Hat Papst Marcellinus Götzen geopfert?

Zur Zeit der Päpste der Katakomben Ein verurteilter Christ zeigt mit der Hand zum Himmel

Die Päpste der Katakomben

Hat Papst Marcellinus Götzen geopfert? – Eine Bestandsaufnahme

Päpste der Katakomben Heiliger Marcellinus, regierte 296 bis 304Marcellinus (296 bis 304) war nach dem Liber pontificalis Römer und Sohn eines Projectus… und wird von Eusebius erwähnt, welcher (H. E. 7, 32) von ihm in etwas dunkler Wendung sagt, er sei in die (diokletianische) Verfolgung verwickelt gewesen. Theodoret (H. E. 1, 2) sagt bestimmter, Marcellin habe sich in der Verfolgung ausgezeichnet. In der römischen Kirche war nachweislich wenigstens seit Ausgang des 5. Jahrhunderts sein Andenken als das eines Papstes, der im Bekenntnis des Glaubens und für das Bekenntnis gestorben, geehrt, und seine Grabstätte wurde im 6. und 7. Jahrhundert von den Pilgern besucht, obwohl schon damals ungünstig Aussagen und Zweifel seiner Geschichte anhingen.

Schon das erste Verfolgungs-Edikt, 303 zu Nikomedien veröffentlicht, wurde im Okzident und speziell in Rom durch Maximianus Herculeus schonungslos ausgeführt, während Constantius Chlorus in seinem Reichsgebiet nachsichtiger war; die römische Kirche sah durch dasselbe über sich verhängt Zerstörung der gottesdienstlichen Versammlungsorte und der heiligen Bücher, Verbot der religiösen Zusammenkünfte, Bestrafung der Gläubigen durch Entziehung der Ämter oder der Freiheit. Marcellinus hatte in ruhigerer Zeit die Gefahr voraus gesehen, welche für die christlichen Oratorien, in denen man über den Katakomben an offenen Tage die Liturgie zu feiern pflegte, heran kommen würde; in seinen Tagen und schon vor ihm wurden im Schoß der Katakomben viele ineinander gehende Kammern größeren Umfanges ausgegraben, welche gottesdienstlichen Zwecken in der Not gewidmet sein sollten.

Eine solche Kammer im Cömeterium des hl. Calixtus hat noch das Andenken des Papstes bewahrt; sie redet in einer Inschrift von einem cubiculum duplex als einem unter der Fürsorge des Archidiakons Severus ausgeführten Werk, welcher dasselbe jussu papae sui Marcellini begonnen habe (de Rossi, Roma sott. III, 46; vgl. tav. 5, n. 3. …) Aller Wahrscheinlichkeit nach wurde eben beim Beginn des diokletianischen Verfolgung das Oratorium des hl. Xystus II., welches sich in Form einer cella trichora über der Calixtus-Katakombe erhob, zerstört.

De Rossi weist dieser Epoche und der Zeit Marcellins auch diejenigen mit großer Vorsicht und vielem Kostenaufwand ausgeführten Arbeiten in der genannten Katakombe zu, durch welche die Zugänge zu der Grab-Krypta der Päpste, dem Bestattungsort der hl. Cäcilia, den sogenannten Sakraments-Kapellen und den Hauptgalerien dieser Region verschüttet wurden, bis Papst Damasus I. sie zum Teil wieder eröffnete (Roma sott. I, 213; II, 106. 259. 379; II, Analisi geolog. 52 – 58).

Das Cömeterium des hl. Calixt wurde nebst allen übrigen gemeinsamen Besitz der Christen in der Verfolgung konfisziert. Es war Papst Marcellin, welcher zum Ersatz dafür den Gläubigen in dem Privat-Cömeterium der christlichen Acilii Glabriones eine neue große Grab- und Kultstätte erschloss. Diese als Cömeterium Priscillä an der Via Salaria bekannte Katakombe wurde ihm von einem Mitglied des genannten Geschlechtes zu großen Erweiterungen überlassen, welche durch die neuesten Ausgrabungen konstatiert sind.

Siehe zu den Katakomben auch bei Wikipedia: Katakomben in Rom

Bei dem Vernichtungskrieg gegen die kirchlichen Bücher und Schriften, welchen das erste Edikt eröffnete, hatte die Kirche von Rom den Untergang ihrer zahlreichen Märtyrerakten, ihrer geschichtlichen Dokumente, ja aller Wahrscheinlichkeit nach ihrer ganzen Bibliothek, die sich in der Mitte der Stadt, bei der späteren Kirche des hl. Laurentius in Damaso, erhob, zu beklagen (de Rossi, De orig. etc. biblioth. Sedis apost. p. XI sqq., p. XXXVII; Allard, Les Persécutions IV, 185).

Es gab zu Rom damals traditores, aber nur die Namen von zweien werden mit Sicherheit genannt, die der Diakonen Straton und Cassianus (so die Donatisten bei August., Breviculus collationis 3, n. 34 sq.). Im Jahre 304, den Todesjahr des Papstes Marcellin, fand das Blutedikt, zu welchem Galerius auch Diokletian im Fortschritt der Verfolgung zu bestimmen gewusst hatte, ein verhängnisvolles Echo im Abendland durch das von Maximian Herculeus als Augustus des Westens erlassene Edikt.

