Heiligenkalender
28. September
Der heilige Wenzeslaus, König und Märtyrer
Der heilige Wenzeslaus war ein Sohn des Herzogs Wratislaus von Böhmen und der Drahomira, im Jahre 908 geboren. Wie sein Vater, ein Muster aller christlichen Tugenden war, so war seine Mutter ein Auswurf aller Laster und eine Erzfeindin des Christentums. Auf dem Todbett übergab der Vater die Obsorge über Wenzeslaus der hl. Großmutter Ludmilla; Boleslaus, den jüngeren Sohn, übernahm Drahomira. Wenzeslaus wurde fromm und heilig, Boleslaus aber frech und gottlos, wie seine heidnische Mutter. Drahomira riß mit Gewalt die Regierung des Landes an sich und verfolgte die Christen. Sie verjagte die Priester, setzte die christlichen Obrigkeiten ab und verordnete lauter heidnisches, von denen die Christen nichts als Verfolgung zu erwarten hatten. Die Landstände konnten diese ungerechte Regierung nicht dulden. Daher setzten sie Drahomira ab und erklärten Wenzeslaus für ihren Regenten; einstimmig huldigten ihm alle. Drahomira raste vor Zorn; am meisten zürnte sie über die Wiederherstellung des ihr so verhaßten Christentums. Das war vor allem das Verdienst der eifrigen Ludmilla. Aus Rache sandte sie Meuchelmörder ab, welche Ludmilla in der Hauskapelle mit ihrem eigenen Schleier grausam erdrosselten. Mit dieser Mordtat nicht zufrieden, trachtete sie auch dem jungen Herzog Wenzeslaus nach dem Leben.
Dieser benahm sich in seiner Regierung sowohl gegen Gott als gegen seine Untertanen auf eine Weise, daß er von allen ungemein geliebt und in großen Ehren gehalten wurde. Er zeigte sich in allem Tun und Lassen liebreich, im Essen und Trinken sehr mäßig, in der Sorge für seine Untertanen weise und in seinem Wandel erbaulich. Die Kranken versorgte er mit allem, was sie verlangten. Den Notleidenden, Witwen und Waisen stand er väterlich bei. Man weiß, daß er auf seinen eigenen Schultern nachts den Armen das nötige Holz zugetragen hat. Er war weit entfernt von allem schatten der Unlauterkeit und bewahrte seine jungfräuliche Reinigkeit unversehrt bis an das Ende. Dem Gebet und Lesen in geistlichen Büchern widmete er viele Stunden. Oft besuchte er nachts die Kirchen mit bloßen Füßen, auch zur Winterszeit. Einer seiner Diener, den er zur Begleitung bei sich hatte, beklagte sich einst wegen der gar zu großen Kälte. Der heilige Herzog sagte ihm, er solle mit seinen Füßen in die von ihm durch den Schnee gemachten Fußstapfen eintreten, und da der Diener dies tat, empfand er weiter keinen Frost; denn die Fußtritte des Heiligen waren aus übergroßer Liebe zu dem allerheiligsten Sakrament ganz warm. Gegen die Priester zeigte er eine große Freigebigkeit. Er diente ihnen öfter am Altare und duldete nicht, daß ihnen eine Unbill in Wort und Tat zugefügt würde. Besonders zeichnete er sich in der Andacht gegen das heilige Messopfer aus, dem er täglich beiwohnte; ja er säte selbst den Weizen, welcher zur Bereitung der Hostien gebraucht wurde, und tat alles, was zu ihrer Verfertigung notwendig ist. Ebenso machte er es mit den Reben und kelterte zur heiligen Messe selbst den nötigen Wein.
Als Radislaus, ein benachbarter Fürst und Herzog, aus Religionshass mit einem Kriegsheer den Wenzeslaus bedrohte und keine Friedensvorschläge annahm, zog er ihm mit einem Kriegsheer entgegen, erbot sich aber vor der Schlacht, um das Leben vieler zu schonen, zu einem Zweikampf an zur Entscheidung des Sieges. Radislaus nahm die Bedingung an und ritt voll Wut auf den Herzog zu, ganz geharnischt und mit einer Lanze in der Hand. Wenzeslaus war zwar ebenfalls gerüstet, führte in der Hand aber allein das Schwert. Der Aufrührer wollte den Heiligen mit seiner Lanze aus dem Sattel heben und vom Pferd stürzen. Der Heilige bezeichnete sich mit dem heiligen Kreuz und näherte sich demselben. In dem Augenblick, als Radislaus den Stoß führen wollte, zeigten sich auf der Seite des heiligen Wenzeslaus zwei Engel, die dem Rebellen zuriefen: „Halte ein!“ Dieser Zuruf wirkte wie ein Donnerschlag; erschrocken stürzte Radislaus vom Pferd, erkannte die Macht Gottes und änderte seinen Sinn. Er fiel dem Wenzeslaus zu Füßen, bat um Gnade und Verzeihung und versprach ihm Frieden und Freundschaft. Der Heilige erhob ihn von der Erde und nahm ihn mit aller Liebesbezeugung in Gnaden auf.
