dem Leben sehr vieler Heiligen liest man hierüber Ereignisse, welche uns höchst wunderbar und fast unglaublich vorkommen, weil wir zu sehr daran gewöhnt sind, daß die Natur dem Menschen fremd und widerstrebend sich zeigt. Auch von dem hl. Cuthbert werden viele solche Erscheinungen gemeldet, wie die Natur wieder untertänig werden kann.
Er war vor mehr als tausend Jahren Vorstand eines Klosters in England. Aber nicht nur im Kloster diente er Gott mit großem Eifer, sondern zog auch umher, die Menschen durch seine Predigten Gott zuzuführen und sie zum Glauben und zur Bekehrung zu bringen. Das verlassene Landvolk hatte auch solches Verlangen nach dem Wort Gottes, daß es scharenweise herbei lief und gleichsam durstig alle Reden anhörte, wo immer der hl. Cuthbert auftrat. Er ging besonders gern in abgelegenes Gebirge, wo die Leute aus Mangel an Unterricht ganz in Unwissenheit und Finsternis verblieben waren, und führte sie durch die Klarheit, die Kraft und den Geist seiner Predigten zu Gott zurück. Später zog er sich auf eine kleine Insel in die Einsamkeit zurück, um allein mit Gott zu leben, wurde aber zum Bischof von Lindisfarne gewählt; jedoch nur die dringendsten Aufforderungen des Landesfürsten und eines andern Bischofs konnten ihn bewegen, dieses Amt anzunehmen. Aber auch als Bischof führte er sein strenges Leben fort; hingegen zeigte er eine väterliche Liebe für die Armen, so daß er für sie an Leib und Seele sorgte; seine höchste Angelegenheit war aber die ihm anvertraute Herde durch eifrige Seelsorge Gott zuzuführen und zu bewahren. – Nach Ablauf von zwei Jahren fühlte er aber, daß er bald sterben werde, legte deshalb sein bischöfliches Amt nieder, um in vollständiger Zurückgezogenheit sich zum Tode vorzubereiten. Unter den vielen Wundern, welche von ihm erzählt werden, kommen auch folgende vor:
Einmal war er mit einem Knaben auf der Wanderschaft um zu predigen; sie waren beide müde und hungrig und noch weit weg von dem Ort, wohin ihre Reise ging. Der Knabe klagte, daß sie nichts bei sich hätten und nichts zu bekommen sei. Der hl. Cuthbert sagte: „Mein Kind, du musst stets zu Gott glauben und Hoffnung haben; denn es verhungert Niemand, der Gott treu dient“; dann schaute er in die Höhe und sprach: „Siehst du jenen Adler? Selbst durch diesen kann uns Gott Nahrung senden.“ Während sie dergleichen mit einander redeten, führte sie der Weg neben einem Fluss dahin; auf einmal sahen sie den Adler auf einem nahen Felsen sitzen. Der hl. Cuthbert sagte zu dem Knaben: „Laufe hin, und sieh was uns der Herr durch diesen Boten gesendet hat und bringe es.“ Der Knabe brachte einen großen Fisch, welchen der Adler im Fluss gefangen hatte. Der hl. Cuthbert sagte darauf: „Aber, mein Sohn, warum hast du dem Boten nicht auch seinen Teil gegeben? Geschwind schneide die Hälfte ab und bringe sie dem Adler zum Lohn seines Dienstes.“ Solches geschah; den übrigen Teil des Fisches nahmen sie mit sich und bereiteten ihn zu, als sie zu einem Haus kamen und sättigten sich und die Bewohner des Hauses mit der Speise.
Zur Zeit, als der hl. Cuthbert in der Einsiedelei lebte, säte er ein Stück Boden mit Getreide an, um davon sich die notwendige Nahrung zu ziehen; allein da die Saat aufging, kamen die Vögel und fingen an die junge Frucht abzufressen. Der hl. Cuthbert sprach: „Warum nehmt ihr, was ihr nicht gesät habt? Seid ihr dessen bedürftiger als ich? Wenn ihr jedoch von Gott Erlaubnis bekommen habt, so tut, was er zugestanden hat; wenn aber nicht, so entfernt euch und verletzt nicht ferner fremdes Eigentum.“ Kaum hatte er dieses gesagt, als die ganze Schar der Vögel davon flog, und von dieser Zeit an niemals mehr seine Saat berührten.
