Die Verblendung der Feinde Christi – Die Unwissenheit der jüdischen Vorsteher und ihre Schuld
Teil 2
Vor allem konnten die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer darüber nicht in Unkenntnis und Unwissenheit sein, dass Christus, der Herr, ein ganz unschuldiger Mensch und ein Gerechter war. Denn sein Leben war so rein und heilig, dass er sie öffentlich auffordern konnte: „Wer aus euch kann mich einer Sünde beschuldigen?“ (Joh. Kap. 8, Vers 46) und dass niemand auch nur das Geringste ihm vorzuwerfen vermochte.
Der Herr beobachtete das Gesetz der Juden und das Gesetz der Römer mit solcher Genauigkeit, dass der Hoherat selbst mit gedungenen und bestochenen Zeugen nicht das Mindeste ausfindig machen konnte, um gegen ihn eine begründete Anklage zu erheben; und dass Pilatus, auch nachdem er alle Anschuldigungen der Feinde vernommen, wiederholt ihn selbst verhört, und auch das Urteil des Herodes besessen, immer und immer wieder und am Ende noch feierlich und öffentlich erklärte, er finde keine Schuld an ihm, und er sei ein Gerechter.
Christus, der Herr, hatte weder etwas Unrechtes getan noch etwas Unwahres gelehrt, und das ganze Land unter Wundern und Zeichen mit Wohltaten angefüllt, wie geschrieben steht: „Er ist herumgezogen, hat Gutes getan, und alle, die vom Teufel überwältigt waren, geheilt; denn Gott war mit ihm.“ (Act. Apost. Kap. 10, Vers 38) Sie konnten also darüber nicht in Unkenntnis oder Unwissenheit sein, dass sie an Christus einen unschuldigen Menschen und einen Gerechten mordeten.
Sie wussten um den dem jüdischen Volk verheißenen Messias
Die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer konnten auch darüber nicht in Unkenntnis und Unwissenheit sein, dass Christus, der Herr, der den Juden verheißene Messias war.
Denn die Weissagungen der Propheten haben die Zeit der Ankunft des Messias, seinen Geburtsort, sein Leben, seine Taten, seine Wunder so klar, so allseitig, so bezeichnend und unterscheidend und bis ins Einzelne eingehend vorausgesagt und beschrieben, dass sie nicht so fast Weissagungen als vielmehr eine Lebensbeschreibung zu sein scheinen; und dass, wer sie kannte, zugleich Christum, den Herrn, sein Leben und Wirken vor Augen hatte, und gesunde Sinne und einen gesunden Verstand besaß, an ihm den Messias nicht verkennen konnte. Christus, der Herr, selbst hat auf diese Weissagungen und auf deren Erfüllung in seinen Taten als auf untrügliche Merkmale und Kennzeichen sich berufen.
Denn auf die Frage der Jünger des heiligen Johannes, des Täufers: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ (Matth. Kap. 11, Vers 3) antwortete er: „Gehet hin und verkündet dem Johannes, was ihr gehört und gesehen habet: Blinde sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden gereinigt, Taube hören, Tote stehen auf, Armen wird das Evangelium gepredigt.“ (ebd. Vers 5) Denn dies waren die Wunderzeichen, von welchen der Prophet Isaias gesagt hat, dass man an denselben den Messias erkennen würde. (Isai. Kap. 35, Vers 5; Kap. 61, Vers 1)
Die jüdischen Vorsteher mussten als Lehrer die Weissagungen kennen
Die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer mussten als Lehrer des Volkes diese Weissagungen kennen; sie kannten dieselben auch und rühmten sich ihrer Schriftkenntnis; sie sahen die Wunder des Herrn und konnten sie gar nicht leugnen; sie hörten seine Lehre und waren selbst Zeugen, wie er sich der Armen, der Kranken, der Betrübten, der Zöllner, der Sünder annahm. Sie konnten darum an ihm den Messias nicht verkennen.
