Heiligenkalender
7. April
Der heilige Hermann Joseph Prämonstratenser
Der selige Hermann wurde zu Köln am Rhein von seinen armen Eltern in der Furcht Gottes erzogen. Den Namen Joseph legten ihm später seine Ordensgenossen wegen seiner Liebe zur Keuschheit und zur Mutter Gottes Maria bei. Das Kleid der Unschuld, das er in der heiligen Taufe empfangen, bewahrte er mit ängstlicher Sorge immer unbefleckt und hatte Abscheu an allen unreinen Dingen; deshalb floh er die Gesellschaft ausgelassener Knaben. Anstatt mit ihnen zu spielen, begab er sich in eine Kirche zu dem Bild der unbefleckten Jungfrau Maria, zu der er schon im sechsten Jahre eine besondere Andacht hatte. Er pflegte sie seine Mutter zu nennen, weil er in vielen Anliegen auf wunderbare Weise augenscheinlich ihr Fürsorge und Hilfe erfahren hat. In kindlicher Einfalt reichte er einmal der Mutter Gottes einen Apfel dar – und sie streckte im Bild die Hand aus und nahm ihn wohlgefällig an.
Als er zwölf Jahre alt war, ging er in das Prämonstratenserkloster zu Steinfeld, bediente einige Zeit die Ordenspriester und wurde endlich in den Orden selbst aufgenommen. Nach vollendeten Studienjahren wurde ihm die Besorgung des Refektoriums (Speisezimmer) nebst anderen Arbeiten auferlegt. Da er aber bei diesem Amt nicht so viel Zeit zum Gebet hatte, als er wünschte, bekümmerte er sich deswegen sehr und wurde etwas verdrießlich, obgleich die Andacht seines Herzens auch während der Arbeit bei Jesus und Maria war, sowie alle seine Gedanken, wenn sein Geschäft ihre Aufmerksamkeit nicht erforderte. Die göttliche Mutter erschien ihm aber und sprach: „Du sollst wissen, Hermann, daß du meinem Sohn nichts Angenehmeres tun kannst, als wenn du deine Arbeit aus Gehorsam recht verrichtest und deine Brüder mit aller Liebe bedienest.“ Hermann, getröstet und aufgemuntert, verrichtete nach diesem alle seine Arbeiten mit größer Freude. In dem Amt eines Sakristans, welches ihm in der Folge übertragen wurde, hatte er mehr Zeit, seiner Andacht auch förmlich obzuliegen, und dies machte er sich auch wohl zu Nutzen. Bei dieser Gelegenheit vermehrten sich die freundlichen Gespräche Mariens mit Hermann. Nicht leicht wird man einen Heiligen finden, dem die liebe Mutter Gottes Maria öfter erschienen und mehr Gnaden erteilt hat, als ihm; aber auch nicht leicht wird man von jemandem lesen, daß er mit größerer Andacht der göttlichen Mutter zugetan gewesen sei, als der selige Hermann. Der bloße Anblick eines Bildnisses Mariens versetzte ihn mehrmals vor Innigkeit der Liebe in Verzückung. Was er zu ihrer Ehre ersinnen konnte, das tat er.
Mit der Zeit geschah es dennoch, daß Hermann Joseph in der Liebe zu Maria etwas nachließ und einige Andachtsübungen, welche er ihr zu Ehren verrichtete, unterließ. Die Ursache war eine allzu ängstliche Besorgnis, das ihm anvertraute Gotteshaus möchte nachts, wie es damals vielen andern geschah, überfallen und ausgeplündert werden. Die göttliche Mutter erschien ihm, aber nicht in gewöhnlicher holdseliger Anmut und Schönheit, und sprach zu ihm: „ Ich erscheine dir äußerlich, wie ich in deinem Herzen bin. Deine Andacht gegen mich ist nicht mehr die frühere. Du unterlassest dir mir sonst erwiesenen Ehrenbezeugungen, weil du dich zu viel um die Bewahrung deines Kirchenschatzes bekümmerst. Vermag ich denn mit meinem Schutz nicht mehr, als du mit deiner übermäßigen Angst und Sorge?“ als Hermann Joseph dies gehört hatte, wurde er ganz beschämt, bat demütigst um Verzeihung und erneuerte seine vorigen Andachten zur Verehrung Mariens.
Noch größer war aber seine Liebe und Andacht zu Jesus im heiligsten Altarsakrament. So oft es ihm nur möglich war, besuchte er selbes bei Tag und Nacht. Fast niemals las er die heilige Messe ohne Vergießung häufiger Tränen. Oft kam er vor Innigkeit der Liebe ganz außer sich. Stunden lang stand er am Altar, mit himmlischem Glanz umgeben und verzückt. Jesus Christus würdigte sich sehr oft, ihm sichtbar zu erscheinen; aber dennoch ließ er zu, daß der selige Hermann sowohl innerlich mit den gefährlichsten Versuchungen, als äußerlich mit den heftigsten Schmerzen und Krankheiten geplagt wurde, welche sich gewöhnlich bei Annäherung eines Festes vermehrten, an dem Fest aber selbst ihm einige Ruhe gestatteten. In allen diesen Begebenheiten zeigte sich der Heilige unerschrocken und mit dem göttlichen Willen vollkommen vereinigt.
Endlich gefiel es Gott, seinen getreuen Diener zur ewigen Freude abzurufen. Die zu Hove, unweit Steinfeld, wohnenden Klosterfrauen (Zisterzienserinnen) baten den Prälaten, er möge ihnen den seligen Hermann in der heiligen Fastenzeit zu ihrem geistlichen Unterricht schicken. Anfangs wollte weder der Prälat noch die Klostergemeinde willfahren. Hermann aber hielt demütig bei dem Prälaten um die Einwilligung an und sagte: „Dieses sei der Wille Gottes.“ Hierauf erteilte ihm der Orälat die Erlaubnis, sich zu jenen Klosterfrauen zu begeben. Nach seiner Ankunft zeichnete er mit seinem Stabe einen Platz in Form eines Grabes ab und sprach: „Seht, an diesem Ortwerdet ihr mich begraben!“ Der Ausgang zeigte, daß der selige Hermann die Zeit und den Ort seines Todes vorher gewußt habe. Denn nachdem er seine geistlichen Verrichtungen bis auf den dritten Tag in der Karwoche eifrig fortgesetzt hatte, ergriff ihn eine schwere Krankheit, welche bis auf den Freitag nach Ostern dauerte. Nach andächtigem Empfang der heiligen Sakramente hatte er vor seinem Ende eine lange, trostreiche Verzückung. Während derselben erhob er das verklärte Antlitz zum Himmel und gab seine reine, mit so vielen Tugenden geschmückte Seele in die Hände Jesu zurück den 7. April 1236. Sein Grab wurde durch Wunder verherrlicht. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 259 – S. 260