Ehrwürdiger Nikolaus Lancicius aus der Gesellschaft Jesu
Sein Vater war vom katholischen Glauben abgefallen und der Irrlehre Calvins zugetan. Weil nun Nikolaus oft von seinen Lehrern sowohl als auch von den Freunden seines Vaters so gehässig und so feindlich von der katholischen Kirche reden hörte, so war er als Knabe gegen die Katholiken so erbittert, daß er mehrmals sein Halstüchlein ablegte, um hierdurch gleichsam zu bezeugen, daß er für die calvinistische Irrlehre zu sterben bereit sei. Als er späterhin auf der Universität Wilna studierte, welche damals von den Jesuiten geleitet wurde, und da das Leben der calvinischen Wortsdiener mit der Sittenreinheit der Jesuiten verglich; als er die Schönheit und Würde des katholischen Gottesdienstes, die Andacht der studierenden Jugend und die begeisterten Predigten des berühmten Predigers Petrus Skarza hörte und endlich eines Tages durch ein ungewöhnliches Gnadenlicht die Wahrheit und Göttlichkeit der katholischen Religion erkannte, so beschloss er, ohne daß ihm Jemand zugeredet hatte, in den Schoß der einzigen von Jesu Christo gestifteten Kirche zurück zu kehren, und nachdem er eine Generalbeichte abgelegt, seinen Irrtum abgeschworen und an seinem Namensfest das hochheilige Sakrament des Altars empfangen hatte, fühlte er sich so glücklich, daß sich in ihm das Verlangen entzündete, mit der Welt zu brechen und aus Liebe zu Jesus Großes zu tun.
Zuerst nun legte er vor dem Bild der jungfräulichen Gottesmutter das Gelübde der Jungfräulichkeit ab, und hierauf hielt er um die Aufnahme in den Jesuitenorden an. Auf seine Bitte aber erhielt er die unerwartete Antwort, daß er nicht eher hoffen dürfe, in die Gesellschaft Jesu einzutreten, bis er auch seinen alten Vater bekehrt und in den Schoß der katholischen Kirche zurück geführt haben würde. Dem armen Jüngling schien diese Bedingung so schwer zu erfüllen, daß er nun aufs Gebet und die Macht der göttlichen Gnade seine Hoffnung setzte. Eine Todeskrankheit, die Gott ihm zusendete, öffnete wunderbarer Weise den Weg. Am Fest des heiligen Nikolaus saß der alte Vater am Krankenbett seines einzigen Sohnes und sprach zu ihm: Es ist heute dein Namensfest; wie gerne möchte ich dir mit einem Geschenk eine Freude machen und dir hierdurch meine Liebe bezeugen. Nun aber bin ich voll Trauer und Schmerz, weil ich dir in deiner Krankheit nichts Angenehmes erweisen kann. O mein bester Vater, erwiderte der Jüngling, es steht in deiner Macht, mir etwas zu geben, was mich nicht bloß aufs Höchste erfreuen, sondern für mein ganzes Leben glücklich machen wird, und vielleicht, wenn du meinen Wunsch erfüllst, erlange ich die Gesundheit wieder. Der Vater versprach mit Freude Alles zu tun, was er wünsche. Ich verlange nichts Anderes sagte Nikolaus, und darum beschwöre ich dich bei dem Heil deiner Seele und der meinigen – als daß du die Herz Jesu Christo schenkst, sowie ich es getan, daß du dem Irrtum Calvins abschwörst und wieder in den Schoß der alten katholischen Kirche zurück kehrst. – Der Vater war überrascht und gerührt, und weil er den kranken Sohn durch eine abschlägige Antwort nicht betrüben wollte, versprach er die Sache durch drei Tage zu überlegen. Als diese vorüber waren, wiederholte der Sohn seine Bitte und bestürmte mit Tränen im Auge das Vaterherz so lange, bis er endlich nachgab, sich unterrichten ließ und seinen Irrtum abschwor.
Die Freude hierüber machte den Jüngling gesund und er hoffte nun ganz gewiß Aufnahme in den Orden. Doch der Provinzial erklärte, daß dies nicht eher geschehen könne, als bis er die Zustimmung seines Vaters zum Eintritt in die Gesellschaft Jesu erhalten habe. Obwohl nun Nikolaus der einzige Sohn und Erbe und der letzte Sprößling der Familie war, konnte der Vater den Bitten und Tränen seines Sohnes doch nicht widerstehen, er gab seine Einwilligung und Nikolaus wurde endlich in den Orden aufgenommen. – Mit welchem Ernst dieser Jüngling vom ersten Tag seines Eintritts in den Ordensstand darnach strebte, ein vollkommenes Leben zu führen, wie viel und wie Großes er in seinen Berufsgeschäften zur Ehre Gottes geleistet hat, und wie nützlich und Segen bringend für das Heil der Seelen die Werke und Schriften sind, die er verfaßt hat, von All diesem will ich schweigen. Es reicht hin zu sagen, daß er dem göttlichen Heiland auf`s Treueste nachfolgte und um dies zu erreichen, sich besonders auf die Hilfe der lieben Mutter Gottes stützte.