Wenn sie aber der irrigen Ansicht waren, der Messias müsse in Macht und Herrlichkeit herrschen, und das irdische Reich Israel wieder herstellen, den Herrn aber in Niedrigkeit und Armut sahen, so hätten sie aus der heiligen Schrift, aus den messianischen Weissagungen selbst, aus deren offenbaren Erfüllung im Leben und Wirken Christi, aus den Wundern, aus den Taten und aus den Reden des Herrn den Irrtum ihrer Meinung ohne viele Mühe einsehen und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen können, wie sie ja auch andere aus den Vornehmen und Gebildeten und aus dem Volk selbst erkannt haben.
Jedenfalls aber konnte ihnen ihr Irrtum keinen Grund und keinen Anlass bieten, den Heiland zu hassen, zu verfolgen und zu töten; sondern er musste ihnen vielmehr gebieten, wenigstens zu warten, was es mit einem so außerordentlichen Mann für ein Ende nehmen werde. Da sie aber von allem dem nichts getan, sondern den Herrn in der Blüte des Alters getötet haben, so können sie durch nichts vom Mord des Messias entschuldigt werden.
Sie konnten über die Gottheit Christi nicht in Unwissenheit sein
Diese Vorsteher und Obersten des Judenvolkes konnten endlich auch über die Gottheit Christi nicht in Unkenntnis und Unwissenheit sein.
Denn die Weissagungen bezeichnen den Messias klar und bestimmt und oft als den wahren, lebendigen Gott; Christus, der Herr, hat seine Wunder nicht, wie die Heiligen, im Namen Gottes, sondern im eigenen Namen und aus eigener Macht gewirkt, und er hat sie ausdrücklich zu dem Zweck gewirkt, damit sie an ihn als den Sohn Gottes glauben sollten. Er hat ihnen bewiesen, dass er ihre geheimsten Gedanken und ihren ganzen Seelenzustand kenne; und das alles haben sie sich selbst einander eingestanden, indem sie über ihn zu Rate saßen und sprachen: „Was tun wir? Dieser Mensch wirkt viele Wunder. Wenn wir ihn so lassen, werden alle an ihn glauben.“ (Joh. Kap. 11, Vers 47)
Was war aber die Folge dieser Erkenntnis und dieses Selbstgeständnisses?
Der Beschluss, ihn zu töten; denn das heilige Evangelium sagt: „Sie beschlossen also von diesem Tage an, ihn zu töten.“ (ebd., Vers 53) Dieser Beschluss war also nicht die Folge der Unkenntnis der göttlichen Zeugnisse in seinen Wundern; und Christus, der Herr, selbst erklärte, dass sie aus seinen Wundern seine Gottheit hätten erkennen können und erkennen sollen, indem er zu ihnen sprach:
„Wie saget ihr zu dem, den der Vater geheiligt und in die Welt gesendet hat: Du lästerst Gott! Weil ich gesagt habe: Ich bin der Sohn Gottes? Tue ich die Werke meines Vaters nicht, so mögt ihr mir nicht glauben; tue ich sie aber, so glaubet den Werken, wenn ihr mir nicht glauben wollet, dass der Vater in mir ist, und ich in ihm (bin).“ (Joh. Kap. 10, Vers 36-38)
Die Vorsteher konnten sich mit keiner Unwissenheit entschuldigen
Der Herr sagte von ihnen ausdrücklich, dass sie sich mit keiner Unkenntnis und Unwissenheit entschuldigen konnten; denn als er einst gesagt hatte: „Ich bin zum Gericht in diese Welt gekommen, dass die Blinden sehend und die Sehenden blind werden“ (ebd., Kap. 9, Vers 39), sprachen die Pharisäer, welche diese Worte gehört hatten, zu ihm: „Sind etwa auch wir blind?“ (ebd., Vers 40) Da antwortete ihnen der Herr: „Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde; nun aber sprechet ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.“ (ebd., Vers 41) Ja, er sprach von ihnen ganz klar und bestimmt:
„Wenn ich nicht gekommen wäre und zu ihnen nicht geredet hätte, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie keine Entschuldigung für ihre Sünde. Wer mich hasst, der hasst auch meinen Vater. Wenn ich nicht die Werke unter ihnen getan hätte, die kein anderer getan hat, so hätten sie keine Sünde; nun aber haben sie dieselben gesehen und hassen doch mich und meinen Vater. Aber es musste das Wort erfüllt werden, das in ihrem Gesetz geschrieben steht: Sie hassen mich ohne Ursache.“ (ebd., Kap. 15, Vers 22-26; Ps. 68, Vers 5)
