Die Arbeit in der rechten Meinung verrichten
Der selige Hermann betrübte sich, weil er wegen der ihm auferlegten Arbeit nicht so viel beten konnte, als er wünschte. Die göttliche Mutter aber lehrte ihn, daß er ihr und ihrem Sohne nichts Angenehmeres tun könne, als wenn er die ihm von dem Gehorsam auferlegte Arbeit recht verrichte. Dies ist sehr trostreich für fromme Dienstboten, Handwerker und andere, die in ihrem Stande viel zu arbeiten haben. Manche von ihnen wünschen außer dem Morgen- und Abendgebet den Tag hindurch länger zu beten, oder nach Anhörung einer heiligen Messe noch mehreren heiligen Messen beizuwohnen, können aber nicht wegen vieler Arbeit. Sie sollen sich deswegen nicht betrüben, sondern versichert sein, daß, wenn sie ihre Arbeit ordentlich und in der rechten Meinung verrichten, sie eben so viel und noch mehr bei Gott verdienen, als wenn sie den Tag hindurch mehrere Stunden im Gebet zubringen könnten. Sie sollen sich daran gewöhnen, vor der Arbeit eine gute Meinung zu machen und zu sagen:
„Herr! Dir zuliebe, zu deiner Ehre will ich jetzt arbeiten.“
Während der Arbeit, besonders wenn sie schwer ist oder lang dauert, sollen sie ihr Gemüt öfters zu Gott erheben, mit den nämlichen Worten ihre gute Meinung erneuern und sich aufmuntern. Nach beendigter Arbeit sollen sie selbe Gott aufopfern. Auf diese Weise beten sie; denn der heilige Petrus Damiani sagt: „Tun, was man schuldig ist, arbeiten nach seinem Stand, was ist es anderes als beten?“ Und der heilige Chrysostomus lehrt: „ Mann kann auf dem Markt herumgehen, von einer Arbeit zur andern, und doch im Herzen beten. Einer kann in seiner Werkstätte sein, oder nähen, und doch seine Seele immer Gott aufopfern. Ein Diener, wenn er einkauft, oder sonst irgend wohin einen Auftrag hat, ein Koch und dergleichen Personen können doch gut beten. Gott verschmäht keinen Ort, sondern er fordert einzig ein andächtiges Herz und eine reine Seele.“ –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 261 – S. 262