Die Verschwendung von Blut im Opfer

Generalbeichte der gefallenen Menschheit

Teil 4: Die Verschwendung von Blut im Opfer

Die Notwendigkeit des Opfers musste den Menschen unbestreitbar feststehen, wenn sie sich durch so peinlich verwickelte Vorschriften binden ließen, wie zum Beispiel die Bestimmungen für das große Rossopfer bei den Indern darbieten. Das Opfer dauerte jahrelang, schloss Tausende von einzelnen Opfern in sich, war an zahllose, unglaublich kleinliche und lästige Zufälligkeiten und Einschränkungen gebunden und musste, wo nur eine einzige Störung vorfiel, von neuem begonnen werden. Und doch wurde es dargebracht.

Im persischen Religionsgesetz lassen sich gewöhnliche Gläubige für manche Sünde zur Opferung von tausend, Helden und Fürsten aber zur Hingabe von mehr als zehntausend Tieren verpflichten. In Jerusalem feiert Salomo mit dem Blut von 142000 Opfertieren die Einweihung des von ihm erbauten Tempels. In Rom sucht Caligula bei seiner Thronbesteigung durch die Schlachtung von 160000 Opfern die Gnade des Himmels zu erzwingen. Überhaupt war der Aufwand, den die Römer, zumal Augustus und Marc Aurel, mit Opferspenden trieben, so groß, dass ihn manche Kaiser, wie Nerva, aus Sorge für die Staatskasse zu beschränken suchten, obwohl vergebens. Dagegen sind die Hekatomben der Griechen, die 12 oder 99 Stiere, zu denen sich die homerischen Helden erschwingen, eine wahre Kleinigkeit.

Den Jäger, der auf flüchtigem Rosse den mörderischen König der Wüste verfolgt, weist die Blutbahn, die der Räuber mit seiner Beute hinter sich zurückließ, den Pfad durch das weglose Sandmeer. Welchen Gang die Menschheit durch die Welt genommen hat, das zu untersuchen bedarf nicht langer Mühe: Ströme von Blut lassen ihn erkennen. Aber schwer, ja unmöglich zu unterscheiden ist dies, ob mehr des Blutes unter vom Hass geschwungenen Mordwaffe oder unter dem Opfermesser am Altar geflossen sei. Millionen der wertvollsten Tiere, Tausende von Sklaven und Fechtern in der Vollkraft des Lebens, ja, mehr noch, nicht selten die teuersten Angehörigen müssen ihr Leben hingeben.

Gerade die besten Tiere müssen es sein, gerade die kräftigsten Kämpfer, gerade die edelsten Menschen, adelige Jünglinge, die Erstgeborenen, die einzigen, die Lieblingskinder, so in Meroe und Norwegen, Jungfrauen von königlichem Geblüt, wie Iphigenie, wie die königliche Jungfrau von Messenien, wie die drei Töchter des Erechtheus. Und fröhlich und lächelnd, mit Kränzen und Hochzeitskleidern geschmückt, beim Schall der Trompeten und Flöten, schreiten sie in den Tod. Die eigenen Mütter wünschen ihnen Glück zu dem fürchterlichen Todesgang und küssen sie voll zärtlichen Stolzes. Wem krümmt sich hier nicht das Herz vor Mitleid!

Blutopfer sind ein Sündenbekenntnis der Menschheit

… Auf Blut ist der einzige Gedanke der alten Menschheit gerichtet. Je teurer das Tier, desto wirksamer die Sühne. Doch nichts, das ist die allgemeine Überzeugung von Indien bis zum Keltenland, nichts erreicht an Kraft und Dauer die Wirksamkeit des Menschenblutes.

Und wenn es auch nicht bis zum letzten Tropfen fließt, so soll doch ein Teil davon strömen: sie hauen sich ein Fingerglied weg, sie ritzen sich mit schneidigen Pfriemen Haut und Fleisch und geben von ihrem Blut den Göttern, soviel sie dessen entbehren können.

Fürwahr, wir müssen der unerlösten Menschheit da Zeugnis geben, dass sie es sich teuer und sauer hat werden lassen, um mit Opfern von Geld und Besitz, von Schweiß und Blut der Nachwelt zu bezeugen, wie sehr sie sich ihrer Sünde bewusst war.

Das Blut Abels schrie von der Erde zum Himmel: auch diese Ströme von Menschenblut, diese Meere von Blut der Tiere, die ihr Leben statt ihrer Herren dahin gegeben, müssen wir ein himmelschreiendes Zeugnis nennen, in dem die Menschheit das Bekenntnis des Falles und den Ruf nach Erbarmung ausgesprochen hat. Wenn es auf Worte ankommt, hat sie freilich geleugnet, dass sie sich als Frevlerin wisse.