Ihre Sünde wider den heiligen Geist
Sie konnten also die Sünde ihres Unglaubens und ihres Hasses auch nicht in Bezug auf seine Gottheit mit ihrer Unkenntnis oder Unwissenheit entschuldigen. Noch mehr; der göttliche Heiland sagte ihnen, dass sie den heiligen Geist lästerten, indem sie sagten, er treibe die Teufel durch den Obersten der Teufel aus, und dadurch die Werke des heiligen Geistes, die Wunder Gottes dem Beelzebub zuschrieben. (Matth. Kap. 12, Vers 24-33)
Auch der heilige Stephanus sprach zu ihnen: „Ihr Halsstarrigen und Unbeschnittenen an Herz und Ohren! Ihr widerstrebt allzeit dem heiligen Geist, wie eure Väter, so auch ihr.“ (Act. Apost. Kap. 8, Vers 51)
Sie waren also in ihrem Widerstand gegen Christus und gegen seine Lehren und taten Sünder gegen den heiligen Geist. Von solchen Sünden aber sagt Maldonat nach der Lehre der heiligen Väter: „In den meisten anderen Sünden bietet entweder die Unwissenheit oder die Schwachheit, wenn nicht ganz, so doch wenigstens teilweise eine Entschuldigung. Aber in einer Sünde wider den heiligen Geist findet man nichts dergleichen, was die schuld vermindern könnte.“ (Comment. In Matth. Kap. 12, Vers 31)
Christus, der Herr, erklärte ihnen daher, dass sie, wenn sie in diesem Widerstand verharrten, und an ihn, den Messias und den Sohn Gottes, nicht glaubten, als Sünder wider den heiligen Geist sterben würden: „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin; so werdet ihr in eurer Sünde sterben.“ (Joh. Kap. 8, Vers 24) Da kann also von einer Unkenntnis und Unwissenheit keine Rede sein.
Sie widerstanden der Wahrheit aus Bosheit
Endlich sagte ihnen der Herr, dass sie der Wahrheit widerstünden und ihm nach dem Leben strebten, wie der Teufel ein Lügner und Menschenmörder ist:
„Ihr tut die Werke eures Vaters. – Warum erkennt ihr meine Sprache nicht? – Weil ihr mein Wort nicht hören könnt. Ihr habt den Teufel zu Vater und wollet nach den Gelüsten eures Vaters tun. Dieser war ein Menschenmörder vom Anbeginn und ist in der Wahrheit nicht bestanden; denn die Wahrheit ist nicht in ihm. Wenn er Lüge redet, so redet er aus seinem Eigentum; denn er ist ein Lügner und der Vater der Lüge. Wenn ich aber die Wahrheit rede, so glaubt ihr mir nicht.“ (ebd., Vers 41, 43, 44)
Sie widerstanden also der Wahrheit nicht aus Unwissenheit, sondern aus Bosheit, wie der Teufel, und diese Sünder wider den heiligen Geist sind an Christus auch zu Gottesmördern geworden.
Selbst den Irrtum, in dem sie wähnten, der Messias werde das irdische Reich Israels herstellen und darum in Macht und Herrlichkeit kommen, benahm er ihnen noch in dem letzten Augenblick auf die nachdrücklichste und feierlichste Weise. Denn als er vor dem Richterstuhl des Kaiphas stand und dieser ihn beschwor: „Ich beschwöre dich bei dem lebendigen Gott, dass du uns sagest, ob du Christus, der Sohn Gottes, bist“ (Matth. Kap. 26, Vers 63); antwortete der Herr, obwohl er wusste, dass sie ihn darauf zum Tode verurteilen werden, bestimmt und entschieden:
„Du hast es gesagt!“ (das heißt: Ich bin es, wie du sagst). „Ich sage euch aber: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Kraft Gottes sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen.“ (Matth. 26, Vers 64) Er wies sie hier auf seine zweite Ankunft hin, die in Kraft und Herrlichkeit geschehen wird, während die erste Ankunft in Schwachheit und Schmach stattfand. Sie konnten also auch darüber nicht mehr in Unkenntnis bleiben, oder in der Unwissenheit eine Entschuldigung finden.
