Johannes XXII. – Der meist verleumdete Papst
In einer sturmbewegten Zeit saß dieser Papst am Ruder des Schiffleins Petri. Er ist der bedeutendste unter den Päpsten von Avignon und einer der bestverleumdeten Männer. Selbst katholische Schriftsteller blieben von diesen Schmähungen in ihrem Urteil über Johannes XXII. nicht unbeeinflußt; erst die neuere Zeit ließ ihm Gerechtigkeit widerfahren… Obwohl die ganze Regierungszeit dieses Papstes mit dem Kampfe gegen den deutschen König Ludwig den Bayer ausgefüllt ist, so war er nichtsdestoweniger unablässig bemüht für die Reinheit der katholischen Lehre, für die Förderung der Kirchenzucht, für die Pflege der Wissenschaft wie für den Schutz und die Ausbreitung des Glaubens…
Zur Verlästerung des Papstes trug viel eine Reihe von Mönchen bei. Der Papst erklärte, daß die evangelische Armut das Gemeindeeigentum keineswegs ausschließe, sondern mit demselben ganz gut vereinbar sei. Dagegen erhob sich eine starke Partei der Mendikanten; sie ergriffen die Partei Ludwigs und verhetzten diesen noch mehr gegen den Papst, den sie aufs heftigste befehdeten und verketzerten.
Ebenso wie für die Reinheit der Lehre war Johannes auch für die sittliche Erneuerung in der Kirche besorgt. Er verbot den Klerikern den Besitz mehrerer Benefizien, drang auf Reinheit der Sitten und geistliche Kleidung. Daß dreimal im Tage „der Engel des Herrn“ in der Kirche gebetet wird, dazu gab Johannes den ersten Anstoß. Ebenso verdanken wir ihm die Einführung des Festes der heiligen Dreifaltigkeit.
Die Universitäten erfreuten sich seines besonderen Schutzes; die von Cahors und Cambridge wurden von ihm ins Leben gerufen, andere mit zahlreichen neuen Privilegien bedacht. Alle Wissenszweige und die Gelehrten aller Stände fanden in ihm einen mächtigen Gönner und Förderer. Stets standen Schreiber in seinem Solde, die alte Manuskripte abschrieben und sie so der Nachwelt erhielten.
Großartig sind die Bemühungen dieses Papstes um die Ausbreitung des Glaubens. In seinem Auftrag und mit seinem Segen gingen Franziskaner als Missionäre nach Persien, Indien, Turkestan, China und Äthiopien. In Armenien errichtete er eine beständige Mission der Dominikaner mit einem Kolegium. In der Tartarei schuf er das Bistum von Sultanich, in Georgien das Bistum von Tiflis, in Nubien das von Donyda, in Indien das von Colombo. Mit dem griechischen Kaiser Andronikus pflog er neue Unterhandlungen. Um eine Wiedervereinigung zu erreichen. Gewaltige Anstrengungen machte Johannes auch, um einen Kreuzzug zur Rettung des Heiligen Landes, sowie auch um einen solchen gegen die Mauren und in gleicher Weise einen gegen die Littauer zustande zu bringen. Da er das Geld als den Nerv des Krieges erkannte, sammelte er bedeutende Summen für die in Aussicht genommenen Züge. Bevor jedoch seine Pläne ausgeführt werden konnten, ereilte ihn der Tod am 4. Dezember 1334 und so hinterließ er eine für damalige Zeit bedeutende Geldsumme, wenn sie auch nicht so ungeheuer war, wie sie die Gegner bezeichneten…
Johannes hatte dabei nur das Interesse der Christenheit im Auge, die Ausbreitung des Reiches Gottes, den Schutz und die Rettung der unter dem Joch der Mohammedaner schmachtenden Christen. Um so mehr werden wir das Verfahren dieses Papstes billig beurteilen, wenn wir bedenken, daß er, während er für die Zwecke der Kirche Gelder sammelte, für sich wie ein Mönch lebte. Seine Lebensweise war höchst einfach und mäßig. Klein und schwächlich von Gestalt, war er erhabenen Geistes. In allen Stürmen beseelte ihn unerschütterliches Gottvertrauen und innige Andacht zur Gottesmutter. Mit seiner unverwüstlichen Tätigkeit umspannte er die Welt. 60.000 Urkunden wurden von ihm ausgefertigt. Mit der Kraft Bonifaz III. verband er die Reinheit Gregors VII. Mit dieser Charakterschilderung schließt Felten seinen herrlichen Artikel über Johannes XXII. im Kirchenlexikon. Wahrlich, ein solcher Mann hat ein besseres Andenken verdient, als er bisher gefunden hat. –
aus: P. Andreas Hamerle C.Ss.R., Geschichte der Päpste 1907, S. 472 – S. 474