Maximian ließ auf dem Kapitol am 22. April 304 durch den Senat den Zwang zum Opfern unter Todesstrafe und die Konfiskation jeglicher Habe der Christen bestätigen. Zahlreich waren die römischen Märtyrer, und die Verfolgung konnte nicht leicht an dem der städtischen Behörde wohl bekannten Haupt der christlichen Gemeinschaft vorüber gehen.

Die Umstände des Lebensendes Papst Marcellins sind indessen einigermaßen dunkel; sie boten schon in allerfrühester Zeit zu Kontroversen Anlass. Der Zeit nach zuerst steht die eigentümliche Erscheinung, dass des Verstorbenen Name in den offiziellen, im Jahre 336 abgefassten und im Jahre 354 erweiterten Dokumenten der römischen Kirche, der Depositio episcoporum und der Depositio martyrum, nicht genannt wird (bei Duchesne 1. c. I, p. LXXI sq. und bei Mommsen, Mon. Germ. Hist. Auctt. Antiqq. IX, 1, 71), während doch sämtliche Päpste von Lucius I. bis Sylvester und Julius I. darin vorkommen.

Das Marcellini in Handschriften der Depositio episcoporum beim Datum XVII Kal. Febr. dürfte nur ein Schreibfehler sein statt Marcelli, welcher ja laut seiner Leidensakten und laut des hieronymianischen Martyrologiums am 16. Januar starb. Mommsens Voraussetzung dagegen (1. c.), dass möglicher Weise anfänglich Beide neben einander in der Depositio gestanden und nur vom Kopisten wegen der Ähnlichkeit des Bestattungsortes Beider (Coemeterium Priscillae) ein Sprung geschehen sei, ist wegen der Differenz der Todestage nicht recht haltbar.

Das Übergehen Marcellins würde einen indirekten Tadel gegen ihn enthalten; wenigstens von feierlicher Festbegehung wäre sein Andenken ausgeschlossen gewesen. Wird er nun auch vom liberianischen Katalog, von Eusebius und dann rühmend von Theodoret erwähnt, so übergehen doch sämtliche erhaltene Papstkataloge vom 5. bis 7. Jahrhundert (bei Duchesne I, 13 sq.) seinen Namen.

Eine förmliche Anklage wider ihn erscheint aber von Seiten des donatistischen Bischofs Petilianus von Constantina, welcher um 400 und 410 in Schriften behauptete, Marcellin und seine Priester Miltiades, Amrcellus und Sylvester hätten in der Verfolgung die heiligen Bücher ausgeliefert und den Göttern Weihrauch gestreut.

Augustinus hält ihm vor, dass er dies nicht beweisen könne (Contra litt. Petiliani 2, n. 202. 208; De un. Baptismo n. 27), und in der Tat brachten die Donatisten 411 aus öffentlichen römischen Akten nur die beiden oben genannten Namen Strabo (Straton?) und Cassianus bei. Der Kirchenlehrer von Hippo hatte von einem Fall des Papstes, der doch nicht leicht ein unbekanntes Ereignis bleiben konnte, keine Nachricht. Indessen müssen Angaben, wie sie bei den Donatisten auftreten, auch in kirchlichen Kreisen zu Rom zirkuliert haben, wenigstens gegen Ende des 5. Jahrhunderts, vielleicht nicht ohne donatistische Einwirkung. Sie werden in zwei Schriftwerken überliefert, in den 501 in Umlauf gesetzten unechten Akten eines Konzils von Sinuessa und im Liber pontificalis.

In dem fingierten Konzil, das seinen Ursprung den symmachianischen Streitigkeiten verdankt, erscheint Marcellin als der des Abfalles Schuldige; er klagt sich vor 300 (!) Bischöfen an, und man bescheidet sich mit seiner Genugtuung, weil über über den Papst niemand richte (prima sedes a nemine judicatur; diese in der Natur des Primates gegebene Theorie, welche schon längst vor dieser Zeit praktisch anerkannt war, erscheint hier in sehr unglücklichem historischen Zusammenhang).

Das ehedem immer für echt gehaltene Konzil wurde durch Baronius (wenigstens in der ersten römischen Ausgabe seiner Annalen), dann Pagi zu Baronius, Papenbroek in seinem Conatus histor. (Acta SS. Maii VII), von Natalis Alexander und von anderen als greifbare Fälschung bloßgestellt (s. Hefele, Conciliengesch. I, 2. A. 143ff); immerhin aber zeigt sein Text, dass bei manchen in Rom der Fall Marcellinus als sichere Annahme galt; er wird einfach voraus gesetzt, und der ebenfalls bekannte Lehrsatz wird mittels des erfundenen Konzils an ihn angelehnt.