Wie konnten die Vorsteher trotz alledem mit ihrer Unwissenheit entschuldigt werden?
Wenn dem nun also ist, wie konnte Christus, der Herr selbst, und wie konnten seine Apostel sie mit ihrer Unwissenheit entschuldigen? Es war mit aller dieser Erkenntnis doch auch eine vielfache Unwissenheit und Unkenntnis verbunden.
Denn ihre Schriftkenntnis war nicht so groß, dass sie nicht ein noch besseres Verständnis sich hätten verschaffen können; sie erkannten auch Christum, den Herrn, nicht so, dass sie ihn nicht besser hätten erkennen können; überdies ließen sie sich von den Leidenschaften des Hasses und des Neides gegen den göttlichen Heiland von Anfang an so einnehmen, dass von denselben auch die Kenntnis, die sie hatten, verwirrt und verdunkelt und jede weitere und klarere Erkenntnis verhindert wurde. Diesen vielfachen Mangel an Erkenntnis konnten also Christus und seine Apostel mit aller Wahrheit zu dem Zweck in Anspruch nehmen, um noch für ihre Rettung und für ihr Heil zu sorgen.
War aber nicht selbst diese Unkenntnis und Unwissenheit eine frei gewollte, eine selbstverschuldete, eine gesuchte und darum eine solche, die ihre Schuld nur noch vergrößerte und erschwerte?
Allerdings; denn der heilige Augustinus sagt: „Man muss wissen, dass ihre Unwissenheit sie von dem Verbrechen nicht entschuldigte, weil sie eine gewissermaßen gesuchte Unwissenheit war“ (Quaest. Nov. et vet. Testament. Quaest. 66. Inter Oper. S. Aug.); und der heilige Thomas setzt bei: „Denn sie sahen die augenscheinlichen Werke seiner Gottheit; aber aus Hass und Neid gegen Christus verkehrten sie dieselben und wollten seinen Worten, mit welchen er sich als den Sohn Gottes bekannte, nicht glauben.“ (Loc. cit.0.)
Hass, Neid und Mangel am Verständnis der heiligen Schrift verursachten eine gewisse Unwissenheit
Der heilige Hieronymus schreibt: „Der Herr beweist aus den Worten der Juden klar, dass die Vornehmen nicht aus Unwissenheit, sondern aus Neid den Sohn Gottes gekreuzigt haben; denn sie erkannten, dass er derjenige sei, zu welchem der Vater durch den Propheten gesprochen hat: Verlange von mir, und ich werde dir die Heiden zum Erbe geben.“ (In Matth. Kap. 21, Vers Hic est haeres.)
Der Kardinal Tolet aber erklärt: „Die Vornehmen der Juden haben nicht vollkommen erkannt, dass er der Christus und der Sohn Gottes war. Die Ursache dessen aber lag darin, dass sie vom Anfang an, wo sie hätten aufmerksam sein sollen, Christum mit dem größten Hass verfolgten. Dadurch waren ihre Geister unfähig geworden, die Wahrheit zu erfassen, nach dem Wort der Weisheit: Ihre Bosheit hat sie verblendet. (Sap. Kap. 2, Vers 21)
Zu diesem Hass kam noch hinzu, dass sie auch die Schrift nicht vollkommen verstanden. Denn sie vermischten die zweifache Ankunft Christi, die demütige und die glorreiche, und hielten das Reich Christi für ein irdisches; da sie aber von diesem an Christus nichts sahen, überredete sie ihr Hass leicht, dass er nicht der Christus sei. Daher wollte ihnen der Herr noch während seines Leidens diesen Irrtum benehmen, da er dem Hohenpriester antwortete, er sei der Christus, und sprach: Von nun an werdet ihr den Menschensohn zur Rechten der Kraft Gottes sitzen und auf den Wolken des Himmels kommen sehen (Matth. Kap. 26, Vers 64); das heißt: Täuschet euch nicht, weil meine glorreiche Ankunft nicht jetzt, sondern später erfolgt.