Bald darauf musste sich der hl. Wenzeslaus nach Regensburg zu dem ausgeschriebenen Reichstage begeben. Dort geschah es, daß an einem Tage sowohl der König Heinrich I. als die anderen Reichsfürsten versammelt, Wenzeslaus aber, weil er der heiligen Messe anwohnte, allein abwesend war. Die Versammelten waren der Meinung, als fände diese Zögerung absichtlich, oder aus Hochmut statt, und faßten deshalb den Entschluss: Niemand aus ihnen sollte dem Wenzeslaus bei seiner Ankunft eine Ehre bezeugen. Sobald aber der heilige Herzog in den Saal trat, sah der König zwei Engel, die ihn begleiteten und mit einem goldenen Kreuz beehrten. Bei diesem Anblick stand der König selbst von seinem Thron auf, ging dem Heiligen entgegen und führte ihn an den ihm gehörigen Platz. Alle Anwesenden befremdete dieses sehr; als ihnen aber der König erzählte, was er gesehen hatte, begegneten sie ihm gleichfalls mit aller Ehrfurcht. Dadurch fand sich der König auch bewogen, ihm den Titel und die Gewalt eines Königs zu erteilen, und schenkte ihm einen Arm des hl. Märtyrers Vitus, den der Heilige mit großer Ehrerbietung und Danksagung annahm und mit sich nach Böhmen überbrachte. Nach dem Schluß des Reichstages kam der Heilige als König zurück und fuhr fort, fromm und heilig wie bisher zu leben.
Je mehr dieser heilige König von seinen Untertanen wegen seiner Heiligkeit und der erlangten königlichen Würde geehrt wurde, desto mehr wurde er von Drahomira und Boleslaus angefeindet. Wenzeslaus bemerkte dieses und entschloss sich deshalb, die Regierung des Reiches nieder zu legen. Allein die gottlose Drahomira wollte so lange nicht mehr warten. Die Gemahlin des Boleslaus gebar einen jungen Prinzen. Wenzeslaus wurde mit aller Höflichkeit zur Taufe eingeladen. Wenzeslaus ahnte nichts Gutes; aber um den Bruder nicht durch Mißtrauen zu kränken, nahm er die Einladung an und begab sich in das Schloß des Boleslaus zu Altbunzlau, nachdem er zuvor die heiligen Sakramente der Buße und des Altares empfangen hatte. Man empfing und bewirtete ihn anfangs auf das Freundlichste. Als aber der heilige König von dem Trinkgelage, das ihm zu lange dauerte, sich unbemerkt entfernte und in die Kirche begab, rief die gottvergessene Drahomira den Boleslaus beiseite mit dem Bedeuten: nun sei die gewünschte Stunde und Gelegenheit, sich an seinem Bruder zu rächen und des Überlästigen sich zu entledigen. Sogleich ergriff er das Schwert, eilte mit demselben in Begleitung einiger Schurken in die Kirche, und einer derselben stieß dem Heiligen eine Lanze mit solcher Gewalt in den Leib, daß das Blut an die Wand spritzte. Dies geschah am 28. September 936.
Seine Leiche wurde zu Altbunzlau begraben und durch viele Wunder von Gott verherrlicht. Die verdiente Strafe Gottes blieb nicht aus. Drahomira, die Anstifterin dieser Mordtat, versank mit Pferd und Wagen lebendig in die Erde in jener Gegend der Stadt Prag, welche man das Schloß oder Hradschin nennt. Die Mordknechte, welche Boleslaus begleiteten, kamen teils von Sinnen, teils wurden sie Mörder an sich selbst. Boleslaus wurde vom Kaiser Otto I. mit Krieg überzogen und musste sich als Besiegter den Bedingungen des Siegers unterwerfen, bekehrte sich aber durch die Wunder, die bei dem Grabe des von ihm Ermordeten geschahen, und ließ zur Sühne seines Verbrechens dessen hl. Gebeine in der St. Vituskirche zu Prag in einem kostbaren Sarg beisetzen.
Der hl. Wenzeslaus ist Patron von Böhmen. –
aus: Wilhelm Auer, Kapuzinerordenspriester, Goldene Legende Leben der lieben Heiligen Gottes auf alle Tage des Jahres, 1902, S. 774 – S. 776