Das zweite Schriftwerk, der unter Bonifaz II. (gest. 532) entstandene Liber pontificalis, hat, wie Duchesne sah, für die betreffenden Mitteilungen über Marcellin eine jetzt verlorene Passio Marcellini aus dem 5. Jahrhundert, wohl dem Ende desselben, zur Quelle; und diese Quelle ist insofern selbständig und von den Legenden des Senuessa-Konzils verschieden, als darin ein Konzil und die Leistung persönlicher Genugtuung seitens des Papstes gar nicht genannt war, der Papst vielmehr bloß durch das Martyrium Genugtuung gab.

Das Martyrium wird überhaupt hier zum ersten Mal mitgeteilt: … Diokletian, heißt es dann, hätte ihre Leiber 25 Tage öffentlich liegen lassen, wonach der Presbyter Marcellus dieselben bestattet habe in via Salaria in cymiterio Priscillae in cubiculum, qui patet usque in hodiernum diem (also im 6. Jahrhundert und wohl schon früher besucht; …

An irrtümlichen Angaben und Verwechslungen in Bezug auf die Heiligengeschichte ist im Liber pont. bekanntlich kein Mangel. Sein Bericht allein kann weder den Abfall noch das Martyrium unbedingt glaubwürdig machen. Aber die topographischen Notizen dieser Quelle wenigstens sind überhaupt glaubwürdig, und die vorliegenden über Marcellins besuchte Krypta finden anderweitige Bestätigung. Die Itinerare der römischen Heiligtümer und Cömeterien vom 7. Jahrhundert nennen nämlich die Grabkammer des obigen hl. Crescentio (Crescentius, Crescentianus) in den Katakomben der Priscilla, und eine derselben, von de Rossi als Epitome de locis ss. Martyrum veröffentlicht (Roma sott. I, 176), gibt unter verschiedenen anderen Heiligengräbern auch dasjenige des Papstes Marcellinus an.

In jüngster Zeit haben de Rossi`s Ausgrabungen das cubiculum Crescentio`s und Marcellins zugänglich gemacht (de Rossi, Bull. Di archeol. Crist. 1888, 103 ss.). Wegen seiner guten Beleuchtung durch einen nach oben gehenden Schacht entspricht es dem ihm gegebenen Epitheton clarum. Von Denkmälern oder Inschriften, die sich auf Marcellin bezögen, hat sich bei seinem verwüsteten Zustand nichts gefunden.

Ein großes Fresco des 4. Jahrhunderts in der Grabkammer zeigt jedoch das standhafte Bekenntnis der drei Jünglinge vor der Statue Nabuchodonosors (de Rossi, Bullettino 1888, tav. 4). Dieses Bild kann vielleicht mit Marcellins Geschichte in Beziehung gebracht werden. Es wäre gleichsam ein Protest gegen die ungünstigen Aussagen, eine Darstellung seiner Glaubenstreue, wie sie von anderen Glaubensbekennern unter der Figur Daniels in der Löwengrube gegeben wurde (Wilpert).

Die Autorität, welche der Liber pontificalis erlangte, fixierte indessen Marcellins Geschichte für die Folgezeit: er ist ein glorreicher Märtyrer, der aber vor seinem Lebensopfer ein Beispiel der Schwäche menschlicher Natur gab. In dieser Form wird seine Geschichte beispielsweise von Papst Nikolaus I. (gest. 867) angeführt, in dieser drang sie in die Lesungen des römischen Breviers, wo sie sich trotz der Einwendungen der katholischen und der nicht katholischen Kritik sogar mit dem Sinuessa-Konzil bis zum Jahr 1883 behauptete.

Erst in diesem Jahr ließ Kardinal Bartolini zugleich mit Änderungen in anderen Heiligen-Lektionen auch das Konzil sowie den Fall des Papstes streichen. Es erhellt aus allem oben Dargelegten und namentlich aus dem Übergehen Marcellins in den nur 32 Jahre nach seinem Tod angefertigten offiziellen Dokumenten der römischen Kirche, dass das Andenken des heiligen Mannes anfänglich wenigstens nicht ganz ohne Trübung war.

Wodurch er Anlass dazu gegeben hat, wissen wir nicht; ob eine Schuld vorlag, und wie etwa die Sühnung beschaffen, entzieht sich ebenfalls der Kenntnis. Sehr möglich, dass irgendeine missverständliche Handlung seinerseits geschah, welche bei der durch die plötzliche Verfolgung erzeugten Verwirrung und bei der Erschwerung der Kommunikation die ungünstigen Meinungen über ihn hervorrief.

Wäre er aber als wirklicher traditor oder thurificatus in die Bücher der Stadtobrigkeit jemals eingeschrieben worden, wie es mit den anderen Apostaten zu geschehen pflegte, so würden die Donatisten bei den Disputationen mit dem hl. Augustinus gewiss die Akten hervorgezogen haben. Diesen Häretikern aber, sowie auch der bei eben jener Verfolgung hervorgetretenen strengeren Richtung im römischen Klerus konnte es genügen, dass Marcellin als zu milde etwa bei der Wiederzulassung der lapsi erschien, um die Verdächtigung des Abfalles auf ihn selbst zu werfen. –
aus: Wetzer und Welte`s Kirchenlexikon, Bd. 8, 1893, Sp. 649 – Sp. 654

siehe auch den Beitrag: Päpste der Katakomben Heiliger Marcellinus

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