Sie aber glaubten aus Hass nicht, nach seinem Worte: Ich sage es euch und ihr glaubet nicht. (Joh. Kap. 10, Vers 25) Hass und Neid und Mangel am Verständnis der Schrift waren also die Ursachen, warum die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer nicht zur vollen Erkenntnis des Messias und des Sohnes Gottes gelangten; das heißt, wie der heilige Thomas bemerkt, sie haben diese Erkenntnis gehabt und hätten sie aus der Schrift noch vollständiger haben können, aber derselben wegen ihres Hasses und Neides nicht beistimmen wollen.“ (Loc. cit. Ad 1)
Sie haben sich mit ausgesuchter Bosheit der Wahrheit verschlossen
Sie haben sich auch keine Mühe gegeben, aus der Schrift eine klarere Überzeugung zu schöpfen; sie haben sich vom Herrn selbst nicht belehren lassen; sie haben auch seine Worte verdreht und seine Taten missdeutet; sie haben sich mit ausgesuchter Bosheit der Wahrheit verschlossen. Es war eine frei gewollte, gesuchte und boshafte Unwissenheit, von welcher der heilige Thomas sagt: „Sie spricht von der Schuld nicht frei, sondern scheint die Schuld noch mehr zu erschweren; denn sie zeugt von einer so heftigen Begierde des Menschen, zu sündigen, dass er in die Unwissenheit sich hineinstürzen will, um die Sünde nicht zu meiden.“ (Loc. cit. ad 3.)
Wenn nun die Apostelfürsten diese Unwissenheit der Feinde Christi dennoch zum Vorwand nahmen, um deren Verbrechen zu entschuldigen, und wenn der göttliche Heiland selbst dieselbe als Beweggrund anführt, um ihnen vom himmlischen Vater Verzeihung zu erflehen: so sagen damit weder die Apostel noch Christus, dass es eine unsträfliche Unwissenheit gewesen sei; sondern die Bitte Christi selbst zeigt klar, dass es eine schuldbare und darum eine sträfliche Unwissenheit gewesen sei. Denn er bittet: „Vater! vergib ihnen“; wo aber keine Schuld und keine Strafbarkeit vorhanden, da wäre auch nichts vorhanden, was vergeben werden könnte. Die Liebe und Barmherzigkeit des Herrn findet aber doch in eben dieser Unwissenheit Milderungsgründe für diese entsetzlichen Verbrechen.
…
Die Vorsteher verstanden die Ratschlüsse Gottes über das Leiden des Erlösers und das Kreuzopfer nicht
Endlich ist auch durchaus wahr, was der heilige Paulus sagt, dass nämlich nicht nur Pilatus und Herodes, sondern auch die Hohenpriester, Schriftgelehrten und Pharisäer die Geheimnisse des Kreuzes, das ist, die Ratschlüsse Gottes über das Leiden und Sterben des Erlösers, die Ursachen, Wirkungen und Folgen des Kreuzopfers nicht eingesehen haben. (1. Kor. Kap. II. Vers 6-9; Act. Apost. Kap. 4, Vers 24-29)
Es findet sich also weder in den Worten des Herrn noch in den Worten der Apostel etwas, was gegen die Wahrheit wäre; sondern es erweisen sich da nur nach allen Seiten hin die grenzenlosen Erbarmungen Gottes in der Erlösung des Menschengeschlechts, und selbst gegen jene, welche ihrerseits aus übergroßer Bosheit und selbstverschuldeter Unwissenheit an dem göttlichen Erlöser selbst sich so schwer versündigt haben. –
aus: Georg Patiss SJ, Das Leiden unseres Herrn Jesu Christi nach der Lehre des heiligen Thomas von Aquin, 1883, S. 232 – S. 240
Fortsetzung folgt
siehe von Georg Patiss auch Teil 1: Wie die Erkenntnis so die Schuld
und den wichtigen Beitrag: Die Urheber des Leidens Christi
sowie den Beitrag: Jesus beteuerte Seine Gottheit feierlich
Bildquellen
- PLATE4DX: wikimedia