Bei diesen Wanderungen, welche der hl. Cuthbert machte, um das Wort Gottes zu predigen, kehrte er bei einer frommen tugendhaften Frau ein, die er schon längere Zeit kannte. Da brach Feuer im Dorf aus, und ei heftiger Wind jagte von dem brennenden Strohdach feurige Büschel durch das ganze Dorf. Die Frau lief schnell nach Haus und bat den hl. Cuthbert, er möge doch beten, daß nicht ihr Haus und das ganze Dorf zu Grunde gehe. Der hl. Cuthbert sprach: „Sei ruhig, das Feuer wird dir nichts schaden“; dann ging er vor die Türe und betete. Alsbald wendete sich der Wind und trieb das Feuer nach jener Seite des Dorfes, wo keine Häuser mehr standen, so daß alle übrigen erhalten wurden.
Die Wildnis, wo er sich für einige Zeit als Einsiedler nieder ließ, hatte nur Felsenboden, und es war kein Wasser zu bekommen. Allein im Vertrauen auf die Allmacht dessen, der auch in der Wüste aus Felsen Wasser hervor strömen ließ, machte er eine Grube. Diese war den andern Tag voll Wasser, und zwar stieg das Wasser niemals über den Rand, und wurde auch durch das Schöpfen nicht niedriger.
Da der hl. Cuthbert einen kleinen Anbau machen wollte, und dazu eines Balkens von zwölf Fuß Länge bedurfte, bat er die Brüder, welche ihn besuchten, ihm einen solchen zu verschaffen. Diese versprachen Solches bereitwillig, vergaßen es aber nachher wieder, was sie auch offen gestanden, als sie nach einigen tagen wieder zum hl. Cuthbert kamen. Der hl. Cuthbert antwortete: „Gott wird meiner nicht vergessen, wartet bis morgen.“ Über Nacht schwemmte das Meer einen Balken herbei, welcher gerade die Größe hatte, wie er es brauchte und zwar gerade an den Platz hin, wo er bauen wollte.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich bei demselben Bau. Da er nämlich vier seiner Gehilfen aufforderte, einen großen Stein an den Bauplatz zu schaffen, ließen sie denselben wegen seiner übermäßigen Schwere nach einiger Anstrengung liegen. Als sie später den hl. Cuthbert wieder besuchten, sahen sie, daß jener Stein nicht nur von ihm allein geholt, sondern auch in die mauer eingefügt sei.
Es ließen sich außerdem noch andere Wunder erzählen, welche in dem Leben des hl. Cuthbert vorkamen. Namentlich wurden durch ihn Kranke von den verschiedensten Übeln wunderbar geheilt. Noch in seiner eigenen letzten Krankheit wünschte er von einem erprobten treuen Bruder Namens Pallistod bedient zu werden. Dieser war aber selbst krank; dessen ungeachtet ging er zu dem hl. Cuthbert und wurde augenblicklich ganz gesund, sobald er den Heiligen berührt hatte.
Gott hat im Leben mancher Heiligen, wie auch hier im Leben des hl. Cuthbert, durchblicken lassen, wie es wäre, wenn die Menschen ohne Sünde geblieben wären. Sie wären wahrhaft die Herren der Erde und ihrer Kreaturen.
Gott hat aber auch mit solchen Wundern ein Vorspiel gezeigt, wie es sein werde, wenn das Reich Gottes einmal ganz durchgedrungen, alle Sünde hinweg getilgt ist, und der Herr Alles neu gemacht. Darum beten wir alle Tage: „Zukomme uns dein Reich.“ –
aus: Alban Stolz, Legende oder der christliche Sternhimmel, Bd. 1 Januar bis März, 1872, S. 403 – S. 407