Allein wer hält viel auf Worte! Ist doch bei den meisten die Sprache bloß dazu da, um zu verhüllen, was man im Herzen trägt. Nur die Taten erlauben uns sicher einen Schluss auf die wahre Gesinnung des Menschen. So ist denn diese Tat im Blut ein Sündenbekenntnis der Menschheit, das uns jedes andere Geständnis leicht entbehrlich macht.

Wo immer wir ein blutiges Opfer oder einen Ersatz dafür treffen, da müssen wir es demnach für eine Beichte erklären, die das Menschengeschlecht, reuig oder trotzig, bewusst oder träumend, vor Himmel und Erde ablegt, eine Beichte darüber, dass es von Gott abgewichen ist, dass es seine Sünde selber verschuldet, dass es in seiner Empörung gegen den Herrn über Leben und Tod sich vom Leben zum Tod gebracht hat.

Die Opfer im Blut, das, worin alle Völker übereinstimmen, wie in wenig anderem, sind wirklich die Generalbeichte der gefallenen Menschheit zu nennen. Diese Beichte durchzieht das ganze häusliche und öffentliche Leben der Alten. Wer ein Verbrechen begangen hat und Strafe der Götter fürchtet, wer ein Unglück von seinem Haupt abwehren, wer den Tod beschwören will, damit er die räuberische Hand nicht in sein Haus strecke, der eilt zum Altar und bekennt sich im Blut des Opfers vor aller Welt als Sünder. Ein Fest im Altertum wäre kein Fest, wenn es nicht mit Blut, das heißt durch ein feierliches und gemeinsames Bekenntnis der allgemeinen Sündhaftigkeit eingeleitet würde: dann erst glauben sich die Heiden dem Jubel ergeben zu dürfen.

Wenn sich das Volk versammelt, um sein Wohl und Wehe zu beraten, wenn das Heer die teure Heimat verlässt, um den nahenden Störer des Friedens abzuwehren, wenn der, in dessen Hände die Mitbürger soeben ihr Wertvollstes, ihr Vaterland, gelegt haben, sein Amt antreten soll: stets ist es ihr erster Gedanke, durch Vergießung von Blut die Beichte ihrer Sünden abzulegen und sich so bei der Gottheit wieder in Gunst zu setzen.

Mögen sie sonst noch so unbeugsamen, selbstgefälligen Stolzes leben, das wenigstens wissen sie, dass sie da, wo sie den Schutz des Himmels bedürfen, sich zuerst vor ihm demütigen müssen. Im Wort haben sie es vielleicht nie gestanden, im Werk aber haben sie bekannt, dass der Mensch, wenn er einmal gefallen ist, er mag vor Gott erscheinen in welchem Anliegen immer, nur noch mit dem Bekenntnis der Schuld vor sein Angesicht treten darf. Das ist auch der Grund, warum sie Gott trotz aller Gräuel nie ganz verstoßen hat.

Das Härteste, was wir auf Erden kennen, ist der Diamant. Er spottet des Feuers, er trotzt dem Hammer, der Stahl zersplittert an ihm. Nur im Blut, so sagen die Alten, erweicht sich seine unbeugsame Kraft. Das Härteste, was wir auf Erden empfinden, ist das schwere Joch, das auf den Kindern Adams liegt von dem Tag an, da sie den Mutterschoß verlassen, bis auf den Tag, an dem sie in dem Schoß der Erde begraben werden. (Sir. 40, 1)

Es ist der Fluch der Sünde. Es ist das Bewusstsein der eigenen Schuld. Es ist die Furcht vor dem strafenden Zorn des gerechten, beleidigten Gottes. Kein Stahl zerschneidet diese Fesseln, kein Feuer schmilzt diese Ketten, starrer als Eisen, unbeugsamer als Diamant. Nur eines erreicht sie und löst sie von uns: das Geständnis der eigenen Schuld, der Glaube an das Erlösungsblut, das allein die Sünde tilgt, an das Blut, von dem es heißt:

Des harten Fluches Eisenband
Zerbrochen ward in seinem Blute.

aus: Albert Maria Weiß, Apologie des Christentums, Zweiter Band: Humanität und Humanismus, 1908, S. 281 – S. 286

siehe auch den Beitrag: Frederick W. Faber, Die Verschwendung des kostbaren Blutes in den sieben Blutvergießungen

weitere Beitrag von Wöhrmüller

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Tags: Heidentum

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