Eine zweifache Gefahr besteht bei der Versündigung
Hast du gelesen, lieber Leser, geehrte Leserin! Was der heilige Felix denjenigen, die sich versündigt hatten, vorgestellt habe, damit er sie zur eilfertigen Buße bewegen sollte? Eine zweifache Gefahr: die erste ist die Gefahr, in noch mehr Sünden zu fallen; die zweite ist die Gefahr, in der Sünde zu sterben, und ewig zugrunde zu gehen. In beiden hatte er recht. Ein Christ, der in eine schwere Sünde fällt, und solche zu beichten verschiebt, wenn er auch bald beichten könnte, bereut sie noch nicht; denn die wahre Reue bewegt zur Beichte. Ach, gar manche sündigen fort, und verhärten sich dadurch so sehr, daß ihnen die Rückkehr zu Gott immer schwieriger und fast unmöglich wird ohne außerordentliche Gnade, die aber viele nicht mehr erhalten. Dieses lehrt der heilige Papst Gregor mit folgenden Worten: „Die Sünde, welche man nicht gleich durch die Buße tilgt, zieht den Menschen mit ihrem Gewicht zu noch anderen Sünden; daher kommt ihn das Aufstehen dann schwerer an.“ Ferner: der Mensch ist keinen Augenblick vor dem Tode sicher. Keine Stunde gibt es, in welcher er nicht sterben kann. Stirbt er in eine schweren Sünde, so ist er ewig verloren. Solange er in einer schweren Sünde lebt, ist er alle Augenblicke in Gefahr, ewig verdammt zu werden. Erwäge beide Punkte wohl, o Christ! Und wenn du aus Schwachheit oder aus Bosheit dich schwer versündigt hast, so bete zu Gott um die Gnade der Buße, erwecke ein herzliche Reue und gehe, sobald es füglich geschehen kann, zur heiligen Beichte; sonst machst du dir deine Bekehrung schwerer, und bist in beständiger Gefahr, ewig zugrunde zu gehen. Glaubst du, daß es eine Hölle gibt; und gedenkst du an das, was du von der Hölle gehört hast, so mache dich doch eilends von der Gefahr los, in selbe für immer und ewig zu fallen. Erwecke doch jeden Abend nach wenigstens kurzer Gewissens-Erforschung eine innige, eine herzliche Reue und je nach dem Gewissens-Zustand den ernsten Vorsatz, tunlichst bald zu beichten, und bitte Gott recht inständig um Verzeihung und Barmherzigkeit. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 370 – S. 371