Zärtlich wie ein Kind seine Mutter liebte Nikolaus die Mutter der schönen Liebe, die seligste Jungfrau. Den Rosenkranz betete er nicht bloß an jedem Tage, sondern er pflegte ihn auch stets in der Hand zu tragen, und wenn er im Zimmer auf und nieder ging und so oft die Uhr die Stunde schlug, sprach er das kleine Gebet: Es segne uns Maria mit ihrem Kind. Nos cum prole pia benedicat Virgo Maria! – Seine Schriften sind voll vom innigsten Gefühl der Andacht und des Vertrauens zur süßen Himmelskönigin. Er schildert ihre Vorzüge ganz begeistert und gibt die Art und Weise an, wie Maria verehrt werden kann. Er machte auch ein eigenes Gelübde, allzeit die unbefleckte Empfängnis Mariä zu verteidigen und hatte die kräftigsten Beweisgründe dafür immer in Bereitschaft, weil er nicht so glücklich war, wie wir in einer Zeit zu leben, wo dieses Geheimnis der unbefleckten Empfängnis bereits als Glaubenssatz anerkannt ist.
Dafür ward ihm auch die Gunst der Himmelskönigin auf seltene Weise zu Teil. Mehr als einmal, wie er selbst gestand, erschien ihm dieselbe. Dies geschah namentlich bei folgendem Anlass: P. Nikolaus, der über das Leben des heiligen Ignatius, des Stifters des Jesuitenordens, sehr unterrichtet war und deshalb das römische Archiv genau durchsucht hatte, wurde vom Ordensgeneral bestimmt, über alle zweifelhaften Fragen Aufschluss zu geben, welche im Prozess der Heiligsprechung des heiligen Ignatius vorgekommen sind. Als die letzte der Kongregationen im Betreff der Heiligsprechung des heiligen Ignatius abgehalten werden sollte, wurden Gebete angeordnet in verschiedenen durch Gnaden und Wunder berühmten Kirchen Roms. Als nun P. Lancicius in der Kirche des heiligen Chrysogomus dem gebet oblag und die Mutter Gottes um ihre mächtige Fürbitte anrief, erschien ihm die seligste Jungfrau mit einem über alle Vorstellung schönen und fröhlichen Antlitz und offenbarte ihm, daß gerade jetzt in der heiligen Kongregation der letzte Beschluss zur Heiligsprechung des heiligen Ignatius gefaßt worden sei. P. Nikolaus teilte dies sogleich voll Freude dem Ordensgeneral mit. Am kommenden Tage erhielt derselbe die Entscheidung der heiligen Kongregation und schenkte als Ausdruck eine dankbaren Herzens dem P. Lancicius eine kostbare Reliquie des Ordensstifters, die er ins einem ganzen Leben bei sich trug.
Bei einer anderen Gelegenheit schrieb P. Nikolaus einen Brief an die Mutter Gottes, worin er ihr seine Bitten vortrug, namentlich um die Gnade ein heiliges Leben zu führen, viele Seelen zu gewinnen und einst ohne Fegefeuer in den Himmel zu kommen. Er gab diesen Brief einem Ordensbrüder mit, der zu einem berühmten, der seligsten Jungfrau geweihten Wallfahrtsort reiste. Als dieser daselbst die heilige Messe las, legte er den Brief zu den Füßen des Gnadenbildes. Nach vollbrachtem Opfer wollte er den Brief wieder zu sich nehmen, konnte ihn aber trotz alles Nachsuchens auf keine Weise mehr finden. P. Nikolaus, der zu Hause im Kollegium war, sah im Geist, was in der vier Meilen von Wilna entfernten Wallfahrtskirche vorging und während er darüber nachdachte, entdeckte er auf dem Tisch seines Zimmers den Brief, den er an die seligste Jungfrau geschrieben, eröffnet vor sich liegen, mit den beigesetzten Worten: Quae petiisti, impetrasti, zu deutsch, „was du begehrt, hast du erlangt.“ –
Nachdem der ehrwürdige Diener Gottes und Unserer L. Frau unendlich viel Gutes gestiftet hatte, wurde er, 87 Jahre alt, aufs Sterbebett geworfen. Er hatte schon früher gebeten, daß man ihm beim Sterben die heilige Schrift, die Ordensregel und das Konzil von trient unter den Kopfpolster, ein Büchlein aber, in welchem er seine geistlichen Übungen aufgezeichnet hatte, und das mit seinem Blut unterschrieben war, zum Zeichen, daß er mit Freuden sterben wolle im Glauben der katholischen Kirche, in der Gesellschaft Jesu und mit allen Andachtsübungen, die er verzeichnet hatte und die er unwiderruflich aufopfere der allerheiligsten Dreifaltigkeit, der seligsten Jungfrau Maria und allen Heiligen ganz allein zum reinsten Wohlgefallen Gottes. Als der letzte Augenblick kam, schloss er sich selber die Augen, legte kreuzweise seine Hände auf die Brust und hauchte in freudiger Ruhe seine Seele aus. (Bilder aus dem Leben heiliger und frommer Seelen.) –
aus: Georg Ott, Marianum Legende von den lieben Heiligen, Erster Teil, 1869, Sp. 718 – Sp. 721
Lancicius (eigentlich Lanczycki oder Lezycki), Nikolaus, SJ (seit 1952), * 10.12.1574 zu Nieswiesz (Litauen), † 30.3.1653 zu Kowno (ebd.); trat 1590 vom Calvinismus zum katholischen Glauben über, studierte in Rom Theologie unter Suraez, Bellarmin und Gregor von Valentia, wurde 1601 Priester und Gehilfe Orlandinis bei Abfassung der Ordensgeschichte. Später lehrte er in Wilna Hebräisch und Theologie, war Rektor der Kollegien zu Kalisch und Krakau, dann Provinzial der polnischen und litauischen Ordensprovinz, wirkte in Prag, Olmütz und im Ermland, Schrieb theologisch vertiefte, vielfach übersetzte aszetische Schriften. Ges.-Ausg., 2 Bde, Antw. 1650; 7 Bde. Ingolstadt 1724. (Buchberger, Lexikon, Bd.VI, 1934, Sp. 367)